Veit. Die arge Welt? Da muß es die arge Welt seyn, wenn von Euresgleichen was ge- sagt wird. Aber gelt, wenn ein armer Teufel, der kein Pfaff ist, was gethan hat, da könnt ihrs nicht genug ausposaunen; da fangt ihr 'n Lerm auf der Kanzel an, als ob d' Welt einfallen woll- te! Nun, es leben d' Pfaffen und ihre Köchin- nen! Gelt, da schmunzelt er, der alte Knaster- bart? Ja, ihr seyd mir rechte Füchse! Hat er denn den Morgen brav gebetet, daß mein Zip- perlein zum Teufel geh? Nun, 's hat brav ge- holfen, und jetzt wollen wir uns dafür tüchtig be- trinken!
Der Pfarrer that auch von seiner Seite al- les Mögliche, und brachte es in Kurzem so weit, daß er die ärgsten Zoten vorbrachte, und von sich die niedrigsten Schandthaten erzälte. Er blieb bis Abends um zehn Uhr da, und muste von zween Bedienten nach Haus gebracht werden. Kronhelm that es in der Seele weh, daß ein Mensch, der sich für einen Lehrer Gottes an die Menschen ausgibt, sich bis zum Thier herab er- niedriget. Siegwart dachte tausendmal dabey an seinen Pater Anton, und den ehrlichen Pfarrer in Windenheim.
Veit. Die arge Welt? Da muß es die arge Welt ſeyn, wenn von Euresgleichen was ge- ſagt wird. Aber gelt, wenn ein armer Teufel, der kein Pfaff iſt, was gethan hat, da koͤnnt ihrs nicht genug auspoſaunen; da fangt ihr ’n Lerm auf der Kanzel an, als ob d’ Welt einfallen woll- te! Nun, es leben d’ Pfaffen und ihre Koͤchin- nen! Gelt, da ſchmunzelt er, der alte Knaſter- bart? Ja, ihr ſeyd mir rechte Fuͤchſe! Hat er denn den Morgen brav gebetet, daß mein Zip- perlein zum Teufel geh? Nun, ’s hat brav ge- holfen, und jetzt wollen wir uns dafuͤr tuͤchtig be- trinken!
Der Pfarrer that auch von ſeiner Seite al- les Moͤgliche, und brachte es in Kurzem ſo weit, daß er die aͤrgſten Zoten vorbrachte, und von ſich die niedrigſten Schandthaten erzaͤlte. Er blieb bis Abends um zehn Uhr da, und muſte von zween Bedienten nach Haus gebracht werden. Kronhelm that es in der Seele weh, daß ein Menſch, der ſich fuͤr einen Lehrer Gottes an die Menſchen ausgibt, ſich bis zum Thier herab er- niedriget. Siegwart dachte tauſendmal dabey an ſeinen Pater Anton, und den ehrlichen Pfarrer in Windenheim.
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Veit. Die arge Welt? Da muß es die
arge Welt ſeyn, wenn von Euresgleichen was ge-
ſagt wird. Aber gelt, wenn ein armer Teufel,
der kein Pfaff iſt, was gethan hat, da koͤnnt ihrs
nicht genug auspoſaunen; da fangt ihr ’n Lerm
auf der Kanzel an, als ob d’ Welt einfallen woll-
te! Nun, es leben d’ Pfaffen und ihre Koͤchin-
nen! Gelt, da ſchmunzelt er, der alte Knaſter-
bart? Ja, ihr ſeyd mir rechte Fuͤchſe! Hat er
denn den Morgen brav gebetet, daß mein Zip-
perlein zum Teufel geh? Nun, ’s hat brav ge-
holfen, und jetzt wollen wir uns dafuͤr tuͤchtig be-
trinken!
Der Pfarrer that auch von ſeiner Seite al-
les Moͤgliche, und brachte es in Kurzem ſo weit,
daß er die aͤrgſten Zoten vorbrachte, und von ſich
die niedrigſten Schandthaten erzaͤlte. Er blieb
bis Abends um zehn Uhr da, und muſte von
zween Bedienten nach Haus gebracht werden.
Kronhelm that es in der Seele weh, daß ein
Menſch, der ſich fuͤr einen Lehrer Gottes an die
Menſchen ausgibt, ſich bis zum Thier herab er-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 300. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/304>, abgerufen am 22.11.2024.
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