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Mill, John Stuart: Ueber Frauenemancipation. In: John Stuart Mill´s Gesammelte Werke. Leipzig, 1880. S. 1–29.

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Ueber Frauenemancipation.
tilgen ist. Desgleichen: da die Aussicht auf ehrenvolle und nütz-
liche Verwendung im späteren Leben der beste Sporn ist sich
die Vortheile der Erziehung anzueignen, und da die beste Er-
ziehung diejenige ist, welche wir uns in den Kämpfen, Beschäftigungen
und in der Schule des Lebens selbst geben: ist es unmöglich, daß
Frauen aus dem ihnen schon jetzt gewährten Unterricht den vollen
Nutzen ziehen, oder daß ihre Laufbahn ihren Fähigkeiten vollauf
entspreche, so lange ihnen nicht die Wege zu den mannigfaltigen
bürgerlichen und berufsmäßigen Stellungen geöffnet sind. Daraus
ergiebt sich: daß jeder Versuch, die Frauen heranzubilden, ohne
ihnen ihre Rechte zuzugestehen und ohne durch das Gewicht ihrer
Verantwortlichkeit ihr Pflichtbewußtsein zu wecken, vergeblich ist
und eine Vergeudung von Arbeit bedeutet. Weiters: daß die
Gesetze des ehelichen Güterrechtes einer gründlichen Umgestaltung
bedürfen, damit volle Rechtsgleichheit zwischen den Ehegatten bestehe;
daß das Weib während des Lebens gleiches Verfügungsrecht über
das durch gemeinsame Anstrengung und Opfer erworbene Eigen-
thum besitzen und ihren Mann in genau demselben Maße wie er
sie beerben soll, und daß sie berechtigt sein soll, bei ihrem Tode
über einen eben so großen Theil des gemeinsamen Vermögens letzt-
willig zu verfügen wie er."

Folgendes ist eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten
Forderungen:

1.Erziehung in elementaren und hohen Schulen, Univer-
sitäten, medicinischen, rechtswissenschaftlichen und theologischen
Anstalten.
2. Theilnehmerschaft an den Arbeiten und am Ertrag,
an den Gefahren und Belohnungen der productiven Er-
werbsthätigkeit.
3. Ein gleicher Antheil an der Feststellung und Hand-
habung von Gesetzen - der Gemeinde, des Einzelstaates
und der Nation - in gesetzgebenden Versammlungen, Ge-
richtshöfen und Executivbehörden.

Es würde schwer fallen, so viel Vernunft, Wahrheit und
Gerechtigkeit in eine so wenig bestechende Form zu kleiden als bei
einigen dieser Resolutionen der Fall ist. Allein was man auch
gegen einzelne Ausdrücke einwenden mag, nichts läßt sich nach
unserer Ansicht gegen die Forderungen selbst einwenden. Als eine
Frage der Gerechtigkeit scheint uns die Sache zu klar, um einer
Erörterung zu bedürfen; als eine Frage der Nützlichkeit wird sie
sich desto stärker erweisen, je gründlicher sie untersucht wird.

Daß die Frauen vom Standpunkte des persönlichen Rechtes

1*

Ueber Frauenemancipation.
tilgen ist. Desgleichen: da die Aussicht auf ehrenvolle und nütz-
liche Verwendung im späteren Leben der beste Sporn ist sich
die Vortheile der Erziehung anzueignen, und da die beste Er-
ziehung diejenige ist, welche wir uns in den Kämpfen, Beschäftigungen
und in der Schule des Lebens selbst geben: ist es unmöglich, daß
Frauen aus dem ihnen schon jetzt gewährten Unterricht den vollen
Nutzen ziehen, oder daß ihre Laufbahn ihren Fähigkeiten vollauf
entspreche, so lange ihnen nicht die Wege zu den mannigfaltigen
bürgerlichen und berufsmäßigen Stellungen geöffnet sind. Daraus
ergiebt sich: daß jeder Versuch, die Frauen heranzubilden, ohne
ihnen ihre Rechte zuzugestehen und ohne durch das Gewicht ihrer
Verantwortlichkeit ihr Pflichtbewußtsein zu wecken, vergeblich ist
und eine Vergeudung von Arbeit bedeutet. Weiters: daß die
Gesetze des ehelichen Güterrechtes einer gründlichen Umgestaltung
bedürfen, damit volle Rechtsgleichheit zwischen den Ehegatten bestehe;
daß das Weib während des Lebens gleiches Verfügungsrecht über
das durch gemeinsame Anstrengung und Opfer erworbene Eigen-
thum besitzen und ihren Mann in genau demselben Maße wie er
sie beerben soll, und daß sie berechtigt sein soll, bei ihrem Tode
über einen eben so großen Theil des gemeinsamen Vermögens letzt-
willig zu verfügen wie er.“

