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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.

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zu offenes Wesen, und ihre Ungeduld muß man
übersehen; beydes ist nicht bös gemeynt. Hier
schickt dir der Papa Geld, und ein Brieflein.
Er ist, Gottlob! frisch und munter. Jn drey
Wochen heyrathet Karl die Jungser aus Dollin-
gen;
da sie jetzt unsre Schwägerinn wird, so
schickt sichs nicht mehr, daß ich etwas gegen sie
rede. Karl zieht ins Nebenhaus, und fängt ei-
ne eigne Haushaltung an. Gut! so kann ich
auf den Winter des Abends eher lesen, denn ich
bin jetzt recht erpicht drauf. Salome will nach
der Hochzeit wieder nach München; sie ist jetzt
bey unsrer neuen Schwägerinn, und eine warme
Freundinn von ihr; wenns nur lange daurt! Der
Hauptmann von Northern besucht uns fleissig.
Er hat jetzt das Portrait von seiner Braut be-
kommen; sie sieht himmlisch aus; ich habe das
Bild schon sehr oft geküßt. Wenn ich bey ihr
wäre, so würden wir gewiß gute Freundinnen;
ich sehs ihren Augen an. Der Mann, der den
Messias geschrieben hat, heist Klopstock. Er
soll ein sehr frommer Mann, und doch der an-
genehmste Gesellschafter seyn. Hauptmann Nor-
thern
hat mir ein paarmal aus dem Messias
vorgelesen. Jch sag dir, Bruder, es ist alles vor-



zu offenes Weſen, und ihre Ungeduld muß man
uͤberſehen; beydes iſt nicht boͤs gemeynt. Hier
ſchickt dir der Papa Geld, und ein Brieflein.
Er iſt, Gottlob! friſch und munter. Jn drey
Wochen heyrathet Karl die Jungſer aus Dollin-
gen;
da ſie jetzt unſre Schwaͤgerinn wird, ſo
ſchickt ſichs nicht mehr, daß ich etwas gegen ſie
rede. Karl zieht ins Nebenhaus, und faͤngt ei-
ne eigne Haushaltung an. Gut! ſo kann ich
auf den Winter des Abends eher leſen, denn ich
bin jetzt recht erpicht drauf. Salome will nach
der Hochzeit wieder nach Muͤnchen; ſie iſt jetzt
bey unſrer neuen Schwaͤgerinn, und eine warme
Freundinn von ihr; wenns nur lange daurt! Der
Hauptmann von Northern beſucht uns fleiſſig.
Er hat jetzt das Portrait von ſeiner Braut be-
kommen; ſie ſieht himmliſch aus; ich habe das
Bild ſchon ſehr oft gekuͤßt. Wenn ich bey ihr
waͤre, ſo wuͤrden wir gewiß gute Freundinnen;
ich ſehs ihren Augen an. Der Mann, der den
Meſſias geſchrieben hat, heiſt Klopſtock. Er
ſoll ein ſehr frommer Mann, und doch der an-
genehmſte Geſellſchafter ſeyn. Hauptmann Nor-
thern
hat mir ein paarmal aus dem Meſſias
vorgeleſen. Jch ſag dir, Bruder, es iſt alles vor-

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[315/0319] zu offenes Weſen, und ihre Ungeduld muß man uͤberſehen; beydes iſt nicht boͤs gemeynt. Hier ſchickt dir der Papa Geld, und ein Brieflein. Er iſt, Gottlob! friſch und munter. Jn drey Wochen heyrathet Karl die Jungſer aus Dollin- gen; da ſie jetzt unſre Schwaͤgerinn wird, ſo ſchickt ſichs nicht mehr, daß ich etwas gegen ſie rede. Karl zieht ins Nebenhaus, und faͤngt ei- ne eigne Haushaltung an. Gut! ſo kann ich auf den Winter des Abends eher leſen, denn ich bin jetzt recht erpicht drauf. Salome will nach der Hochzeit wieder nach Muͤnchen; ſie iſt jetzt bey unſrer neuen Schwaͤgerinn, und eine warme Freundinn von ihr; wenns nur lange daurt! Der Hauptmann von Northern beſucht uns fleiſſig. Er hat jetzt das Portrait von ſeiner Braut be- kommen; ſie ſieht himmliſch aus; ich habe das Bild ſchon ſehr oft gekuͤßt. Wenn ich bey ihr waͤre, ſo wuͤrden wir gewiß gute Freundinnen; ich ſehs ihren Augen an. Der Mann, der den Meſſias geſchrieben hat, heiſt Klopſtock. Er ſoll ein ſehr frommer Mann, und doch der an- genehmſte Geſellſchafter ſeyn. Hauptmann Nor- thern hat mir ein paarmal aus dem Meſſias vorgeleſen. Jch ſag dir, Bruder, es iſt alles vor-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart01_1776/319>, abgerufen am 22.11.2024.