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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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wahr das im Herzen, was ich gestern sagte! ..
Laß dich nicht verführen! ... Bleibe dir und
Gott treu! ... Sags auch Kronhelm! ...
Dank ihm! ...

Siegwart konnte nichts, als weinen. Auf Ein-
mal entstand im Haus unten ein Lerm. Das will
ich sehen, obs so schlecht ist? rief eine rauhe Stim-
me. Er soll und muß mit mir fort, der Unge-
rathene! Jndem stürzte Gutfrieds Vater in das
Zimmer, Kronhelm hinter ihm drein, und aufs
Bette zu. Heh! Kerl! rief der Vater, und
schüttelte seinen Sohn. Plötzlich, als er seinen
Sohn im Todesschweisse sah, blieb er wie erstarrt
stehn. Mit der einen Hand hielt er seinen Sohn,
und die andre hub er in die Höhe. -- Was ists?
sagte er, mit zerstörten Blicken, zu Siegwart. Will
er sterben, oder ist er schon? -- Karl! und nun
schüttelte er ihm die Hand; um Gottes willen,
Karl! du lieber Karl! Was ists? -- Der jun-
ge Gutfried hub seine Augen auf; eine Thräne
glänzte drinn, und schloß es wieder zu. Der kalte
Todesschweiß stund ihm auf der Stirne. Er lag
unbeweglich da. Der Vater ließ seine Hand un-
willig fahren, gieng weg, sah gen Himmel, seufzte
tief, und sprach: Nun ists aus mit mir! Deine



wahr das im Herzen, was ich geſtern ſagte! ..
Laß dich nicht verfuͤhren! … Bleibe dir und
Gott treu! … Sags auch Kronhelm! …
Dank ihm! …

Siegwart konnte nichts, als weinen. Auf Ein-
mal entſtand im Haus unten ein Lerm. Das will
ich ſehen, obs ſo ſchlecht iſt? rief eine rauhe Stim-
me. Er ſoll und muß mit mir fort, der Unge-
rathene! Jndem ſtuͤrzte Gutfrieds Vater in das
Zimmer, Kronhelm hinter ihm drein, und aufs
Bette zu. Heh! Kerl! rief der Vater, und
ſchuͤttelte ſeinen Sohn. Ploͤtzlich, als er ſeinen
Sohn im Todesſchweiſſe ſah, blieb er wie erſtarrt
ſtehn. Mit der einen Hand hielt er ſeinen Sohn,
und die andre hub er in die Hoͤhe. — Was iſts?
ſagte er, mit zerſtoͤrten Blicken, zu Siegwart. Will
er ſterben, oder iſt er ſchon? — Karl! und nun
ſchuͤttelte er ihm die Hand; um Gottes willen,
Karl! du lieber Karl! Was iſts? — Der jun-
ge Gutfried hub ſeine Augen auf; eine Thraͤne
glaͤnzte drinn, und ſchloß es wieder zu. Der kalte
Todesſchweiß ſtund ihm auf der Stirne. Er lag
unbeweglich da. Der Vater ließ ſeine Hand un-
willig fahren, gieng weg, ſah gen Himmel, ſeufzte
tief, und ſprach: Nun iſts aus mit mir! Deine

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[645/0225] wahr das im Herzen, was ich geſtern ſagte! .. Laß dich nicht verfuͤhren! … Bleibe dir und Gott treu! … Sags auch Kronhelm! … Dank ihm! … Siegwart konnte nichts, als weinen. Auf Ein- mal entſtand im Haus unten ein Lerm. Das will ich ſehen, obs ſo ſchlecht iſt? rief eine rauhe Stim- me. Er ſoll und muß mit mir fort, der Unge- rathene! Jndem ſtuͤrzte Gutfrieds Vater in das Zimmer, Kronhelm hinter ihm drein, und aufs Bette zu. Heh! Kerl! rief der Vater, und ſchuͤttelte ſeinen Sohn. Ploͤtzlich, als er ſeinen Sohn im Todesſchweiſſe ſah, blieb er wie erſtarrt ſtehn. Mit der einen Hand hielt er ſeinen Sohn, und die andre hub er in die Hoͤhe. — Was iſts? ſagte er, mit zerſtoͤrten Blicken, zu Siegwart. Will er ſterben, oder iſt er ſchon? — Karl! und nun ſchuͤttelte er ihm die Hand; um Gottes willen, Karl! du lieber Karl! Was iſts? — Der jun- ge Gutfried hub ſeine Augen auf; eine Thraͤne glaͤnzte drinn, und ſchloß es wieder zu. Der kalte Todesſchweiß ſtund ihm auf der Stirne. Er lag unbeweglich da. Der Vater ließ ſeine Hand un- willig fahren, gieng weg, ſah gen Himmel, ſeufzte tief, und ſprach: Nun iſts aus mit mir! Deine

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/225>, abgerufen am 25.11.2024.