War das nicht ein Blick der Liebe, Der aus ihrem Auge sprach? Sah es nicht bethränt, und trübe Mir mit stiller Sehnsucht nach?
Ja, bey Gott! Sie muß es wissen, Daß ich so verwundet bin; Muß, von Mitleid hingerissen, Auch für mich im Stillen glühn! --
O ihr Liebesengel, rühret Euch das Flehn des Leidenden, O so steigt herab, und führet, Mich zu meiner Heiligen!
Daß ich ihr zu Füssen sinke, Meine Leiden ihr gesteh, Und durch Einen ihrer Winke Mich zu euch erhoben seh!
Mit diesem Gedichte gieng er gleich zu seinem Kron- helm, der damit zufrieden war, und sagte: Die Zeit, die du dir in diesen Versen wünschest, kann bald kommen. Sie liebt dich, daran zweifle ich gar nicht mehr; und bey der ersten Schlittenfahrt
Der Blick der Liebe.
War das nicht ein Blick der Liebe, Der aus ihrem Auge ſprach? Sah es nicht bethraͤnt, und truͤbe Mir mit ſtiller Sehnſucht nach?
Ja, bey Gott! Sie muß es wiſſen, Daß ich ſo verwundet bin; Muß, von Mitleid hingeriſſen, Auch fuͤr mich im Stillen gluͤhn! —
O ihr Liebesengel, ruͤhret Euch das Flehn des Leidenden, O ſo ſteigt herab, und fuͤhret, Mich zu meiner Heiligen!
Daß ich ihr zu Fuͤſſen ſinke, Meine Leiden ihr geſteh, Und durch Einen ihrer Winke Mich zu euch erhoben ſeh!
Mit dieſem Gedichte gieng er gleich zu ſeinem Kron- helm, der damit zufrieden war, und ſagte: Die Zeit, die du dir in dieſen Verſen wuͤnſcheſt, kann bald kommen. Sie liebt dich, daran zweifle ich gar nicht mehr; und bey der erſten Schlittenfahrt
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Der Blick der Liebe.
War das nicht ein Blick der Liebe,
Der aus ihrem Auge ſprach?
Sah es nicht bethraͤnt, und truͤbe
Mir mit ſtiller Sehnſucht nach?
Ja, bey Gott! Sie muß es wiſſen,
Daß ich ſo verwundet bin;
Muß, von Mitleid hingeriſſen,
Auch fuͤr mich im Stillen gluͤhn! —
O ihr Liebesengel, ruͤhret
Euch das Flehn des Leidenden,
O ſo ſteigt herab, und fuͤhret,
Mich zu meiner Heiligen!
Daß ich ihr zu Fuͤſſen ſinke,
Meine Leiden ihr geſteh,
Und durch Einen ihrer Winke
Mich zu euch erhoben ſeh!
Mit dieſem Gedichte gieng er gleich zu ſeinem Kron-
helm, der damit zufrieden war, und ſagte: Die
Zeit, die du dir in dieſen Verſen wuͤnſcheſt, kann
bald kommen. Sie liebt dich, daran zweifle ich
gar nicht mehr; und bey der erſten Schlittenfahrt
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 658. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/238>, abgerufen am 24.11.2024.
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