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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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len; manche gefielen ihm so wohl, daß er sie sich
zwey- und dreymal erzählen ließ.

Endlich kamen sie auf ihrer Schule wieder
an. Kronhelm gab dem Kutscher ein paar Zei-
len mit, die an den Amtmann und an Theresen
zugleich gerichtet waren, und blos die Nachricht
von ihrer glücklichen Ankunft, und Danksagungen
für die viele genossene Freundschaft enthielten. Sie
giengen dann sogleich zu ihrem lieben P. Philipp,
der sich herzlich über ihre Ankunft freute. Sie
mußten ihm sehr viel von ihrer Landlust erzählen.
Kronhelm vermied es sorgfältig, Theresens Na-
men zu nennen, oder nur entfernt von ihr beson-
ders zu reden, weil er sich zu verrathen fürchtete;
denn die erste Liebe ist mehrentheils sehr furchtsam
und zurückhaltend. Nach etlichen Tagen fiel aber
P. Philipp selbst auf die Vermuthung, daß er
verliebt sey; denn er war so still, und verfiel oft
auf Einmal in ein tiefes Nachdenken, und sah aus,
als ob er weinen wollte. Unserm Kronhelm
muß was wichtiges begegnet seyn, sagte er, und
wandte sich zu Siegwart; Er ist seit der Reise
ganz verändert. Jch weis nicht, antwortete Xa-
ver;
und Kronhelm ward feuerroth. -- Nein,
es fehlt mir nichts, sagte er; ich weis nicht, wie



len; manche gefielen ihm ſo wohl, daß er ſie ſich
zwey- und dreymal erzaͤhlen ließ.

Endlich kamen ſie auf ihrer Schule wieder
an. Kronhelm gab dem Kutſcher ein paar Zei-
len mit, die an den Amtmann und an Thereſen
zugleich gerichtet waren, und blos die Nachricht
von ihrer gluͤcklichen Ankunft, und Dankſagungen
fuͤr die viele genoſſene Freundſchaft enthielten. Sie
giengen dann ſogleich zu ihrem lieben P. Philipp,
der ſich herzlich uͤber ihre Ankunft freute. Sie
mußten ihm ſehr viel von ihrer Landluſt erzaͤhlen.
Kronhelm vermied es ſorgfaͤltig, Thereſens Na-
men zu nennen, oder nur entfernt von ihr beſon-
ders zu reden, weil er ſich zu verrathen fuͤrchtete;
denn die erſte Liebe iſt mehrentheils ſehr furchtſam
und zuruͤckhaltend. Nach etlichen Tagen fiel aber
P. Philipp ſelbſt auf die Vermuthung, daß er
verliebt ſey; denn er war ſo ſtill, und verfiel oft
auf Einmal in ein tiefes Nachdenken, und ſah aus,
als ob er weinen wollte. Unſerm Kronhelm
muß was wichtiges begegnet ſeyn, ſagte er, und
wandte ſich zu Siegwart; Er iſt ſeit der Reiſe
ganz veraͤndert. Jch weis nicht, antwortete Xa-
ver;
und Kronhelm ward feuerroth. — Nein,
es fehlt mir nichts, ſagte er; ich weis nicht, wie

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[436/0016] len; manche gefielen ihm ſo wohl, daß er ſie ſich zwey- und dreymal erzaͤhlen ließ. Endlich kamen ſie auf ihrer Schule wieder an. Kronhelm gab dem Kutſcher ein paar Zei- len mit, die an den Amtmann und an Thereſen zugleich gerichtet waren, und blos die Nachricht von ihrer gluͤcklichen Ankunft, und Dankſagungen fuͤr die viele genoſſene Freundſchaft enthielten. Sie giengen dann ſogleich zu ihrem lieben P. Philipp, der ſich herzlich uͤber ihre Ankunft freute. Sie mußten ihm ſehr viel von ihrer Landluſt erzaͤhlen. Kronhelm vermied es ſorgfaͤltig, Thereſens Na- men zu nennen, oder nur entfernt von ihr beſon- ders zu reden, weil er ſich zu verrathen fuͤrchtete; denn die erſte Liebe iſt mehrentheils ſehr furchtſam und zuruͤckhaltend. Nach etlichen Tagen fiel aber P. Philipp ſelbſt auf die Vermuthung, daß er verliebt ſey; denn er war ſo ſtill, und verfiel oft auf Einmal in ein tiefes Nachdenken, und ſah aus, als ob er weinen wollte. Unſerm Kronhelm muß was wichtiges begegnet ſeyn, ſagte er, und wandte ſich zu Siegwart; Er iſt ſeit der Reiſe ganz veraͤndert. Jch weis nicht, antwortete Xa- ver; und Kronhelm ward feuerroth. — Nein, es fehlt mir nichts, ſagte er; ich weis nicht, wie

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/16>, abgerufen am 21.11.2024.