Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.serordentlich drüber freute, und diese Höflichkeit mit vielem Gepräng erwiederte. Unsre beyden Jünglinge hätten sich noch länger an Beobachtung dieser ländlichen Lustbarkeit ergötzt, wenn nicht der Schulmeister gekommen wäre, sie zu unterhalten. Dieser war kaum auf die Muthmassung gefallen, daß dieß wol Studenten seyn möchten, so kam er, weil er sich auch für einen, nicht geringen, Gelehrten hielt, mit vielen steifen Büklingen, um seine Herren Kollegen zu bewillkommen; und fieng von der Philosophey, von der Grammatika und Rhetorika ein so abgeschmaktes, weitläuftiges und ungereimtes Geschwätz an, daß Siegwart dem Kronhelm heimlich winkte, aufzubrechen. Der Schulmeister begleitete sie noch die Treppe hinab bis an die Thür, und nahm mit vielen Scharr- füssen und ungemeiner Freundlichkeit von ihnen Abschied. Drauf sah er seine Bauren, die hin- ter ihm drein geschlichen waren, mit lächelnder Selbstzufriedenheit an, winkte mit den Augen, und drückte sie halb zu; das sind Herren, sagte er, die haben was rechts studirt! Man kann sie auf die Probe stellen, wie man will, sie sind über- all zu Haus! In omnibus aliquis, in totum nihil! Ja, Leute! das ist eine Lust, mit Gelehrten um- ſerordentlich druͤber freute, und dieſe Hoͤflichkeit mit vielem Gepraͤng erwiederte. Unſre beyden Juͤnglinge haͤtten ſich noch laͤnger an Beobachtung dieſer laͤndlichen Luſtbarkeit ergoͤtzt, wenn nicht der Schulmeiſter gekommen waͤre, ſie zu unterhalten. Dieſer war kaum auf die Muthmaſſung gefallen, daß dieß wol Studenten ſeyn moͤchten, ſo kam er, weil er ſich auch fuͤr einen, nicht geringen, Gelehrten hielt, mit vielen ſteifen Buͤklingen, um ſeine Herren Kollegen zu bewillkommen; und fieng von der Philoſophey, von der Grammatika und Rhetorika ein ſo abgeſchmaktes, weitlaͤuftiges und ungereimtes Geſchwaͤtz an, daß Siegwart dem Kronhelm heimlich winkte, aufzubrechen. Der Schulmeiſter begleitete ſie noch die Treppe hinab bis an die Thuͤr, und nahm mit vielen Scharr- fuͤſſen und ungemeiner Freundlichkeit von ihnen Abſchied. Drauf ſah er ſeine Bauren, die hin- ter ihm drein geſchlichen waren, mit laͤchelnder Selbſtzufriedenheit an, winkte mit den Augen, und druͤckte ſie halb zu; das ſind Herren, ſagte er, die haben was rechts ſtudirt! Man kann ſie auf die Probe ſtellen, wie man will, ſie ſind uͤber- all zu Haus! In omnibus aliquis, in totum nihil! Ja, Leute! das iſt eine Luſt, mit Gelehrten um- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0246" n="242"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ſerordentlich druͤber freute, und dieſe Hoͤflichkeit<lb/> mit vielem Gepraͤng erwiederte. Unſre beyden<lb/> Juͤnglinge haͤtten ſich noch laͤnger an Beobachtung<lb/> dieſer laͤndlichen Luſtbarkeit ergoͤtzt, wenn nicht der<lb/> Schulmeiſter gekommen waͤre, ſie zu unterhalten.<lb/> Dieſer war kaum auf die Muthmaſſung gefallen,<lb/> daß dieß wol Studenten ſeyn moͤchten, ſo kam<lb/> er, weil er ſich auch fuͤr einen, nicht geringen,<lb/> Gelehrten hielt, mit vielen ſteifen Buͤklingen, um<lb/> ſeine Herren Kollegen zu bewillkommen; und fieng<lb/> von der Philoſophey, von der Grammatika und<lb/> Rhetorika ein ſo abgeſchmaktes, weitlaͤuftiges und<lb/> ungereimtes Geſchwaͤtz an, daß <hi rendition="#fr">Siegwart</hi> dem<lb/><hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> heimlich winkte, aufzubrechen. Der<lb/> Schulmeiſter begleitete ſie noch die Treppe hinab<lb/> bis an die Thuͤr, und nahm mit vielen Scharr-<lb/> fuͤſſen und ungemeiner Freundlichkeit von ihnen<lb/> Abſchied. Drauf ſah er ſeine Bauren, die hin-<lb/> ter ihm drein geſchlichen waren, mit laͤchelnder<lb/> Selbſtzufriedenheit an, winkte mit den Augen,<lb/> und druͤckte ſie halb zu; das ſind Herren, ſagte<lb/> er, die haben was rechts ſtudirt! Man kann ſie<lb/> auf die Probe ſtellen, wie man will, ſie ſind uͤber-<lb/> all zu Haus! <hi rendition="#aq">In omnibus aliquis, in totum nihil!</hi><lb/> Ja, Leute! das iſt eine Luſt, mit Gelehrten um-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [242/0246]
ſerordentlich druͤber freute, und dieſe Hoͤflichkeit
mit vielem Gepraͤng erwiederte. Unſre beyden
Juͤnglinge haͤtten ſich noch laͤnger an Beobachtung
dieſer laͤndlichen Luſtbarkeit ergoͤtzt, wenn nicht der
Schulmeiſter gekommen waͤre, ſie zu unterhalten.
Dieſer war kaum auf die Muthmaſſung gefallen,
daß dieß wol Studenten ſeyn moͤchten, ſo kam
er, weil er ſich auch fuͤr einen, nicht geringen,
Gelehrten hielt, mit vielen ſteifen Buͤklingen, um
ſeine Herren Kollegen zu bewillkommen; und fieng
von der Philoſophey, von der Grammatika und
Rhetorika ein ſo abgeſchmaktes, weitlaͤuftiges und
ungereimtes Geſchwaͤtz an, daß Siegwart dem
Kronhelm heimlich winkte, aufzubrechen. Der
Schulmeiſter begleitete ſie noch die Treppe hinab
bis an die Thuͤr, und nahm mit vielen Scharr-
fuͤſſen und ungemeiner Freundlichkeit von ihnen
Abſchied. Drauf ſah er ſeine Bauren, die hin-
ter ihm drein geſchlichen waren, mit laͤchelnder
Selbſtzufriedenheit an, winkte mit den Augen,
und druͤckte ſie halb zu; das ſind Herren, ſagte
er, die haben was rechts ſtudirt! Man kann ſie
auf die Probe ſtellen, wie man will, ſie ſind uͤber-
all zu Haus! In omnibus aliquis, in totum nihil!
Ja, Leute! das iſt eine Luſt, mit Gelehrten um-
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