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Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869.

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IV. Sturz -- Eissporen.

Wer das Unglück hat, auf schlüpfrigen, abschüssigen Gras-
abhängen oder Schneefeldern zu stürzen und abwärts
zu treiben
, bemühe sich, wenn er auf dem Rücken liegt,
so schnell als möglich eine Wendung zu bewerkstelligen, so daß
die Brust zur Erde gekehrt ist, denn auf diese Weise bietet
sich mehr Aussicht, eine Handhabe zu erfassen, mit den Fin-
gern oder der Schuhkante sich einzugraben und außerdem den
Kopf oben zu behalten, letzteres im wörtlichen und im figür-
lichen Sinne gemeint. Versäumt er eine solche Volte oder miß-
lingt sie, so ist der Fall ziemlich hoffnungslos, denn in der
Regel treibt dann, wie es mir geschah, der Kopf bald nach
unten vorwärts und die Besinnung schwindet. Glückt es,
Halt zu machen, so sei das Nächste, einige Augenblicke liegen
zu bleiben, um Gedanken und Körperkräfte zu sammeln.
Nicht eher suche man sich zu erheben, als bis etwas Ruhe ge-
wonnen und das umliegende Terrain in's Auge gefaßt ist;
erst dann darf der Versuch gewagt werden, langsam sich aufzu-
richten, unter Umständen die scharfe Kante des Schuhs ein-
wühlend.

Zu entscheiden, ob Eissporen (Steigeisen, Fußeisen)
anzulegen sind, ist Sache des Führers. Die Schmiede der
den Eisregionen benachbarten Dörfer sind meist recht geschickt
in der Anfertigung jener. Sie nehmen dazu das zähe Eisen
alter Sensen, welches schwere Proben besteht. Zwei, wie eine
halbgeöffnete Scheere kreuzweis über einander liegende, vorn
längere, hinten kürzere Eisenstreifen, die an jedem ihrer vier
Enden in einen mit der Spitze nach unten gekehrten Stachel
auslaufen, bilden eine Art Rost, auf dessen Schneidepunkt ein
Bügel angebracht ist, der unten auf jeder Seite einen ähn-
lichen Stachel und oben zwei Hefte hat, in welchen Riemen
mit Schnallen sich befinden. Auf dies Gestell wird der Fuß
gesetzt und fest eingeschnallt, wobei es darauf ankommt, daß
die schmalste Stelle der Sohle zwischen Ballen und Ferse ge-
nau in den Bügel paßt, so daß auch nicht eine Linie Spiel-
raum bleibt. Da Füße von Bauern breiter als die von Tou-

IV. Sturz — Eisſporen.

Wer das Unglück hat, auf ſchlüpfrigen, abſchüſſigen Gras-
abhängen oder Schneefeldern zu ſtürzen und abwärts
zu treiben
, bemühe ſich, wenn er auf dem Rücken liegt,
ſo ſchnell als möglich eine Wendung zu bewerkſtelligen, ſo daß
die Bruſt zur Erde gekehrt iſt, denn auf dieſe Weiſe bietet
ſich mehr Ausſicht, eine Handhabe zu erfaſſen, mit den Fin-
gern oder der Schuhkante ſich einzugraben und außerdem den
Kopf oben zu behalten, letzteres im wörtlichen und im figür-
lichen Sinne gemeint. Verſäumt er eine ſolche Volte oder miß-
lingt ſie, ſo iſt der Fall ziemlich hoffnungslos, denn in der
Regel treibt dann, wie es mir geſchah, der Kopf bald nach
unten vorwärts und die Beſinnung ſchwindet. Glückt es,
Halt zu machen, ſo ſei das Nächſte, einige Augenblicke liegen
zu bleiben, um Gedanken und Körperkräfte zu ſammeln.
Nicht eher ſuche man ſich zu erheben, als bis etwas Ruhe ge-
wonnen und das umliegende Terrain in’s Auge gefaßt iſt;
erſt dann darf der Verſuch gewagt werden, langſam ſich aufzu-
richten, unter Umſtänden die ſcharfe Kante des Schuhs ein-
wühlend.

