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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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so Ernst zum Danken; aber ich kann nicht. --
Du lieber Herzensknab! wenn ich dich verlohren
hätte! -- Aber das verfluchte Baden, daß du mir
das künftig lässest! -- Sieh, da seh ich erst, daß
du ganz nackt bist. -- Die Herrn müssen dirs nicht
übel nehmen; ich habs nicht gewußt. -- Lieber
Gott, wenn du da ertrunken wärest! O junger
Herr, er hat mirs Leben erhalten; weiß Gott, er
hats! Der Jung geht mir über alles -- Nicht
wahr, Herzens Joseph? Aber daß du mir nur nicht
wieder badest. -- Sieht er, junger Herr, wenn
ich künftig einmal Freud an ihm erlebe, so verdank
ichs Jhm; und täglich will ich vier Rosenkränze
für ihn beten; aber sonst hab ich nichts; ich bin
ein armes Weib. -- Nun fieng sie an zu wei-
nen. --

Als Philipp mit seinen jungen Freunden end-
lich weggieng, küßte sie Siegwarten noch die
Hand; dieser drückte ihr, zum Andenken, wie er
sagte, einen Gulden in die Hand; Philipp und
Kronhelm thatens auch. Nun war sie gar ausser
sich, und wollte vor ihnen auf die Knie niederfal-
len; noch hundertmal rief sie ihnen nach: Tausend
Gotteslohn! und ihr Knabe mußte ihnen noch ein-



ſo Ernſt zum Danken; aber ich kann nicht. —
Du lieber Herzensknab! wenn ich dich verlohren
haͤtte! — Aber das verfluchte Baden, daß du mir
das kuͤnftig laͤſſeſt! — Sieh, da ſeh ich erſt, daß
du ganz nackt biſt. — Die Herrn muͤſſen dirs nicht
uͤbel nehmen; ich habs nicht gewußt. — Lieber
Gott, wenn du da ertrunken waͤreſt! O junger
Herr, er hat mirs Leben erhalten; weiß Gott, er
hats! Der Jung geht mir uͤber alles — Nicht
wahr, Herzens Joſeph? Aber daß du mir nur nicht
wieder badeſt. — Sieht er, junger Herr, wenn
ich kuͤnftig einmal Freud an ihm erlebe, ſo verdank
ichs Jhm; und taͤglich will ich vier Roſenkraͤnze
fuͤr ihn beten; aber ſonſt hab ich nichts; ich bin
ein armes Weib. — Nun fieng ſie an zu wei-
nen. —

Als Philipp mit ſeinen jungen Freunden end-
lich weggieng, kuͤßte ſie Siegwarten noch die
Hand; dieſer druͤckte ihr, zum Andenken, wie er
ſagte, einen Gulden in die Hand; Philipp und
Kronhelm thatens auch. Nun war ſie gar auſſer
ſich, und wollte vor ihnen auf die Knie niederfal-
len; noch hundertmal rief ſie ihnen nach: Tauſend
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[230/0234] ſo Ernſt zum Danken; aber ich kann nicht. — Du lieber Herzensknab! wenn ich dich verlohren haͤtte! — Aber das verfluchte Baden, daß du mir das kuͤnftig laͤſſeſt! — Sieh, da ſeh ich erſt, daß du ganz nackt biſt. — Die Herrn muͤſſen dirs nicht uͤbel nehmen; ich habs nicht gewußt. — Lieber Gott, wenn du da ertrunken waͤreſt! O junger Herr, er hat mirs Leben erhalten; weiß Gott, er hats! Der Jung geht mir uͤber alles — Nicht wahr, Herzens Joſeph? Aber daß du mir nur nicht wieder badeſt. — Sieht er, junger Herr, wenn ich kuͤnftig einmal Freud an ihm erlebe, ſo verdank ichs Jhm; und taͤglich will ich vier Roſenkraͤnze fuͤr ihn beten; aber ſonſt hab ich nichts; ich bin ein armes Weib. — Nun fieng ſie an zu wei- nen. — Als Philipp mit ſeinen jungen Freunden end- lich weggieng, kuͤßte ſie Siegwarten noch die Hand; dieſer druͤckte ihr, zum Andenken, wie er ſagte, einen Gulden in die Hand; Philipp und Kronhelm thatens auch. Nun war ſie gar auſſer ſich, und wollte vor ihnen auf die Knie niederfal- len; noch hundertmal rief ſie ihnen nach: Tauſend Gotteslohn! und ihr Knabe mußte ihnen noch ein-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/234>, abgerufen am 24.11.2024.