Siegwart. Ey, was! das hat nichts zu sa- gen! Ueber der Freud hab ich alles wieder verges- sen. Jch kanns wohl sagen: Es ist mir herzlich lieb, daß ich den Knaben noch errettet habe. Er klammerte sich so sest an mich an, und machte sich so schwer, daß ich fast mit ihm hinunter sank. Nun bin ich aber auch recht müd.
P. Philipp. Das glaub ich, lieber Sieg- wart; ich bins schon vom Schrecken. Dafür soll ihm aber auch die Ruhe heut recht süß schmecken. So ein Tag geht über alles! Zuvor wollen wir noch ein gutes Glas Rheinwein mit einander trinken; ich hab gestern welchen geschenkt gekriegt. Und morgen, lieber Siegwart, mach ich meine Land- schaft vollends fertig, und zeichne seine, und des braven Kronhelms That drauf. Jhm kopier ich das Stück auch, lieber Herr von Kronhelm. Jhr müßts dann beyde, zum ewigen Andenken, in eu- rem Zimmer aufhängen.
Nun kamen sie ins Kloster zurück, und brach- ten den Abend recht vergnügt bey einem Glas Wein zu. Siegwart fühlte so ein inniges Ver- gnügen über seine That, ohne dran zu denken, wie ein Schutzgeist, der einen Entschluß, den er seinem Freund im Schlaf eingeflüstert hat, zur That
Siegwart. Ey, was! das hat nichts zu ſa- gen! Ueber der Freud hab ich alles wieder vergeſ- ſen. Jch kanns wohl ſagen: Es iſt mir herzlich lieb, daß ich den Knaben noch errettet habe. Er klammerte ſich ſo ſeſt an mich an, und machte ſich ſo ſchwer, daß ich faſt mit ihm hinunter ſank. Nun bin ich aber auch recht muͤd.
P. Philipp. Das glaub ich, lieber Sieg- wart; ich bins ſchon vom Schrecken. Dafuͤr ſoll ihm aber auch die Ruhe heut recht ſuͤß ſchmecken. So ein Tag geht uͤber alles! Zuvor wollen wir noch ein gutes Glas Rheinwein mit einander trinken; ich hab geſtern welchen geſchenkt gekriegt. Und morgen, lieber Siegwart, mach ich meine Land- ſchaft vollends fertig, und zeichne ſeine, und des braven Kronhelms That drauf. Jhm kopier ich das Stuͤck auch, lieber Herr von Kronhelm. Jhr muͤßts dann beyde, zum ewigen Andenken, in eu- rem Zimmer aufhaͤngen.
Nun kamen ſie ins Kloſter zuruͤck, und brach- ten den Abend recht vergnuͤgt bey einem Glas Wein zu. Siegwart fuͤhlte ſo ein inniges Ver- gnuͤgen uͤber ſeine That, ohne dran zu denken, wie ein Schutzgeiſt, der einen Entſchluß, den er ſeinem Freund im Schlaf eingefluͤſtert hat, zur That
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Siegwart. Ey, was! das hat nichts zu ſa-
gen! Ueber der Freud hab ich alles wieder vergeſ-
ſen. Jch kanns wohl ſagen: Es iſt mir herzlich
lieb, daß ich den Knaben noch errettet habe. Er
klammerte ſich ſo ſeſt an mich an, und machte ſich
ſo ſchwer, daß ich faſt mit ihm hinunter ſank.
Nun bin ich aber auch recht muͤd.
P. Philipp. Das glaub ich, lieber Sieg-
wart; ich bins ſchon vom Schrecken. Dafuͤr ſoll
ihm aber auch die Ruhe heut recht ſuͤß ſchmecken.
So ein Tag geht uͤber alles! Zuvor wollen wir noch
ein gutes Glas Rheinwein mit einander trinken;
ich hab geſtern welchen geſchenkt gekriegt. Und
morgen, lieber Siegwart, mach ich meine Land-
ſchaft vollends fertig, und zeichne ſeine, und des
braven Kronhelms That drauf. Jhm kopier ich
das Stuͤck auch, lieber Herr von Kronhelm. Jhr
muͤßts dann beyde, zum ewigen Andenken, in eu-
rem Zimmer aufhaͤngen.
Nun kamen ſie ins Kloſter zuruͤck, und brach-
ten den Abend recht vergnuͤgt bey einem Glas
Wein zu. Siegwart fuͤhlte ſo ein inniges Ver-
gnuͤgen uͤber ſeine That, ohne dran zu denken,
wie ein Schutzgeiſt, der einen Entſchluß, den er
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/236>, abgerufen am 24.11.2024.
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