nen. -- Nachdem er sich die Nacht durch ganz müde phantasirt hatte, so fiel er gegen Morgen in einen tiefen Schlummer, der dem Tode fast ähnlich sah. Kronhelm und Siegwart warfen sich auf ihr Bette, und blieben bis gegen Mittag liegen.
Als sie wieder auf das Krankenzimmer ka- men, so war der Pater aufgewacht, und sah weit heiterer und frischer aus. Der Schlaf hatte den Ab- gang seiner Kräfte wieder ersetzt und der Arzt, der eben dazu kam, faßte nicht geringe Hofnung zu seiner Besserung. Er konnte wieder etwas Nahrung zu sich nehmen, und das Jrrereden blieb aus. Kron- helm und Siegwart wurden, durch diese Hof- nung, wie neubelebt, und konnten nun erst um die Gesundheit ihres Freundes beten; vorher hatten sie's nicht gekonnt. Er ward merklich bes- ser, und konnte nach ein paar Tagen schon wie- der eine halbe Stunde auf sitzen. Die beyden Jünglinge waren unaufhörlich um ihn, und lern- ten aus seinem Munde tausend weise Lehren; denn nichts ist lehrreicher, als das Krankenbette eines weisen Christen; Nirgends dringen die Leh- ren tiefer ein. Nun lernten Kronhelm und Siegwart erst das Glück recht schätzen, einen sol-
nen. — Nachdem er ſich die Nacht durch ganz muͤde phantaſirt hatte, ſo fiel er gegen Morgen in einen tiefen Schlummer, der dem Tode faſt aͤhnlich ſah. Kronhelm und Siegwart warfen ſich auf ihr Bette, und blieben bis gegen Mittag liegen.
Als ſie wieder auf das Krankenzimmer ka- men, ſo war der Pater aufgewacht, und ſah weit heiterer und friſcher aus. Der Schlaf hatte den Ab- gang ſeiner Kraͤfte wieder erſetzt und der Arzt, der eben dazu kam, faßte nicht geringe Hofnung zu ſeiner Beſſerung. Er konnte wieder etwas Nahrung zu ſich nehmen, und das Jrrereden blieb aus. Kron- helm und Siegwart wurden, durch dieſe Hof- nung, wie neubelebt, und konnten nun erſt um die Geſundheit ihres Freundes beten; vorher hatten ſie’s nicht gekonnt. Er ward merklich beſ- ſer, und konnte nach ein paar Tagen ſchon wie- der eine halbe Stunde auf ſitzen. Die beyden Juͤnglinge waren unaufhoͤrlich um ihn, und lern- ten aus ſeinem Munde tauſend weiſe Lehren; denn nichts iſt lehrreicher, als das Krankenbette eines weiſen Chriſten; Nirgends dringen die Leh- ren tiefer ein. Nun lernten Kronhelm und Siegwart erſt das Gluͤck recht ſchaͤtzen, einen ſol-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0311"n="307"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
nen. — Nachdem er ſich die Nacht durch ganz<lb/>
muͤde phantaſirt hatte, ſo fiel er gegen Morgen<lb/>
in einen tiefen Schlummer, der dem Tode faſt<lb/>
aͤhnlich ſah. <hirendition="#fr">Kronhelm</hi> und <hirendition="#fr">Siegwart</hi> warfen<lb/>ſich auf ihr Bette, und blieben bis gegen Mittag<lb/>
liegen.</p><lb/><p>Als ſie wieder auf das Krankenzimmer ka-<lb/>
men, ſo war der Pater aufgewacht, und ſah weit<lb/>
heiterer und friſcher aus. Der Schlaf hatte den Ab-<lb/>
gang ſeiner Kraͤfte wieder erſetzt und der Arzt, der<lb/>
eben dazu kam, faßte nicht geringe Hofnung zu ſeiner<lb/>
Beſſerung. Er konnte wieder etwas Nahrung zu ſich<lb/>
nehmen, und das Jrrereden blieb aus. <hirendition="#fr">Kron-<lb/>
helm</hi> und <hirendition="#fr">Siegwart</hi> wurden, durch dieſe Hof-<lb/>
nung, wie neubelebt, und konnten nun erſt um<lb/>
die Geſundheit ihres Freundes beten; vorher<lb/>
hatten ſie’s nicht gekonnt. Er ward merklich beſ-<lb/>ſer, und konnte nach ein paar Tagen ſchon wie-<lb/>
der eine halbe Stunde auf ſitzen. Die beyden<lb/>
Juͤnglinge waren unaufhoͤrlich um ihn, und lern-<lb/>
ten aus ſeinem Munde tauſend weiſe Lehren;<lb/>
denn nichts iſt lehrreicher, als das Krankenbette<lb/>
eines weiſen Chriſten; Nirgends dringen die Leh-<lb/>
ren tiefer ein. Nun lernten <hirendition="#fr">Kronhelm</hi> und<lb/><hirendition="#fr">Siegwart</hi> erſt das Gluͤck recht ſchaͤtzen, einen ſol-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[307/0311]
nen. — Nachdem er ſich die Nacht durch ganz
muͤde phantaſirt hatte, ſo fiel er gegen Morgen
in einen tiefen Schlummer, der dem Tode faſt
aͤhnlich ſah. Kronhelm und Siegwart warfen
ſich auf ihr Bette, und blieben bis gegen Mittag
liegen.
Als ſie wieder auf das Krankenzimmer ka-
men, ſo war der Pater aufgewacht, und ſah weit
heiterer und friſcher aus. Der Schlaf hatte den Ab-
gang ſeiner Kraͤfte wieder erſetzt und der Arzt, der
eben dazu kam, faßte nicht geringe Hofnung zu ſeiner
Beſſerung. Er konnte wieder etwas Nahrung zu ſich
nehmen, und das Jrrereden blieb aus. Kron-
helm und Siegwart wurden, durch dieſe Hof-
nung, wie neubelebt, und konnten nun erſt um
die Geſundheit ihres Freundes beten; vorher
hatten ſie’s nicht gekonnt. Er ward merklich beſ-
ſer, und konnte nach ein paar Tagen ſchon wie-
der eine halbe Stunde auf ſitzen. Die beyden
Juͤnglinge waren unaufhoͤrlich um ihn, und lern-
ten aus ſeinem Munde tauſend weiſe Lehren;
denn nichts iſt lehrreicher, als das Krankenbette
eines weiſen Chriſten; Nirgends dringen die Leh-
ren tiefer ein. Nun lernten Kronhelm und
Siegwart erſt das Gluͤck recht ſchaͤtzen, einen ſol-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/311>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.