Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.Siegwart führte den Schlitten weg, und eilte auch nach Haus, um ein andres Kleid, und seid- ne Strümpfe anzulegen. Er war vor Freuden über Marianens Betragen ganz ausser sich, hüpfte hin und her, sang laut, und sprach mit sich selber. Als Kronhelm, der sein Frauenzimmer auch nach Haus geführt hatte, kam; sprang er ihm entgegen, drückte ihn fest an sich, daß er hätte schreyen mögen, und frohlockte gegen ihn über sein Glück und über seine Mariane. Bruder, Bruder! sagte er, das ist ein Engel, wie es keinen gibt! Nun fang ich erst recht zu leben an. Vorher war es alles nichts! Wenn sie so bleibt, so bin ich ganz im Himmel! Meynst du nicht, sie sey mir gut? -- Ganz unstreitig, sagte Kronhelm! O die Liebe läst sich gar nicht lang verbergen, zumal vor einem Lieben- den. Mach deine Sachen nun klug! Sey nicht allzuschüchtern! Sie muß es merken, was du für sie fühlst! Siegwart machte wieder einige Einwen- dungen: Sie könn' es übel nehmen, und ihm böse werden, wenn er so gerade zu geh, u. s. w. Kron- helm aber fiel ihm in die Rede; Da kennst du die Mädchen schlecht, wenn du glaubst, sie nehmen so etwas übel. Warum sollten sies auch thun? Es schmeichelt ihnen ja, und muß sie freuen, wenn Siegwart fuͤhrte den Schlitten weg, und eilte auch nach Haus, um ein andres Kleid, und ſeid- ne Struͤmpfe anzulegen. Er war vor Freuden uͤber Marianens Betragen ganz auſſer ſich, huͤpfte hin und her, ſang laut, und ſprach mit ſich ſelber. Als Kronhelm, der ſein Frauenzimmer auch nach Haus gefuͤhrt hatte, kam; ſprang er ihm entgegen, druͤckte ihn feſt an ſich, daß er haͤtte ſchreyen moͤgen, und frohlockte gegen ihn uͤber ſein Gluͤck und uͤber ſeine Mariane. Bruder, Bruder! ſagte er, das iſt ein Engel, wie es keinen gibt! Nun fang ich erſt recht zu leben an. Vorher war es alles nichts! Wenn ſie ſo bleibt, ſo bin ich ganz im Himmel! Meynſt du nicht, ſie ſey mir gut? — Ganz unſtreitig, ſagte Kronhelm! O die Liebe laͤſt ſich gar nicht lang verbergen, zumal vor einem Lieben- den. Mach deine Sachen nun klug! Sey nicht allzuſchuͤchtern! Sie muß es merken, was du fuͤr ſie fuͤhlſt! Siegwart machte wieder einige Einwen- dungen: Sie koͤnn’ es uͤbel nehmen, und ihm boͤſe werden, wenn er ſo gerade zu geh, u. ſ. w. Kron- helm aber fiel ihm in die Rede; Da kennſt du die Maͤdchen ſchlecht, wenn du glaubſt, ſie nehmen ſo etwas uͤbel. Warum ſollten ſies auch thun? Es ſchmeichelt ihnen ja, und muß ſie freuen, wenn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0243" n="663"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Siegwart fuͤhrte den Schlitten weg, und eilte<lb/> auch nach Haus, um ein andres Kleid, und ſeid-<lb/> ne Struͤmpfe anzulegen. Er war vor Freuden uͤber<lb/> Marianens Betragen ganz auſſer ſich, huͤpfte hin<lb/> und her, ſang laut, und ſprach mit ſich ſelber. Als<lb/> Kronhelm, der ſein Frauenzimmer auch nach Haus<lb/> gefuͤhrt hatte, kam; ſprang er ihm entgegen, druͤckte<lb/> ihn feſt an ſich, daß er haͤtte ſchreyen moͤgen, und<lb/> frohlockte gegen ihn uͤber ſein Gluͤck und uͤber<lb/> ſeine Mariane. Bruder, Bruder! ſagte er, das<lb/> iſt ein Engel, wie es keinen gibt! Nun fang ich<lb/> erſt recht zu leben an. Vorher war es alles nichts!<lb/> Wenn ſie ſo bleibt, ſo bin ich ganz im Himmel!<lb/> Meynſt du nicht, ſie ſey mir gut? — Ganz<lb/> unſtreitig, ſagte Kronhelm! O die Liebe laͤſt ſich<lb/> gar nicht lang verbergen, zumal vor einem Lieben-<lb/> den. Mach deine Sachen nun klug! Sey nicht<lb/> allzuſchuͤchtern! Sie muß es merken, was du fuͤr<lb/> ſie fuͤhlſt! Siegwart machte wieder einige Einwen-<lb/> dungen: Sie koͤnn’ es uͤbel nehmen, und ihm boͤſe<lb/> werden, wenn er ſo gerade zu geh, u. ſ. w. Kron-<lb/> helm aber fiel ihm in die Rede; Da kennſt du die<lb/> Maͤdchen ſchlecht, wenn du glaubſt, ſie nehmen ſo<lb/> etwas uͤbel. Warum ſollten ſies auch thun? Es<lb/> ſchmeichelt ihnen ja, und muß ſie freuen, wenn<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [663/0243]
Siegwart fuͤhrte den Schlitten weg, und eilte
auch nach Haus, um ein andres Kleid, und ſeid-
ne Struͤmpfe anzulegen. Er war vor Freuden uͤber
Marianens Betragen ganz auſſer ſich, huͤpfte hin
und her, ſang laut, und ſprach mit ſich ſelber. Als
Kronhelm, der ſein Frauenzimmer auch nach Haus
gefuͤhrt hatte, kam; ſprang er ihm entgegen, druͤckte
ihn feſt an ſich, daß er haͤtte ſchreyen moͤgen, und
frohlockte gegen ihn uͤber ſein Gluͤck und uͤber
ſeine Mariane. Bruder, Bruder! ſagte er, das
iſt ein Engel, wie es keinen gibt! Nun fang ich
erſt recht zu leben an. Vorher war es alles nichts!
Wenn ſie ſo bleibt, ſo bin ich ganz im Himmel!
Meynſt du nicht, ſie ſey mir gut? — Ganz
unſtreitig, ſagte Kronhelm! O die Liebe laͤſt ſich
gar nicht lang verbergen, zumal vor einem Lieben-
den. Mach deine Sachen nun klug! Sey nicht
allzuſchuͤchtern! Sie muß es merken, was du fuͤr
ſie fuͤhlſt! Siegwart machte wieder einige Einwen-
dungen: Sie koͤnn’ es uͤbel nehmen, und ihm boͤſe
werden, wenn er ſo gerade zu geh, u. ſ. w. Kron-
helm aber fiel ihm in die Rede; Da kennſt du die
Maͤdchen ſchlecht, wenn du glaubſt, ſie nehmen ſo
etwas uͤbel. Warum ſollten ſies auch thun? Es
ſchmeichelt ihnen ja, und muß ſie freuen, wenn
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