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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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dig nichts als Blut und Morden sieht, wie kann
der ein fühlendes Herz, und mit Menschen Mitlei-
den haben? der Gerechte erbarmet sich auch sei-
nes Viehes, heists in der Bibel, und das ist buch-
stäblich wahr. Die Jagd sollte nichts seyn, als
daß man das überflüssige Willd, das dem Bauren
Schaden thut, wegschießt; oder, was man zur
Nahrung braucht! Aber, wenn man die armen
Thiere vollends martert, und zu Tode jagt, wie's
am Hof bey Parforcejagden geschieht, da möcht
einem das Herz im Leibe bluten. Da können
sich dann die Unterthanen viel versprechen, wenn
der Landsherr sich im Blute badet. Da kommen
die abscheulichen Plackereyen und die Kriege her,
die dein Vater selber eine Art von Jagd nennt. --
Nimm mir nicht übel, Kronhelm! Jch dachte die-
sen Morgen, ich müste deinem Vater den Hirsch-
fänger durch den Leib stossen, so aufgebracht war
ich!

Kronhelm. Du hast recht, Siegwart;
Und -- Gott verzeyh mirs! -- mir war auch
nicht viel anders zu Muth. Aber laß uns von
dergleichen Vorstellungen abstehen! Sie machen mich
gar zu tranrig. Wie wärs, wenn wir uns durch
unsre Violinen in eine andre. Empfindung hinüber-



dig nichts als Blut und Morden ſieht, wie kann
der ein fuͤhlendes Herz, und mit Menſchen Mitlei-
den haben? der Gerechte erbarmet ſich auch ſei-
nes Viehes, heiſts in der Bibel, und das iſt buch-
ſtaͤblich wahr. Die Jagd ſollte nichts ſeyn, als
daß man das uͤberfluͤſſige Willd, das dem Bauren
Schaden thut, wegſchießt; oder, was man zur
Nahrung braucht! Aber, wenn man die armen
Thiere vollends martert, und zu Tode jagt, wie’s
am Hof bey Parforcejagden geſchieht, da moͤcht
einem das Herz im Leibe bluten. Da koͤnnen
ſich dann die Unterthanen viel verſprechen, wenn
der Landsherr ſich im Blute badet. Da kommen
die abſcheulichen Plackereyen und die Kriege her,
die dein Vater ſelber eine Art von Jagd nennt. —
Nimm mir nicht uͤbel, Kronhelm! Jch dachte die-
ſen Morgen, ich muͤſte deinem Vater den Hirſch-
faͤnger durch den Leib ſtoſſen, ſo aufgebracht war
ich!

Kronhelm. Du haſt recht, Siegwart;
Und — Gott verzeyh mirs! — mir war auch
nicht viel anders zu Muth. Aber laß uns von
dergleichen Vorſtellungen abſtehen! Sie machen mich
gar zu tranrig. Wie waͤrs, wenn wir uns durch
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[278/0282] dig nichts als Blut und Morden ſieht, wie kann der ein fuͤhlendes Herz, und mit Menſchen Mitlei- den haben? der Gerechte erbarmet ſich auch ſei- nes Viehes, heiſts in der Bibel, und das iſt buch- ſtaͤblich wahr. Die Jagd ſollte nichts ſeyn, als daß man das uͤberfluͤſſige Willd, das dem Bauren Schaden thut, wegſchießt; oder, was man zur Nahrung braucht! Aber, wenn man die armen Thiere vollends martert, und zu Tode jagt, wie’s am Hof bey Parforcejagden geſchieht, da moͤcht einem das Herz im Leibe bluten. Da koͤnnen ſich dann die Unterthanen viel verſprechen, wenn der Landsherr ſich im Blute badet. Da kommen die abſcheulichen Plackereyen und die Kriege her, die dein Vater ſelber eine Art von Jagd nennt. — Nimm mir nicht uͤbel, Kronhelm! Jch dachte die- ſen Morgen, ich muͤſte deinem Vater den Hirſch- faͤnger durch den Leib ſtoſſen, ſo aufgebracht war ich! Kronhelm. Du haſt recht, Siegwart; Und — Gott verzeyh mirs! — mir war auch nicht viel anders zu Muth. Aber laß uns von dergleichen Vorſtellungen abſtehen! Sie machen mich gar zu tranrig. Wie waͤrs, wenn wir uns durch unſre Violinen in eine andre. Empfindung hinuͤber-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/282>, abgerufen am 24.11.2024.