Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.ein lange Stille, welche keiner unterbrechen wollte, bis der Guardian vom Tische aufstand, dem die andern alle nachfolgten. Anton und noch ein an- drer Pater baten den alten Siegwart, die Nacht im Kloster zu schlafen, weil der Mond, den er ab- warten wollte, doch erst um halb 10 Uhr aufgien- ge. Wir haben zwar im Kloster keine weiche Bet- ten, sagte er, aber unser Verwalter draussen soll Sie gut beherbergen. Wir müssen wieder einmal einen Abend mit einander geniessen, wer weiß, wie lange uns dieß auf der Welt vergönnt ist? Der alte Siegwart wars zufrieden. Nach dem Abendgebeth gieng man in den ein lange Stille, welche keiner unterbrechen wollte, bis der Guardian vom Tiſche aufſtand, dem die andern alle nachfolgten. Anton und noch ein an- drer Pater baten den alten Siegwart, die Nacht im Kloſter zu ſchlafen, weil der Mond, den er ab- warten wollte, doch erſt um halb 10 Uhr aufgien- ge. Wir haben zwar im Kloſter keine weiche Bet- ten, ſagte er, aber unſer Verwalter drauſſen ſoll Sie gut beherbergen. Wir muͤſſen wieder einmal einen Abend mit einander genieſſen, wer weiß, wie lange uns dieß auf der Welt vergoͤnnt iſt? Der alte Siegwart wars zufrieden. Nach dem Abendgebeth gieng man in den <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0020" n="16"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ein lange Stille, welche keiner unterbrechen wollte,<lb/> bis der Guardian vom Tiſche aufſtand, dem die<lb/> andern alle nachfolgten. Anton und noch ein an-<lb/> drer Pater baten den alten Siegwart, die Nacht<lb/> im Kloſter zu ſchlafen, weil der Mond, den er ab-<lb/> warten wollte, doch erſt um halb 10 Uhr aufgien-<lb/> ge. Wir haben zwar im Kloſter keine weiche Bet-<lb/> ten, ſagte er, aber unſer Verwalter drauſſen ſoll<lb/> Sie gut beherbergen. Wir muͤſſen wieder einmal<lb/> einen Abend mit einander genieſſen, wer weiß, wie<lb/> lange uns dieß auf der Welt vergoͤnnt iſt? Der alte<lb/><hi rendition="#fr">Siegwart</hi> wars zufrieden.</p><lb/> <p>Nach dem Abendgebeth gieng man in den<lb/> Garten, wo die Levkoje und die Nachtviole mit der<lb/> Apfelbluͤthe ſuͤſſer duͤftete. Viele Gaͤnge zwiſchen<lb/> hohen Hecken durchkreuzten ſich. Jn der Mitte<lb/> des Gartens plaͤtſcherte das Waſſer des Spring-<lb/> brunnens lieblich. Von hier konnte man alle Gaͤn-<lb/> ge uͤberſehen, in die ſich die Vaͤter, je Paar und<lb/> Paar, vertheilt hatten. Die ſich gleich geſchaffen<lb/> waren, ſchloſſen ihre Herzen vor einander auf, ent-<lb/> deckten ſich ihre Gedanken, ſahen zum geſtirnten<lb/> Himmel, ſprachen vom Grabe, von der Trennung,<lb/> vom Wiederſehen, und der Ewigkeit. Andere, die<lb/> die Freundſchaft in der Jugend ſchon vereinigt hatte,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0020]
ein lange Stille, welche keiner unterbrechen wollte,
bis der Guardian vom Tiſche aufſtand, dem die
andern alle nachfolgten. Anton und noch ein an-
drer Pater baten den alten Siegwart, die Nacht
im Kloſter zu ſchlafen, weil der Mond, den er ab-
warten wollte, doch erſt um halb 10 Uhr aufgien-
ge. Wir haben zwar im Kloſter keine weiche Bet-
ten, ſagte er, aber unſer Verwalter drauſſen ſoll
Sie gut beherbergen. Wir muͤſſen wieder einmal
einen Abend mit einander genieſſen, wer weiß, wie
lange uns dieß auf der Welt vergoͤnnt iſt? Der alte
Siegwart wars zufrieden.
Nach dem Abendgebeth gieng man in den
Garten, wo die Levkoje und die Nachtviole mit der
Apfelbluͤthe ſuͤſſer duͤftete. Viele Gaͤnge zwiſchen
hohen Hecken durchkreuzten ſich. Jn der Mitte
des Gartens plaͤtſcherte das Waſſer des Spring-
brunnens lieblich. Von hier konnte man alle Gaͤn-
ge uͤberſehen, in die ſich die Vaͤter, je Paar und
Paar, vertheilt hatten. Die ſich gleich geſchaffen
waren, ſchloſſen ihre Herzen vor einander auf, ent-
deckten ſich ihre Gedanken, ſahen zum geſtirnten
Himmel, ſprachen vom Grabe, von der Trennung,
vom Wiederſehen, und der Ewigkeit. Andere, die
die Freundſchaft in der Jugend ſchon vereinigt hatte,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |