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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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in den Stall, besah die Pferde, ritt sie an die
Tränke, warf sich mit Schneeballen, oder fuhr
auf seinem kleinen Schlitten den steilsten Berg
herab, und thats an Kühnheit, oft auch an Ver-
wegenheit, den kühnsten Baurenknaben zuvor.

Sobald die Frühlingssonne schien, konnt' ihn
gar nichts mehr zu Hause halten. Er trieb den
Kreisel, warf den Ball, stellte mit den Bauren-
jungen Jagden an, theilte immer die Rollen aus,
machte den einen zum Jäger und den andern
zum Hirsch, und umzingelte den ganzen Wald mit
jungen Jägern, wie ers bey der fürstlichen Jagd
gesehen hatte. Dann spielte er wieder den Sol-
daten, warb alle Jungen des Dorfs an, und be-
stellte sie am Sonntag auf das Feld hinaus.
Da gab er ihnen hölzerne, selbst geschnitzte Flin-
ten; hölzerne Säbel; drey Kindertrommeln, die ihm
und seinen Brüdern gehörten; papierne Fahnen,
und ein altes Jägerhorn. Jeder Knabe mußte
zugleich eine Schlehenbüchse, und zwanzig Kugeln
dazu haben. Damals wüthete der Krieg der Oester-
reicher mit den Preußen. Obgleich sein Fürst
auf der österreichischen Seite war, so hielt ers doch
mit den Preußen, weil er in den Zeitungen ge-
lesen hatte, daß diese immer mehr den Sieg da-



in den Stall, beſah die Pferde, ritt ſie an die
Traͤnke, warf ſich mit Schneeballen, oder fuhr
auf ſeinem kleinen Schlitten den ſteilſten Berg
herab, und thats an Kuͤhnheit, oft auch an Ver-
wegenheit, den kuͤhnſten Baurenknaben zuvor.

Sobald die Fruͤhlingsſonne ſchien, konnt’ ihn
gar nichts mehr zu Hauſe halten. Er trieb den
Kreiſel, warf den Ball, ſtellte mit den Bauren-
jungen Jagden an, theilte immer die Rollen aus,
machte den einen zum Jaͤger und den andern
zum Hirſch, und umzingelte den ganzen Wald mit
jungen Jaͤgern, wie ers bey der fuͤrſtlichen Jagd
geſehen hatte. Dann ſpielte er wieder den Sol-
daten, warb alle Jungen des Dorfs an, und be-
ſtellte ſie am Sonntag auf das Feld hinaus.
Da gab er ihnen hoͤlzerne, ſelbſt geſchnitzte Flin-
ten; hoͤlzerne Saͤbel; drey Kindertrommeln, die ihm
und ſeinen Bruͤdern gehoͤrten; papierne Fahnen,
und ein altes Jaͤgerhorn. Jeder Knabe mußte
zugleich eine Schlehenbuͤchſe, und zwanzig Kugeln
dazu haben. Damals wuͤthete der Krieg der Oeſter-
reicher mit den Preußen. Obgleich ſein Fuͤrſt
auf der oͤſterreichiſchen Seite war, ſo hielt ers doch
mit den Preußen, weil er in den Zeitungen ge-
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[6/0010] in den Stall, beſah die Pferde, ritt ſie an die Traͤnke, warf ſich mit Schneeballen, oder fuhr auf ſeinem kleinen Schlitten den ſteilſten Berg herab, und thats an Kuͤhnheit, oft auch an Ver- wegenheit, den kuͤhnſten Baurenknaben zuvor. Sobald die Fruͤhlingsſonne ſchien, konnt’ ihn gar nichts mehr zu Hauſe halten. Er trieb den Kreiſel, warf den Ball, ſtellte mit den Bauren- jungen Jagden an, theilte immer die Rollen aus, machte den einen zum Jaͤger und den andern zum Hirſch, und umzingelte den ganzen Wald mit jungen Jaͤgern, wie ers bey der fuͤrſtlichen Jagd geſehen hatte. Dann ſpielte er wieder den Sol- daten, warb alle Jungen des Dorfs an, und be- ſtellte ſie am Sonntag auf das Feld hinaus. Da gab er ihnen hoͤlzerne, ſelbſt geſchnitzte Flin- ten; hoͤlzerne Saͤbel; drey Kindertrommeln, die ihm und ſeinen Bruͤdern gehoͤrten; papierne Fahnen, und ein altes Jaͤgerhorn. Jeder Knabe mußte zugleich eine Schlehenbuͤchſe, und zwanzig Kugeln dazu haben. Damals wuͤthete der Krieg der Oeſter- reicher mit den Preußen. Obgleich ſein Fuͤrſt auf der oͤſterreichiſchen Seite war, ſo hielt ers doch mit den Preußen, weil er in den Zeitungen ge- leſen hatte, daß dieſe immer mehr den Sieg da-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/10>, abgerufen am 21.11.2024.