noch eine Adresse ausserhalb dem Kloster, wo die Briefe an ihn abgegeben werden sollten. Kron- helm hatte ihm diese Gelegenheit gezeigt; denn alle Briefe, die vom Kloster aus geschrieben, oder dahin adressirt sind, müssen erst vom Prior gele- sen werden, und dieß war unserm Siegwart und Kronhelm sehr verdrüßlich. Therese schickte ihm nach etlichen Tagen diesen Brief;
Theurester Bruder!
Tausendmal hab ich schon dem Himmel ge- dankt, daß du nun des Kreutzners gänzlich los bist. Jch weiß nicht, ich konnte den Menschen gar nie ausstehn, ob ich gleich nur wenig von ihm wußte. Aber dein Pater Philipp, und dein Kronhelm sind gar liebe Leute, denen ich recht herzlich gut bin. Sags ihnen nur! Sie dürfens wissen! War das nicht brav gehandelt, daß der Herr von Kronhelm, um den du's eben nicht verdient hattest, gleich von freyen Stücken zu dir kam, und dir seine Freundschaft wieder anboth? Jch mußte weinen, als ichs las, und ward ihm noch einmal so gut. Ach, es muß ein herrlicher Mensch seyn, und der Pater auch. Nimm dich nur in Acht, ich bitt dich lieber Bruder, daß du
noch eine Adreſſe auſſerhalb dem Kloſter, wo die Briefe an ihn abgegeben werden ſollten. Kron- helm hatte ihm dieſe Gelegenheit gezeigt; denn alle Briefe, die vom Kloſter aus geſchrieben, oder dahin adreſſirt ſind, muͤſſen erſt vom Prior gele- ſen werden, und dieß war unſerm Siegwart und Kronhelm ſehr verdruͤßlich. Thereſe ſchickte ihm nach etlichen Tagen dieſen Brief;
Theureſter Bruder!
Tauſendmal hab ich ſchon dem Himmel ge- dankt, daß du nun des Kreutzners gaͤnzlich los biſt. Jch weiß nicht, ich konnte den Menſchen gar nie ausſtehn, ob ich gleich nur wenig von ihm wußte. Aber dein Pater Philipp, und dein Kronhelm ſind gar liebe Leute, denen ich recht herzlich gut bin. Sags ihnen nur! Sie duͤrfens wiſſen! War das nicht brav gehandelt, daß der Herr von Kronhelm, um den du’s eben nicht verdient hatteſt, gleich von freyen Stuͤcken zu dir kam, und dir ſeine Freundſchaft wieder anboth? Jch mußte weinen, als ichs las, und ward ihm noch einmal ſo gut. Ach, es muß ein herrlicher Menſch ſeyn, und der Pater auch. Nimm dich nur in Acht, ich bitt dich lieber Bruder, daß du
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noch eine Adreſſe auſſerhalb dem Kloſter, wo die
Briefe an ihn abgegeben werden ſollten. Kron-
helm hatte ihm dieſe Gelegenheit gezeigt; denn
alle Briefe, die vom Kloſter aus geſchrieben, oder
dahin adreſſirt ſind, muͤſſen erſt vom Prior gele-
ſen werden, und dieß war unſerm Siegwart und
Kronhelm ſehr verdruͤßlich. Thereſe ſchickte ihm
nach etlichen Tagen dieſen Brief;
Theureſter Bruder!
Tauſendmal hab ich ſchon dem Himmel ge-
dankt, daß du nun des Kreutzners gaͤnzlich los
biſt. Jch weiß nicht, ich konnte den Menſchen
gar nie ausſtehn, ob ich gleich nur wenig von
ihm wußte. Aber dein Pater Philipp, und dein
Kronhelm ſind gar liebe Leute, denen ich recht
herzlich gut bin. Sags ihnen nur! Sie duͤrfens
wiſſen! War das nicht brav gehandelt, daß der
Herr von Kronhelm, um den du’s eben nicht
verdient hatteſt, gleich von freyen Stuͤcken zu dir
kam, und dir ſeine Freundſchaft wieder anboth?
Jch mußte weinen, als ichs las, und ward ihm
noch einmal ſo gut. Ach, es muß ein herrlicher
Menſch ſeyn, und der Pater auch. Nimm dich
nur in Acht, ich bitt dich lieber Bruder, daß du
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/215>, abgerufen am 24.11.2024.
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