Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 1. Leipzig, 1776.Frau zum Kaffee gebeten. Sie hatten da wenig Vergnügen, weil sie sehr gezwungen waren. Karls Frau schien Kronhelms Zuneigung zu Theresen zu merken, und sehr neidisch drüber zu seyn. Das arme Mädchen mußte viel Spöttereyen und beissende Anmerkungen hören. Sie wuste nicht, wie sie sich dabey betragen sollte? und ward oft roth. Jhre Schwägerinn erzälte recht mit Vor- satz die Geschichte einer unglücklichen Heyrath zwischen einem Edelmann, und einem bürgerlichen Mädchen; und schloß damit, indem sie Theresen ins Gesicht sah: So sollts all denen Mädchen gehen, die sich über ihren Stand und andre ih- res gleichen erheben wollen! Da heists recht: Hochmuth kommt vor dem Fall, Man muß nicht fliegen wollen, wenn man keine Federn da- zu hat, u. s. w. Kronhelm wurde böse drüber, und stand um zehn Uhr wieder auf. Sie wer- den wohl Geschäfte haben, Jungfer Siegwart, sagte er; wenn wir um zwölf Uhr zu dem Amt- mann in Belldorf fahren wollen, so müssen wir uns jetzt empsehlen, denn ich hab auch noch was zu arbeiten. Darüber ward Karls Frau noch mehr ausgebracht, und schäumte fast vor Wuth. Als die jungen Leute Abschied genommen hatten, ließ Frau zum Kaffee gebeten. Sie hatten da wenig Vergnuͤgen, weil ſie ſehr gezwungen waren. Karls Frau ſchien Kronhelms Zuneigung zu Thereſen zu merken, und ſehr neidiſch druͤber zu ſeyn. Das arme Maͤdchen mußte viel Spoͤttereyen und beiſſende Anmerkungen hoͤren. Sie wuſte nicht, wie ſie ſich dabey betragen ſollte? und ward oft roth. Jhre Schwaͤgerinn erzaͤlte recht mit Vor- ſatz die Geſchichte einer ungluͤcklichen Heyrath zwiſchen einem Edelmann, und einem buͤrgerlichen Maͤdchen; und ſchloß damit, indem ſie Thereſen ins Geſicht ſah: So ſollts all denen Maͤdchen gehen, die ſich uͤber ihren Stand und andre ih- res gleichen erheben wollen! Da heiſts recht: Hochmuth kommt vor dem Fall, Man muß nicht fliegen wollen, wenn man keine Federn da- zu hat, u. ſ. w. Kronhelm wurde boͤſe druͤber, und ſtand um zehn Uhr wieder auf. Sie wer- den wohl Geſchaͤfte haben, Jungfer Siegwart, ſagte er; wenn wir um zwoͤlf Uhr zu dem Amt- mann in Belldorf fahren wollen, ſo muͤſſen wir uns jetzt empſehlen, denn ich hab auch noch was zu arbeiten. Daruͤber ward Karls Frau noch mehr auſgebracht, und ſchaͤumte faſt vor Wuth. Als die jungen Leute Abſchied genommen hatten, ließ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0375" n="371"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Frau zum Kaffee gebeten. Sie hatten da wenig<lb/> Vergnuͤgen, weil ſie ſehr gezwungen waren. <hi rendition="#fr">Karls</hi><lb/> Frau ſchien <hi rendition="#fr">Kronhelms</hi> Zuneigung zu <hi rendition="#fr">Thereſen</hi><lb/> zu merken, und ſehr neidiſch druͤber zu ſeyn.<lb/> Das arme Maͤdchen mußte viel Spoͤttereyen und<lb/> beiſſende Anmerkungen hoͤren. Sie wuſte nicht,<lb/> wie ſie ſich dabey betragen ſollte? und ward oft<lb/> roth. Jhre Schwaͤgerinn erzaͤlte recht mit Vor-<lb/> ſatz die Geſchichte einer ungluͤcklichen Heyrath<lb/> zwiſchen einem Edelmann, und einem buͤrgerlichen<lb/> Maͤdchen; und ſchloß damit, indem ſie <hi rendition="#fr">Thereſen</hi><lb/> ins Geſicht ſah: So ſollts all denen Maͤdchen<lb/> gehen, die ſich uͤber ihren Stand und andre ih-<lb/> res gleichen erheben wollen! Da heiſts recht:<lb/> Hochmuth kommt vor dem Fall, Man muß<lb/> nicht fliegen wollen, wenn man keine Federn da-<lb/> zu hat, u. ſ. w. <hi rendition="#fr">Kronhelm</hi> wurde boͤſe druͤber,<lb/> und ſtand um zehn Uhr wieder auf. Sie wer-<lb/> den wohl Geſchaͤfte haben, Jungfer <hi rendition="#fr">Siegwart,</hi><lb/> ſagte er; wenn wir um zwoͤlf Uhr zu dem Amt-<lb/> mann in <hi rendition="#fr">Belldorf</hi> fahren wollen, ſo muͤſſen wir<lb/> uns jetzt empſehlen, denn ich hab auch noch was<lb/> zu arbeiten. Daruͤber ward <hi rendition="#fr">Karls</hi> Frau noch mehr<lb/> auſgebracht, und ſchaͤumte faſt vor Wuth. Als<lb/> die jungen Leute Abſchied genommen hatten, ließ<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [371/0375]
Frau zum Kaffee gebeten. Sie hatten da wenig
Vergnuͤgen, weil ſie ſehr gezwungen waren. Karls
Frau ſchien Kronhelms Zuneigung zu Thereſen
zu merken, und ſehr neidiſch druͤber zu ſeyn.
Das arme Maͤdchen mußte viel Spoͤttereyen und
beiſſende Anmerkungen hoͤren. Sie wuſte nicht,
wie ſie ſich dabey betragen ſollte? und ward oft
roth. Jhre Schwaͤgerinn erzaͤlte recht mit Vor-
ſatz die Geſchichte einer ungluͤcklichen Heyrath
zwiſchen einem Edelmann, und einem buͤrgerlichen
Maͤdchen; und ſchloß damit, indem ſie Thereſen
ins Geſicht ſah: So ſollts all denen Maͤdchen
gehen, die ſich uͤber ihren Stand und andre ih-
res gleichen erheben wollen! Da heiſts recht:
Hochmuth kommt vor dem Fall, Man muß
nicht fliegen wollen, wenn man keine Federn da-
zu hat, u. ſ. w. Kronhelm wurde boͤſe druͤber,
und ſtand um zehn Uhr wieder auf. Sie wer-
den wohl Geſchaͤfte haben, Jungfer Siegwart,
ſagte er; wenn wir um zwoͤlf Uhr zu dem Amt-
mann in Belldorf fahren wollen, ſo muͤſſen wir
uns jetzt empſehlen, denn ich hab auch noch was
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