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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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chen Lehrer zum Freund zu haben. Nun sahen
sie die Grösse des Verlustes erst recht ein, den sie
mit seinem Tod erlitten haben würden. Nun sa-
hen sie, daß es weise Liebe Gottes sey, wenn er
uns zuweilen ein Gut zu entziehen droht, dessen
Wichtigkeit und Grösse wir vorher nur halb ein-
gesehen, und das wir deswegen nur halb benutzt
haben. Noch eh die Schulstunden wieder an-
giengen, konnten sie an einem schönen Nachmit-
tag eine Stunde mit ihm spatzieren gehen. Lie-
ber Gott, sagte er, wie mir nun die Welt wieder
so neu vorkommt, als ob ich sie noch nie gesehen
hätte! Alles deucht mir jetzt schöner und herrlicher
zu seyn. Der dunkle Tannenwald dort, und die
Sonne drüber her! Der Mischling mit dem gelb
und roth und blaßgrünen Laub! Die Natur sinkt
nun ins Grab, und ich stehe wieder draus auf;
war doch wenigstens schon halb drinn. Ach, die
Natur ist ein herrlicher Anblick! Zumal, wenn
man seiner eine Zeitlang beraubt war! Jch dank
dir, lieber Gott! -- Jch sehs euch an, daß ihr
meine Freude mitfühlt. Es ist mir so wohl,
daß ich in den Lüften schweben möchte! Lieben
Freunde, es ist doch gut, daß ich noch eine Zeit-
lang bey euch bleiben kann; die Welt ist gar zu



chen Lehrer zum Freund zu haben. Nun ſahen
ſie die Groͤſſe des Verluſtes erſt recht ein, den ſie
mit ſeinem Tod erlitten haben wuͤrden. Nun ſa-
hen ſie, daß es weiſe Liebe Gottes ſey, wenn er
uns zuweilen ein Gut zu entziehen droht, deſſen
Wichtigkeit und Groͤſſe wir vorher nur halb ein-
geſehen, und das wir deswegen nur halb benutzt
haben. Noch eh die Schulſtunden wieder an-
giengen, konnten ſie an einem ſchoͤnen Nachmit-
tag eine Stunde mit ihm ſpatzieren gehen. Lie-
ber Gott, ſagte er, wie mir nun die Welt wieder
ſo neu vorkommt, als ob ich ſie noch nie geſehen
haͤtte! Alles deucht mir jetzt ſchoͤner und herrlicher
zu ſeyn. Der dunkle Tannenwald dort, und die
Sonne druͤber her! Der Miſchling mit dem gelb
und roth und blaßgruͤnen Laub! Die Natur ſinkt
nun ins Grab, und ich ſtehe wieder draus auf;
war doch wenigſtens ſchon halb drinn. Ach, die
Natur iſt ein herrlicher Anblick! Zumal, wenn
man ſeiner eine Zeitlang beraubt war! Jch dank
dir, lieber Gott! — Jch ſehs euch an, daß ihr
meine Freude mitfuͤhlt. Es iſt mir ſo wohl,
daß ich in den Luͤften ſchweben moͤchte! Lieben
Freunde, es iſt doch gut, daß ich noch eine Zeit-
lang bey euch bleiben kann; die Welt iſt gar zu

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[308/0312] chen Lehrer zum Freund zu haben. Nun ſahen ſie die Groͤſſe des Verluſtes erſt recht ein, den ſie mit ſeinem Tod erlitten haben wuͤrden. Nun ſa- hen ſie, daß es weiſe Liebe Gottes ſey, wenn er uns zuweilen ein Gut zu entziehen droht, deſſen Wichtigkeit und Groͤſſe wir vorher nur halb ein- geſehen, und das wir deswegen nur halb benutzt haben. Noch eh die Schulſtunden wieder an- giengen, konnten ſie an einem ſchoͤnen Nachmit- tag eine Stunde mit ihm ſpatzieren gehen. Lie- ber Gott, ſagte er, wie mir nun die Welt wieder ſo neu vorkommt, als ob ich ſie noch nie geſehen haͤtte! Alles deucht mir jetzt ſchoͤner und herrlicher zu ſeyn. Der dunkle Tannenwald dort, und die Sonne druͤber her! Der Miſchling mit dem gelb und roth und blaßgruͤnen Laub! Die Natur ſinkt nun ins Grab, und ich ſtehe wieder draus auf; war doch wenigſtens ſchon halb drinn. Ach, die Natur iſt ein herrlicher Anblick! Zumal, wenn man ſeiner eine Zeitlang beraubt war! Jch dank dir, lieber Gott! — Jch ſehs euch an, daß ihr meine Freude mitfuͤhlt. Es iſt mir ſo wohl, daß ich in den Luͤften ſchweben moͤchte! Lieben Freunde, es iſt doch gut, daß ich noch eine Zeit- lang bey euch bleiben kann; die Welt iſt gar zu

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/312>, abgerufen am 22.11.2024.