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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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Kentnis des weiblichen Herzens und der Liebe
her hast?

Kronhelm. Mir hab ich wenig, und das
meiste meinem Onkel in München zu verdanken,
der oft über diese Sache sprach; und dann fand
ich seine Grundsätze durch die Erfahrungen bestä-
tigt, die ich an den Frauenzimmern machte, die in
sein Haus kamen. -- Weist du aber, was wir
nun zu thun haben? Wir müssen sobald als mög-
lich wieder auf die Schule zurück. Jch muß
dem Fräulein soviel, als sich thun läst, auswei-
chen, und dann bin ichs auch überdrüssig, länger
hier zu bleiben. Jch kann von meinem Vater
besser denken, wenn ich von ihm entfernt, als
wenn ich um ihn bin, und seine Art zu denken
und zu handeln mit ansehe. Wir wollen sagen,
daß die Schule künftige Woche wieder anfange,
und dann müssen wir übermorgen, oder höchstens
in drey Tagen wieder in die Stadt.

Siegwart war es sehr zufrieden; denn seit
der Mißhandlung der Baurenfrau gefiel es ihm
auch bey dem Junker Veit gar nicht mehr. Sie
beschlossen, es ihm morgen zu sagen, und legten
sich, nachdem sie noch etwas auf der Violine ge-
spielt hatten, zu Bette.



Kentnis des weiblichen Herzens und der Liebe
her haſt?

Kronhelm. Mir hab ich wenig, und das
meiſte meinem Onkel in Muͤnchen zu verdanken,
der oft uͤber dieſe Sache ſprach; und dann fand
ich ſeine Grundſaͤtze durch die Erfahrungen beſtaͤ-
tigt, die ich an den Frauenzimmern machte, die in
ſein Haus kamen. — Weiſt du aber, was wir
nun zu thun haben? Wir muͤſſen ſobald als moͤg-
lich wieder auf die Schule zuruͤck. Jch muß
dem Fraͤulein ſoviel, als ſich thun laͤſt, auswei-
chen, und dann bin ichs auch uͤberdruͤſſig, laͤnger
hier zu bleiben. Jch kann von meinem Vater
beſſer denken, wenn ich von ihm entfernt, als
wenn ich um ihn bin, und ſeine Art zu denken
und zu handeln mit anſehe. Wir wollen ſagen,
daß die Schule kuͤnftige Woche wieder anfange,
und dann muͤſſen wir uͤbermorgen, oder hoͤchſtens
in drey Tagen wieder in die Stadt.

Siegwart war es ſehr zufrieden; denn ſeit
der Mißhandlung der Baurenfrau gefiel es ihm
auch bey dem Junker Veit gar nicht mehr. Sie
beſchloſſen, es ihm morgen zu ſagen, und legten
ſich, nachdem ſie noch etwas auf der Violine ge-
ſpielt hatten, zu Bette.

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[295/0299] Kentnis des weiblichen Herzens und der Liebe her haſt? Kronhelm. Mir hab ich wenig, und das meiſte meinem Onkel in Muͤnchen zu verdanken, der oft uͤber dieſe Sache ſprach; und dann fand ich ſeine Grundſaͤtze durch die Erfahrungen beſtaͤ- tigt, die ich an den Frauenzimmern machte, die in ſein Haus kamen. — Weiſt du aber, was wir nun zu thun haben? Wir muͤſſen ſobald als moͤg- lich wieder auf die Schule zuruͤck. Jch muß dem Fraͤulein ſoviel, als ſich thun laͤſt, auswei- chen, und dann bin ichs auch uͤberdruͤſſig, laͤnger hier zu bleiben. Jch kann von meinem Vater beſſer denken, wenn ich von ihm entfernt, als wenn ich um ihn bin, und ſeine Art zu denken und zu handeln mit anſehe. Wir wollen ſagen, daß die Schule kuͤnftige Woche wieder anfange, und dann muͤſſen wir uͤbermorgen, oder hoͤchſtens in drey Tagen wieder in die Stadt. Siegwart war es ſehr zufrieden; denn ſeit der Mißhandlung der Baurenfrau gefiel es ihm auch bey dem Junker Veit gar nicht mehr. Sie beſchloſſen, es ihm morgen zu ſagen, und legten ſich, nachdem ſie noch etwas auf der Violine ge- ſpielt hatten, zu Bette.

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/299>, abgerufen am 22.11.2024.