Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.Um Essenszeit kamen sie wieder nach Haus; Der Junker hatte ein inniges Vergnügen über ihre Geschicklichkeit, und bedaurte nur, daß sie schon so bald fort musten. Den Nachmittag sprach er wieder bey der Bouteille brav ein, und versprach, sie den andern Morgen eine Meile weit zu be- gleiten, wenn es nur sein Zipperlein zulasse. Er konnte aber sein Versprechen nicht halten, weil sei- ne Schmerzen wieder zunahmen. Früh um sie- ben Uhr, als die Pferde schon gesattelt waren, ließ er sie vor sein Bette kommen; und nahm von ihnen, da ihn die Schmerzen etwas mürbe gemacht hatten, mit ziemlicher Bewegung Abschied. Nun leb wol, Fritz, sagte er, und wischte sich die Augen; wenns denn seyn muß! Und führ dich als ein Junker auf! Es war mir lieb, daß ich dich als 'n ehrlichen Kerl hab kennen lernen, der sein Waidwerk versteht. Wenn du nur das nicht vergist; am andern ist blutwenig g'legen! Wenn du wieder einmal zu mir kommst, dann solls, denk ich besser gehen! Diesmal hat mir das verhenkerte Zipperlein einen Strich durch die Rechnung ge- macht. Geld will ich dir auch schicken, wenn du's nötig hast; und da schenk ich dir noch zum Andenken eine Flinte. Sie ist probat, und ver- Um Eſſenszeit kamen ſie wieder nach Haus; Der Junker hatte ein inniges Vergnuͤgen uͤber ihre Geſchicklichkeit, und bedaurte nur, daß ſie ſchon ſo bald fort muſten. Den Nachmittag ſprach er wieder bey der Bouteille brav ein, und verſprach, ſie den andern Morgen eine Meile weit zu be- gleiten, wenn es nur ſein Zipperlein zulaſſe. Er konnte aber ſein Verſprechen nicht halten, weil ſei- ne Schmerzen wieder zunahmen. Fruͤh um ſie- ben Uhr, als die Pferde ſchon geſattelt waren, ließ er ſie vor ſein Bette kommen; und nahm von ihnen, da ihn die Schmerzen etwas muͤrbe gemacht hatten, mit ziemlicher Bewegung Abſchied. Nun leb wol, Fritz, ſagte er, und wiſchte ſich die Augen; wenns denn ſeyn muß! Und fuͤhr dich als ein Junker auf! Es war mir lieb, daß ich dich als ’n ehrlichen Kerl hab kennen lernen, der ſein Waidwerk verſteht. Wenn du nur das nicht vergiſt; am andern iſt blutwenig g’legen! Wenn du wieder einmal zu mir kommſt, dann ſolls, denk ich beſſer gehen! Diesmal hat mir das verhenkerte Zipperlein einen Strich durch die Rechnung ge- macht. Geld will ich dir auch ſchicken, wenn du’s noͤtig haſt; und da ſchenk ich dir noch zum Andenken eine Flinte. Sie iſt probat, und ver- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0306" n="302"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Um Eſſenszeit kamen ſie wieder nach Haus; Der<lb/> Junker hatte ein inniges Vergnuͤgen uͤber ihre<lb/> Geſchicklichkeit, und bedaurte nur, daß ſie ſchon<lb/> ſo bald fort muſten. Den Nachmittag ſprach er<lb/> wieder bey der Bouteille brav ein, und verſprach,<lb/> ſie den andern Morgen eine Meile weit zu be-<lb/> gleiten, wenn es nur ſein Zipperlein zulaſſe. Er<lb/> konnte aber ſein Verſprechen nicht halten, weil ſei-<lb/> ne Schmerzen wieder zunahmen. Fruͤh um ſie-<lb/> ben Uhr, als die Pferde ſchon geſattelt waren,<lb/> ließ er ſie vor ſein Bette kommen; und nahm<lb/> von ihnen, da ihn die Schmerzen etwas muͤrbe<lb/> gemacht hatten, mit ziemlicher Bewegung Abſchied.<lb/> Nun leb wol, <hi rendition="#fr">Fritz,</hi> ſagte er, und wiſchte ſich die<lb/> Augen; wenns denn ſeyn muß! Und fuͤhr dich<lb/> als ein Junker auf! Es war mir lieb, daß ich<lb/> dich als ’n ehrlichen Kerl hab kennen lernen,<lb/> der ſein Waidwerk verſteht. Wenn du nur das<lb/> nicht vergiſt; am andern iſt blutwenig g’legen! Wenn<lb/> du wieder einmal zu mir kommſt, dann ſolls, denk ich<lb/> beſſer gehen! Diesmal hat mir das verhenkerte<lb/> Zipperlein einen Strich durch die Rechnung ge-<lb/> macht. Geld will ich dir auch ſchicken, wenn<lb/> du’s noͤtig haſt; und da ſchenk ich dir noch zum<lb/> Andenken eine Flinte. Sie iſt probat, und ver-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [302/0306]
Um Eſſenszeit kamen ſie wieder nach Haus; Der
Junker hatte ein inniges Vergnuͤgen uͤber ihre
Geſchicklichkeit, und bedaurte nur, daß ſie ſchon
ſo bald fort muſten. Den Nachmittag ſprach er
wieder bey der Bouteille brav ein, und verſprach,
ſie den andern Morgen eine Meile weit zu be-
gleiten, wenn es nur ſein Zipperlein zulaſſe. Er
konnte aber ſein Verſprechen nicht halten, weil ſei-
ne Schmerzen wieder zunahmen. Fruͤh um ſie-
ben Uhr, als die Pferde ſchon geſattelt waren,
ließ er ſie vor ſein Bette kommen; und nahm
von ihnen, da ihn die Schmerzen etwas muͤrbe
gemacht hatten, mit ziemlicher Bewegung Abſchied.
Nun leb wol, Fritz, ſagte er, und wiſchte ſich die
Augen; wenns denn ſeyn muß! Und fuͤhr dich
als ein Junker auf! Es war mir lieb, daß ich
dich als ’n ehrlichen Kerl hab kennen lernen,
der ſein Waidwerk verſteht. Wenn du nur das
nicht vergiſt; am andern iſt blutwenig g’legen! Wenn
du wieder einmal zu mir kommſt, dann ſolls, denk ich
beſſer gehen! Diesmal hat mir das verhenkerte
Zipperlein einen Strich durch die Rechnung ge-
macht. Geld will ich dir auch ſchicken, wenn
du’s noͤtig haſt; und da ſchenk ich dir noch zum
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