zig, der zweyte: Wilhelm, war phlegmatisch und träg. Mit beyden machte sie sich also nicht viel zu schaffen, begegnete ihnen aber freundlich, und gab ihren Schwachheiten, so viel als möglich, nach.
Aber unser Xaver war ein Mann für sie. Als Kind hüpfte sie immer mit ihm herum, und half ihm bey seinen kriegerischen Zurüstungen; sie spielte die Soldatenfrau, oder die Marquetende- rinn; und hielts, wie er, mit dem König von Preussen. Oft giengen auch die beyden allein, die Hände freundschaftlich in einander geschlossen, nach dem Garten, oder in den anliegenden Hain. Da setzte sie sich ins hohe Gras, sah mit frohem Stau- nen alle Schönheiten der Natur, deren Betrach- tung ihr immer das liebste war; hörte, mit lau- tem Aufjauchzen, dem Gesang der Nachtigallen und Grasmücken zu; indeß daß der Bruder Schmet- terlinge haschte, oder Blumen pflückte, und sie ihr mit Lachen in den Schoos warf. Sie wuste die Blumen künstlich zu binden, oder machte einen Kranz draus; setzte ihn auf; und gieng so, ver- gnügt, nach Haus. Als sie älter wurde, und sich schon ums Hauswesen bekümmerte, spielte sie doch noch oft mit ihm des Abends; warnte ihn, wenn er zu muthwillig gewesen, und der Papa über ihn
zig, der zweyte: Wilhelm, war phlegmatiſch und traͤg. Mit beyden machte ſie ſich alſo nicht viel zu ſchaffen, begegnete ihnen aber freundlich, und gab ihren Schwachheiten, ſo viel als moͤglich, nach.
Aber unſer Xaver war ein Mann fuͤr ſie. Als Kind huͤpfte ſie immer mit ihm herum, und half ihm bey ſeinen kriegeriſchen Zuruͤſtungen; ſie ſpielte die Soldatenfrau, oder die Marquetende- rinn; und hielts, wie er, mit dem Koͤnig von Preuſſen. Oft giengen auch die beyden allein, die Haͤnde freundſchaftlich in einander geſchloſſen, nach dem Garten, oder in den anliegenden Hain. Da ſetzte ſie ſich ins hohe Gras, ſah mit frohem Stau- nen alle Schoͤnheiten der Natur, deren Betrach- tung ihr immer das liebſte war; hoͤrte, mit lau- tem Aufjauchzen, dem Geſang der Nachtigallen und Grasmuͤcken zu; indeß daß der Bruder Schmet- terlinge haſchte, oder Blumen pfluͤckte, und ſie ihr mit Lachen in den Schoos warf. Sie wuſte die Blumen kuͤnſtlich zu binden, oder machte einen Kranz draus; ſetzte ihn auf; und gieng ſo, ver- gnuͤgt, nach Haus. Als ſie aͤlter wurde, und ſich ſchon ums Hausweſen bekuͤmmerte, ſpielte ſie doch noch oft mit ihm des Abends; warnte ihn, wenn er zu muthwillig geweſen, und der Papa uͤber ihn
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zig, der zweyte: Wilhelm, war phlegmatiſch und
traͤg. Mit beyden machte ſie ſich alſo nicht viel
zu ſchaffen, begegnete ihnen aber freundlich, und
gab ihren Schwachheiten, ſo viel als moͤglich, nach.
Aber unſer Xaver war ein Mann fuͤr ſie.
Als Kind huͤpfte ſie immer mit ihm herum, und
half ihm bey ſeinen kriegeriſchen Zuruͤſtungen; ſie
ſpielte die Soldatenfrau, oder die Marquetende-
rinn; und hielts, wie er, mit dem Koͤnig von
Preuſſen. Oft giengen auch die beyden allein, die
Haͤnde freundſchaftlich in einander geſchloſſen, nach
dem Garten, oder in den anliegenden Hain. Da
ſetzte ſie ſich ins hohe Gras, ſah mit frohem Stau-
nen alle Schoͤnheiten der Natur, deren Betrach-
tung ihr immer das liebſte war; hoͤrte, mit lau-
tem Aufjauchzen, dem Geſang der Nachtigallen
und Grasmuͤcken zu; indeß daß der Bruder Schmet-
terlinge haſchte, oder Blumen pfluͤckte, und ſie ihr
mit Lachen in den Schoos warf. Sie wuſte die
Blumen kuͤnſtlich zu binden, oder machte einen
Kranz draus; ſetzte ihn auf; und gieng ſo, ver-
gnuͤgt, nach Haus. Als ſie aͤlter wurde, und ſich
ſchon ums Hausweſen bekuͤmmerte, ſpielte ſie doch
noch oft mit ihm des Abends; warnte ihn, wenn
er zu muthwillig geweſen, und der Papa uͤber ihn
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/119>, abgerufen am 24.11.2024.
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