Folgendes ist eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten
Forderungen:

1.Erziehung in elementaren und hohen Schulen, Univer-
sitäten, medicinischen, rechtswissenschaftlichen und theologischen
Anstalten.
2. Theilnehmerschaft an den Arbeiten und am Ertrag,
an den Gefahren und Belohnungen der productiven Er-
werbsthätigkeit.
3. Ein gleicher Antheil an der Feststellung und Hand-
habung von Gesetzen – der Gemeinde, des Einzelstaates
und der Nation – in gesetzgebenden Versammlungen, Ge-
richtshöfen und Executivbehörden.

Es würde schwer fallen, so viel Vernunft, Wahrheit und
Gerechtigkeit in eine so wenig bestechende Form zu kleiden als bei
einigen dieser Resolutionen der Fall ist. Allein was man auch
gegen einzelne Ausdrücke einwenden mag, nichts läßt sich nach
unserer Ansicht gegen die Forderungen selbst einwenden. Als eine
Frage der Gerechtigkeit scheint uns die Sache zu klar, um einer
Erörterung zu bedürfen; als eine Frage der Nützlichkeit wird sie
sich desto stärker erweisen, je gründlicher sie untersucht wird.

Daß die Frauen vom Standpunkte des persönlichen Rechtes

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[3/0003] Ueber Frauenemancipation. tilgen ist. Desgleichen: da die Aussicht auf ehrenvolle und nütz- liche Verwendung im späteren Leben der beste Sporn ist sich die Vortheile der Erziehung anzueignen, und da die beste Er- ziehung diejenige ist, welche wir uns in den Kämpfen, Beschäftigungen und in der Schule des Lebens selbst geben: ist es unmöglich, daß Frauen aus dem ihnen schon jetzt gewährten Unterricht den vollen Nutzen ziehen, oder daß ihre Laufbahn ihren Fähigkeiten vollauf entspreche, so lange ihnen nicht die Wege zu den mannigfaltigen bürgerlichen und berufsmäßigen Stellungen geöffnet sind. Daraus ergiebt sich: daß jeder Versuch, die Frauen heranzubilden, ohne ihnen ihre Rechte zuzugestehen und ohne durch das Gewicht ihrer Verantwortlichkeit ihr Pflichtbewußtsein zu wecken, vergeblich ist und eine Vergeudung von Arbeit bedeutet. Weiters: daß die Gesetze des ehelichen Güterrechtes einer gründlichen Umgestaltung bedürfen, damit volle Rechtsgleichheit zwischen den Ehegatten bestehe; daß das Weib während des Lebens gleiches Verfügungsrecht über das durch gemeinsame Anstrengung und Opfer erworbene Eigen- thum besitzen und ihren Mann in genau demselben Maße wie er sie beerben soll, und daß sie berechtigt sein soll, bei ihrem Tode über einen eben so großen Theil des gemeinsamen Vermögens letzt- willig zu verfügen wie er.“ Folgendes ist eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Forderungen: 1.Erziehung in elementaren und hohen Schulen, Univer- sitäten, medicinischen, rechtswissenschaftlichen und theologischen Anstalten. 2. Theilnehmerschaft an den Arbeiten und am Ertrag, an den Gefahren und Belohnungen der productiven Er- werbsthätigkeit. 3. Ein gleicher Antheil an der Feststellung und Hand- habung von Gesetzen – der Gemeinde, des Einzelstaates und der Nation – in gesetzgebenden Versammlungen, Ge- richtshöfen und Executivbehörden. Es würde schwer fallen, so viel Vernunft, Wahrheit und Gerechtigkeit in eine so wenig bestechende Form zu kleiden als bei einigen dieser Resolutionen der Fall ist. Allein was man auch gegen einzelne Ausdrücke einwenden mag, nichts läßt sich nach unserer Ansicht gegen die Forderungen selbst einwenden. Als eine Frage der Gerechtigkeit scheint uns die Sache zu klar, um einer Erörterung zu bedürfen; als eine Frage der Nützlichkeit wird sie sich desto stärker erweisen, je gründlicher sie untersucht wird. Daß die Frauen vom Standpunkte des persönlichen Rechtes 1*

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Zitationshilfe: Mill, John Stuart: Ueber Frauenemancipation. In: John Stuart Mill´s Gesammelte Werke. Leipzig, 1880. S. 1–29, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mill_frauenemancipation_1880/3>, abgerufen am 21.11.2024.