Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



doch begegnete er auch Siegwarten, um seinet-
willen, sehr höflich. --

Siegwart hatte seiner Schwester Therese
von seiner Reise, vom Junker Veit, und von Re-
ginen,
geschrieben. Nach drey oder vier Wochen
bekam er diesen Brief von ihr:

Liebster Bruder!

Vielen, herzlichen Dank für deinen lieben
Brief, und die Nachrichten von deiner Reise!
Wie ist es doch möglich, daß dein Kronhelm ei-
nen solchen Vater hat, der gerad das Gegen-
theil von ihm ist? Aber destomehr muß ich ihn
bewundern und hochschätzen. Nun, lieber Bruder,
dächte ich, du machtest, wenn wieder Ferien ein-
fallen, eine Reise zu uns, und brächtest deinen
lieben Kronhelm mit. Der Papa würd es sehr
gern sehen, ich sagte ihm gestern davon. Sags
dem Herrn von Kronhelm ja, und vergiß mein
aufrichtigstes, freundlichstes Kompliment nicht! Nicht
wahr, Brüderchen, du kommst? Du weist ja, ich
hab dich gar zu lieb. Nun bist du schon ein hal-
bes Jahr weg; denk einmal die lange Zeit! Also
hast du Fräulein Regine kennen gelernt? Das
ist mir ja recht lieb. Sie hat viel Gutes. Jhr



doch begegnete er auch Siegwarten, um ſeinet-
willen, ſehr hoͤflich. —

Siegwart hatte ſeiner Schweſter Thereſe
von ſeiner Reiſe, vom Junker Veit, und von Re-
ginen,
geſchrieben. Nach drey oder vier Wochen
bekam er dieſen Brief von ihr:

Liebſter Bruder!

Vielen, herzlichen Dank fuͤr deinen lieben
Brief, und die Nachrichten von deiner Reiſe!
Wie iſt es doch moͤglich, daß dein Kronhelm ei-
nen ſolchen Vater hat, der gerad das Gegen-
theil von ihm iſt? Aber deſtomehr muß ich ihn
bewundern und hochſchaͤtzen. Nun, lieber Bruder,
daͤchte ich, du machteſt, wenn wieder Ferien ein-
fallen, eine Reiſe zu uns, und braͤchteſt deinen
lieben Kronhelm mit. Der Papa wuͤrd es ſehr
gern ſehen, ich ſagte ihm geſtern davon. Sags
dem Herrn von Kronhelm ja, und vergiß mein
aufrichtigſtes, freundlichſtes Kompliment nicht! Nicht
wahr, Bruͤderchen, du kommſt? Du weiſt ja, ich
hab dich gar zu lieb. Nun biſt du ſchon ein hal-
bes Jahr weg; denk einmal die lange Zeit! Alſo
haſt du Fraͤulein Regine kennen gelernt? Das
iſt mir ja recht lieb. Sie hat viel Gutes. Jhr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0318" n="314"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
doch begegnete er auch <hi rendition="#fr">Siegwarten,</hi> um &#x017F;einet-<lb/>
willen, &#x017F;ehr ho&#x0364;flich. &#x2014;</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Siegwart</hi> hatte &#x017F;einer Schwe&#x017F;ter <hi rendition="#fr">There&#x017F;e</hi><lb/>
von &#x017F;einer Rei&#x017F;e, vom Junker <hi rendition="#fr">Veit,</hi> und von <hi rendition="#fr">Re-<lb/>
ginen,</hi> ge&#x017F;chrieben. Nach drey oder vier Wochen<lb/>
bekam er die&#x017F;en Brief von ihr:</p><lb/>
        <floatingText>
          <body>
            <div type="letter">
              <opener>
                <salute> <hi rendition="#c">Lieb&#x017F;ter Bruder!</hi> </salute>
              </opener><lb/>
              <p>Vielen, herzlichen Dank fu&#x0364;r deinen lieben<lb/>
Brief, und die Nachrichten von deiner Rei&#x017F;e!<lb/>
Wie i&#x017F;t es doch mo&#x0364;glich, daß dein <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> ei-<lb/>
nen &#x017F;olchen Vater hat, der gerad das Gegen-<lb/>
theil von ihm i&#x017F;t? Aber de&#x017F;tomehr muß ich ihn<lb/>
bewundern und hoch&#x017F;cha&#x0364;tzen. Nun, lieber Bruder,<lb/>
da&#x0364;chte ich, du machte&#x017F;t, wenn wieder Ferien ein-<lb/>
fallen, eine Rei&#x017F;e zu uns, und bra&#x0364;chte&#x017F;t deinen<lb/>
lieben <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> mit. Der Papa wu&#x0364;rd es &#x017F;ehr<lb/>
gern &#x017F;ehen, ich &#x017F;agte ihm ge&#x017F;tern davon. Sags<lb/>
dem Herrn von <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> ja, und vergiß mein<lb/>
aufrichtig&#x017F;tes, freundlich&#x017F;tes Kompliment nicht! Nicht<lb/>
wahr, Bru&#x0364;derchen, du komm&#x017F;t? Du wei&#x017F;t ja, ich<lb/>
hab dich gar zu lieb. Nun bi&#x017F;t du &#x017F;chon ein hal-<lb/>
bes Jahr weg; denk einmal die lange Zeit! Al&#x017F;o<lb/>
ha&#x017F;t du Fra&#x0364;ulein <hi rendition="#fr">Regine</hi> kennen gelernt? Das<lb/>
i&#x017F;t mir ja recht lieb. Sie hat viel Gutes. Jhr<lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[314/0318] doch begegnete er auch Siegwarten, um ſeinet- willen, ſehr hoͤflich. — Siegwart hatte ſeiner Schweſter Thereſe von ſeiner Reiſe, vom Junker Veit, und von Re- ginen, geſchrieben. Nach drey oder vier Wochen bekam er dieſen Brief von ihr: Liebſter Bruder! Vielen, herzlichen Dank fuͤr deinen lieben Brief, und die Nachrichten von deiner Reiſe! Wie iſt es doch moͤglich, daß dein Kronhelm ei- nen ſolchen Vater hat, der gerad das Gegen- theil von ihm iſt? Aber deſtomehr muß ich ihn bewundern und hochſchaͤtzen. Nun, lieber Bruder, daͤchte ich, du machteſt, wenn wieder Ferien ein- fallen, eine Reiſe zu uns, und braͤchteſt deinen lieben Kronhelm mit. Der Papa wuͤrd es ſehr gern ſehen, ich ſagte ihm geſtern davon. Sags dem Herrn von Kronhelm ja, und vergiß mein aufrichtigſtes, freundlichſtes Kompliment nicht! Nicht wahr, Bruͤderchen, du kommſt? Du weiſt ja, ich hab dich gar zu lieb. Nun biſt du ſchon ein hal- bes Jahr weg; denk einmal die lange Zeit! Alſo haſt du Fraͤulein Regine kennen gelernt? Das iſt mir ja recht lieb. Sie hat viel Gutes. Jhr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/318
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/318>, abgerufen am 22.11.2024.