schon vorwärts gegangen ist, ohne daß er mehr zurück kann, wie wird's ihm dann gehen?
Der Vater. Du machst mir aufs neue bana, meine Tochter; ich war vorher schon nicht ruhig. Aber, sag, wie ichs anders hätte machen können? Der Knabe kommt ins Kloster; alles ist ihm neu, gefällt ihm, blendet ihn. Anton fragt, ob ich keinen Sohn ins Kloster geben wolle? Xaver bricht los, sagt ja; die andern Paters er- fahren's; nehmen mich beym Wort, und stellen mir die Sache als eine Gewissenssache vor. Nun wußt' ich weder aus noch ein, und suchte mir nur dadurch Verzögerung und einen Ausweg zu verschaffen, daß ich Xavern versprach, er könn- te einige Tage im Kloster bleiben. Vielleicht, dacht ich, wird ihn die Einsamkeit bald wieder auf andere Gedanken bringen, und ihm die Frey- heit desto angenehmer machen. Aber es gieng umgekehrt. Er will von nichts anders mehr wissen, als vom Klosterleben. Jch kanns nicht ändern, und ich denke doch, daß es so auch gut gehen werde, da sein Trieb so stark und beynahe übernatürlich ist. Es würde mir über- dieß auch schwer fallen, ihn auf andre Art in der Welt unterzubringen, da ich doch für euch genug
ſchon vorwaͤrts gegangen iſt, ohne daß er mehr zuruͤck kann, wie wird’s ihm dann gehen?
Der Vater. Du machſt mir aufs neue bana, meine Tochter; ich war vorher ſchon nicht ruhig. Aber, ſag, wie ichs anders haͤtte machen koͤnnen? Der Knabe kommt ins Kloſter; alles iſt ihm neu, gefaͤllt ihm, blendet ihn. Anton fragt, ob ich keinen Sohn ins Kloſter geben wolle? Xaver bricht los, ſagt ja; die andern Paters er- fahren’s; nehmen mich beym Wort, und ſtellen mir die Sache als eine Gewiſſensſache vor. Nun wußt’ ich weder aus noch ein, und ſuchte mir nur dadurch Verzoͤgerung und einen Ausweg zu verſchaffen, daß ich Xavern verſprach, er koͤnn- te einige Tage im Kloſter bleiben. Vielleicht, dacht ich, wird ihn die Einſamkeit bald wieder auf andere Gedanken bringen, und ihm die Frey- heit deſto angenehmer machen. Aber es gieng umgekehrt. Er will von nichts anders mehr wiſſen, als vom Kloſterleben. Jch kanns nicht aͤndern, und ich denke doch, daß es ſo auch gut gehen werde, da ſein Trieb ſo ſtark und beynahe uͤbernatuͤrlich iſt. Es wuͤrde mir uͤber- dieß auch ſchwer fallen, ihn auf andre Art in der Welt unterzubringen, da ich doch fuͤr euch genug
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ſchon vorwaͤrts gegangen iſt, ohne daß er mehr
zuruͤck kann, wie wird’s ihm dann gehen?
Der Vater. Du machſt mir aufs neue
bana, meine Tochter; ich war vorher ſchon nicht
ruhig. Aber, ſag, wie ichs anders haͤtte machen
koͤnnen? Der Knabe kommt ins Kloſter; alles iſt
ihm neu, gefaͤllt ihm, blendet ihn. Anton fragt,
ob ich keinen Sohn ins Kloſter geben wolle?
Xaver bricht los, ſagt ja; die andern Paters er-
fahren’s; nehmen mich beym Wort, und ſtellen
mir die Sache als eine Gewiſſensſache vor.
Nun wußt’ ich weder aus noch ein, und ſuchte
mir nur dadurch Verzoͤgerung und einen Ausweg
zu verſchaffen, daß ich Xavern verſprach, er koͤnn-
te einige Tage im Kloſter bleiben. Vielleicht,
dacht ich, wird ihn die Einſamkeit bald wieder
auf andere Gedanken bringen, und ihm die Frey-
heit deſto angenehmer machen. Aber es gieng
umgekehrt. Er will von nichts anders mehr
wiſſen, als vom Kloſterleben. Jch kanns nicht
aͤndern, und ich denke doch, daß es ſo auch gut
gehen werde, da ſein Trieb ſo ſtark und
beynahe uͤbernatuͤrlich iſt. Es wuͤrde mir uͤber-
dieß auch ſchwer fallen, ihn auf andre Art in der
Welt unterzubringen, da ich doch fuͤr euch genug
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/129>, abgerufen am 21.11.2024.
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