zu machen, und ihres Vaters Pfeife anzustecken. Sie kam wieder, stellte sich an die Kommode, schlug die Augen nieder, krabbelte mit den Fin- gern, oder spielte mit einer Feder. Sie gieng ans Fenster, machte es auf und wieder zu, und fieng endlich, mit weggewandtem Gesicht an: Pa- pa, ists denn wirklich Ernst mit Xaver? Soll ich ihm Weißzeug auf die Reise zurecht machen?
Der Vater. Allerdings, Therese! du wirst dich freylich wundern, daß ich so schnell einen Entschluß fasse, den ich selber nie vermuthet hätte. Aber ich hab dir schon gesagt, wie es dem Kna- ben im Kloster so wohl gefiel, und wie die Pa- ters mir zusetzten, daß ich ihn der Kirche nicht entziehen sollte; und gestern fand ich ihn vollends ganz und gar verändert; er sah und hörte nichts, als das Kloster; seine ganze Seele haftet dran, und es wär sein Unglück, wenn man ihn jetzt davon losreissen wollte. Er ist so veränderlich nicht, als er scheint; ich habs oft erfahren. Was er Einmal recht fest gefaßt hat, das läßt er so leicht nicht wieder fahren.
Therese. Das ist schon gut, Papa; aber jetzt ist er noch, wie betäubt. Wenn er wieder zu sich selber kommt, und sieht, wie weit er
zu machen, und ihres Vaters Pfeife anzuſtecken. Sie kam wieder, ſtellte ſich an die Kommode, ſchlug die Augen nieder, krabbelte mit den Fin- gern, oder ſpielte mit einer Feder. Sie gieng ans Fenſter, machte es auf und wieder zu, und fieng endlich, mit weggewandtem Geſicht an: Pa- pa, iſts denn wirklich Ernſt mit Xaver? Soll ich ihm Weißzeug auf die Reiſe zurecht machen?
Der Vater. Allerdings, Thereſe! du wirſt dich freylich wundern, daß ich ſo ſchnell einen Entſchluß faſſe, den ich ſelber nie vermuthet haͤtte. Aber ich hab dir ſchon geſagt, wie es dem Kna- ben im Kloſter ſo wohl gefiel, und wie die Pa- ters mir zuſetzten, daß ich ihn der Kirche nicht entziehen ſollte; und geſtern fand ich ihn vollends ganz und gar veraͤndert; er ſah und hoͤrte nichts, als das Kloſter; ſeine ganze Seele haftet dran, und es waͤr ſein Ungluͤck, wenn man ihn jetzt davon losreiſſen wollte. Er iſt ſo veraͤnderlich nicht, als er ſcheint; ich habs oft erfahren. Was er Einmal recht feſt gefaßt hat, das laͤßt er ſo leicht nicht wieder fahren.
Thereſe. Das iſt ſchon gut, Papa; aber jetzt iſt er noch, wie betaͤubt. Wenn er wieder zu ſich ſelber kommt, und ſieht, wie weit er
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zu machen, und ihres Vaters Pfeife anzuſtecken.
Sie kam wieder, ſtellte ſich an die Kommode,
ſchlug die Augen nieder, krabbelte mit den Fin-
gern, oder ſpielte mit einer Feder. Sie gieng
ans Fenſter, machte es auf und wieder zu, und
fieng endlich, mit weggewandtem Geſicht an: Pa-
pa, iſts denn wirklich Ernſt mit Xaver? Soll ich
ihm Weißzeug auf die Reiſe zurecht machen?
Der Vater. Allerdings, Thereſe! du wirſt
dich freylich wundern, daß ich ſo ſchnell einen
Entſchluß faſſe, den ich ſelber nie vermuthet haͤtte.
Aber ich hab dir ſchon geſagt, wie es dem Kna-
ben im Kloſter ſo wohl gefiel, und wie die Pa-
ters mir zuſetzten, daß ich ihn der Kirche nicht
entziehen ſollte; und geſtern fand ich ihn vollends
ganz und gar veraͤndert; er ſah und hoͤrte nichts,
als das Kloſter; ſeine ganze Seele haftet dran,
und es waͤr ſein Ungluͤck, wenn man ihn jetzt
davon losreiſſen wollte. Er iſt ſo veraͤnderlich
nicht, als er ſcheint; ich habs oft erfahren. Was
er Einmal recht feſt gefaßt hat, das laͤßt er ſo
leicht nicht wieder fahren.
Thereſe. Das iſt ſchon gut, Papa; aber
jetzt iſt er noch, wie betaͤubt. Wenn er wieder
zu ſich ſelber kommt, und ſieht, wie weit er
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/128>, abgerufen am 21.11.2024.
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