drauf, und sein Herz ward voll von dem Wunsch, wie sein Freund zu sterben; denn zuweilen that er, aus seinem kummervollen Leben einen Blick in die Wonne, der sein Freund nun genoß. Den Abend drauf schrieb er aus dem kummervollsten Her- zen diese Verse nieder:
An Gutfrieds Begräbnistage.
Würd' ich doch, wie du, begraben! Sänk' ich auch in Todesnacht! Zärtlichkeit und Jammer haben Mich dem Grab' auch reif gemacht.
Deine Leiden sind vorüber, Ausgeweinet hat dein Blick; Aber trauriger und trüber Wird mir jeder Augenblick.
Stimmet keine Trauerlieder Auf des Freundes Hügel an! Segnet sein Geschick, ihr Brüder! Er betrat des Lebens Bahn.
Wißt: Der schönste Tag des Lebens Jst der nächste an der Gruft. Ach, daß doch mein Wunsch vergebens Jhn, herbeyzueilen, ruft!
T t
drauf, und ſein Herz ward voll von dem Wunſch, wie ſein Freund zu ſterben; denn zuweilen that er, aus ſeinem kummervollen Leben einen Blick in die Wonne, der ſein Freund nun genoß. Den Abend drauf ſchrieb er aus dem kummervollſten Her- zen dieſe Verſe nieder:
An Gutfrieds Begraͤbnistage.
Wuͤrd’ ich doch, wie du, begraben! Saͤnk’ ich auch in Todesnacht! Zaͤrtlichkeit und Jammer haben Mich dem Grab’ auch reif gemacht.
Deine Leiden ſind voruͤber, Ausgeweinet hat dein Blick; Aber trauriger und truͤber Wird mir jeder Augenblick.
Stimmet keine Trauerlieder Auf des Freundes Huͤgel an! Segnet ſein Geſchick, ihr Bruͤder! Er betrat des Lebens Bahn.
Wißt: Der ſchoͤnſte Tag des Lebens Jſt der naͤchſte an der Gruft. Ach, daß doch mein Wunſch vergebens Jhn, herbeyzueilen, ruft!
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drauf, und ſein Herz ward voll von dem Wunſch,
wie ſein Freund zu ſterben; denn zuweilen that er,
aus ſeinem kummervollen Leben einen Blick in die
Wonne, der ſein Freund nun genoß. Den Abend
drauf ſchrieb er aus dem kummervollſten Her-
zen dieſe Verſe nieder:
An Gutfrieds Begraͤbnistage.
Wuͤrd’ ich doch, wie du, begraben!
Saͤnk’ ich auch in Todesnacht!
Zaͤrtlichkeit und Jammer haben
Mich dem Grab’ auch reif gemacht.
Deine Leiden ſind voruͤber,
Ausgeweinet hat dein Blick;
Aber trauriger und truͤber
Wird mir jeder Augenblick.
Stimmet keine Trauerlieder
Auf des Freundes Huͤgel an!
Segnet ſein Geſchick, ihr Bruͤder!
Er betrat des Lebens Bahn.
Wißt: Der ſchoͤnſte Tag des Lebens
Jſt der naͤchſte an der Gruft.
Ach, daß doch mein Wunſch vergebens
Jhn, herbeyzueilen, ruft!
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/229>, abgerufen am 24.11.2024.
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