Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.nahmen nicht den stolzen Ton an, wodurch man sich mehr von den Schülern entfernt, als ihre Liebe und ihr Zutrauen sich erwirbt; welches doch der einzige Weg zum Herzen ist. Jeder durfte frey sprechen, ohne daß dadurch die, den Lehrern schul- dige Hochachtung beleidigt wurde. Nur einer von den Lehrern, P. Hyacinth, schien stolz und |auf- fahrend zu seyn; er widersprach nicht nur den Schülern, sondern auch den Professoren, und that immer entscheidende Aussprüche. Ein paarmal fragte er unsern Siegwart nahmen nicht den ſtolzen Ton an, wodurch man ſich mehr von den Schuͤlern entfernt, als ihre Liebe und ihr Zutrauen ſich erwirbt; welches doch der einzige Weg zum Herzen iſt. Jeder durfte frey ſprechen, ohne daß dadurch die, den Lehrern ſchul- dige Hochachtung beleidigt wurde. Nur einer von den Lehrern, P. Hyacinth, ſchien ſtolz und |auf- fahrend zu ſeyn; er widerſprach nicht nur den Schuͤlern, ſondern auch den Profeſſoren, und that immer entſcheidende Ausſpruͤche. Ein paarmal fragte er unſern Siegwart <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0184" n="180"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> nahmen nicht den ſtolzen Ton an, wodurch man<lb/> ſich mehr von den Schuͤlern entfernt, als ihre Liebe<lb/> und ihr Zutrauen ſich erwirbt; welches doch der<lb/> einzige Weg zum Herzen iſt. Jeder durfte frey<lb/> ſprechen, ohne daß dadurch die, den Lehrern ſchul-<lb/> dige Hochachtung beleidigt wurde. Nur einer von<lb/> den Lehrern, P. <hi rendition="#fr">Hyacinth,</hi> ſchien ſtolz und |auf-<lb/> fahrend zu ſeyn; er widerſprach nicht nur den<lb/> Schuͤlern, ſondern auch den Profeſſoren, und<lb/> that immer entſcheidende Ausſpruͤche.</p><lb/> <p>Ein paarmal fragte er unſern <hi rendition="#fr">Siegwart</hi><lb/> etwas in ſo rauhem Ton, daß dieſer ganz er-<lb/> ſchrocken zuruͤckfuhr, und verwirrt antwortete;<lb/> aber P. <hi rendition="#fr">Philipp</hi> uͤbernahm die Antwort, und<lb/> half ihm aus der Verlegenheit. Die meiſten<lb/> Schuͤler waren beſcheiden und geſittet. Ein jun-<lb/> ger Edelmann von 18 Jahren, Namens Kron-<lb/> helm, der am P. <hi rendition="#fr">Philipp</hi> ſaß, zog <hi rendition="#fr">Siegwarts</hi><lb/> Aufmerkſamkeit beſonders auf ſich. Er hatte ſanf-<lb/> te blaue Augen, hellblondes Haar, und etwas<lb/> ſchwermuͤthiges in der Mine, das aber von der<lb/> innern Seelenruhe, wie mit einem Schleyer, uͤber-<lb/> deckt war. Seine und <hi rendition="#fr">Siegwarts</hi> Blicke begeg-<lb/> neten ſich ein paarmal, fuhren ſchnell zuruͤck, wie<lb/> der Blick eines Liebenden, und ſuchten ſich un-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [180/0184]
nahmen nicht den ſtolzen Ton an, wodurch man
ſich mehr von den Schuͤlern entfernt, als ihre Liebe
und ihr Zutrauen ſich erwirbt; welches doch der
einzige Weg zum Herzen iſt. Jeder durfte frey
ſprechen, ohne daß dadurch die, den Lehrern ſchul-
dige Hochachtung beleidigt wurde. Nur einer von
den Lehrern, P. Hyacinth, ſchien ſtolz und |auf-
fahrend zu ſeyn; er widerſprach nicht nur den
Schuͤlern, ſondern auch den Profeſſoren, und
that immer entſcheidende Ausſpruͤche.
Ein paarmal fragte er unſern Siegwart
etwas in ſo rauhem Ton, daß dieſer ganz er-
ſchrocken zuruͤckfuhr, und verwirrt antwortete;
aber P. Philipp uͤbernahm die Antwort, und
half ihm aus der Verlegenheit. Die meiſten
Schuͤler waren beſcheiden und geſittet. Ein jun-
ger Edelmann von 18 Jahren, Namens Kron-
helm, der am P. Philipp ſaß, zog Siegwarts
Aufmerkſamkeit beſonders auf ſich. Er hatte ſanf-
te blaue Augen, hellblondes Haar, und etwas
ſchwermuͤthiges in der Mine, das aber von der
innern Seelenruhe, wie mit einem Schleyer, uͤber-
deckt war. Seine und Siegwarts Blicke begeg-
neten ſich ein paarmal, fuhren ſchnell zuruͤck, wie
der Blick eines Liebenden, und ſuchten ſich un-
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