Zu entſcheiden, ob Eisſporen (Steigeiſen, Fußeiſen)
anzulegen ſind, iſt Sache des Führers. Die Schmiede der
den Eisregionen benachbarten Dörfer ſind meiſt recht geſchickt
in der Anfertigung jener. Sie nehmen dazu das zähe Eiſen
alter Senſen, welches ſchwere Proben beſteht. Zwei, wie eine
halbgeöffnete Scheere kreuzweis über einander liegende, vorn
längere, hinten kürzere Eiſenſtreifen, die an jedem ihrer vier
Enden in einen mit der Spitze nach unten gekehrten Stachel
auslaufen, bilden eine Art Roſt, auf deſſen Schneidepunkt ein
Bügel angebracht iſt, der unten auf jeder Seite einen ähn-
lichen Stachel und oben zwei Hefte hat, in welchen Riemen
mit Schnallen ſich befinden. Auf dies Geſtell wird der Fuß
geſetzt und feſt eingeſchnallt, wobei es darauf ankommt, daß
die ſchmalſte Stelle der Sohle zwiſchen Ballen und Ferſe ge-
nau in den Bügel paßt, ſo daß auch nicht eine Linie Spiel-
raum bleibt. Da Füße von Bauern breiter als die von Tou-

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[76/0090] IV. Sturz — Eisſporen. Wer das Unglück hat, auf ſchlüpfrigen, abſchüſſigen Gras- abhängen oder Schneefeldern zu ſtürzen und abwärts zu treiben, bemühe ſich, wenn er auf dem Rücken liegt, ſo ſchnell als möglich eine Wendung zu bewerkſtelligen, ſo daß die Bruſt zur Erde gekehrt iſt, denn auf dieſe Weiſe bietet ſich mehr Ausſicht, eine Handhabe zu erfaſſen, mit den Fin- gern oder der Schuhkante ſich einzugraben und außerdem den Kopf oben zu behalten, letzteres im wörtlichen und im figür- lichen Sinne gemeint. Verſäumt er eine ſolche Volte oder miß- lingt ſie, ſo iſt der Fall ziemlich hoffnungslos, denn in der Regel treibt dann, wie es mir geſchah, der Kopf bald nach unten vorwärts und die Beſinnung ſchwindet. Glückt es, Halt zu machen, ſo ſei das Nächſte, einige Augenblicke liegen zu bleiben, um Gedanken und Körperkräfte zu ſammeln. Nicht eher ſuche man ſich zu erheben, als bis etwas Ruhe ge- wonnen und das umliegende Terrain in’s Auge gefaßt iſt; erſt dann darf der Verſuch gewagt werden, langſam ſich aufzu- richten, unter Umſtänden die ſcharfe Kante des Schuhs ein- wühlend. Zu entſcheiden, ob Eisſporen (Steigeiſen, Fußeiſen) anzulegen ſind, iſt Sache des Führers. Die Schmiede der den Eisregionen benachbarten Dörfer ſind meiſt recht geſchickt in der Anfertigung jener. Sie nehmen dazu das zähe Eiſen alter Senſen, welches ſchwere Proben beſteht. Zwei, wie eine halbgeöffnete Scheere kreuzweis über einander liegende, vorn längere, hinten kürzere Eiſenſtreifen, die an jedem ihrer vier Enden in einen mit der Spitze nach unten gekehrten Stachel auslaufen, bilden eine Art Roſt, auf deſſen Schneidepunkt ein Bügel angebracht iſt, der unten auf jeder Seite einen ähn- lichen Stachel und oben zwei Hefte hat, in welchen Riemen mit Schnallen ſich befinden. Auf dies Geſtell wird der Fuß geſetzt und feſt eingeſchnallt, wobei es darauf ankommt, daß die ſchmalſte Stelle der Sohle zwiſchen Ballen und Ferſe ge- nau in den Bügel paßt, ſo daß auch nicht eine Linie Spiel- raum bleibt. Da Füße von Bauern breiter als die von Tou-

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Zitationshilfe: Michelis, Arthur: Reiseschule für Touristen und Curgäste. Leipzig, 1869, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/michelis_reiseschule_1869/90>, abgerufen am 24.11.2024.