Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.ihn bey der Hand, sah ihn halblächelnd an, und sagte: Sie sind ja so traurig und so nachdenklich? Wollen Sie nicht mit mir tanzen? Jch kann den Menschen dort im grünen Kleid gar nicht los werden, und das ist mir so verdrüßlich. Kommen Sie! Ein Schleifer! (So heist der eigentlich schwä- bische Tanz.) Siegwart küßte ihr im feurigen Ent- zücken die Hand, und hüpfte mit ihr in den Rei- hen. Sie tanzte herrlich schwäbisch. Alle Paare wurden müd, und hörten auf. Aber das liebe Paar tanzte noch eine halbe Viertelstunde allein, und die andern sahen bewundernd, oder neidisch zu. -- So ists eine Freude, sagte sie, indem sie den Tanz schlossen. Sie tanzen so rasch und so leicht weg, daß man glaubt, man fliege. Er führ- te sie an eine Seitenbank, und stand vor ihr. Sie sind doch warm geworden, sagte sie, und kühl- te ihm mit dem Fächer das Gesicht. Er nahm den Fächer, und kühlte damit sie und sich. Sie sah nach ihm auf, wie eine Heilige zum Himmel. Er nahm ihre Hand, und wendete das Gesicht weg, denn sein Auge glänzte. Sie drückte ihm die Hand; er küste sie. Reden konnt' er nicht, ob er gleich sich hin und her besann, was er sagen wolle. Das ist ein herrlicher Tag! fieng er end- ihn bey der Hand, ſah ihn halblaͤchelnd an, und ſagte: Sie ſind ja ſo traurig und ſo nachdenklich? Wollen Sie nicht mit mir tanzen? Jch kann den Menſchen dort im gruͤnen Kleid gar nicht los werden, und das iſt mir ſo verdruͤßlich. Kommen Sie! Ein Schleifer! (So heiſt der eigentlich ſchwaͤ- biſche Tanz.) Siegwart kuͤßte ihr im feurigen Ent- zuͤcken die Hand, und huͤpfte mit ihr in den Rei- hen. Sie tanzte herrlich ſchwaͤbiſch. Alle Paare wurden muͤd, und hoͤrten auf. Aber das liebe Paar tanzte noch eine halbe Viertelſtunde allein, und die andern ſahen bewundernd, oder neidiſch zu. — So iſts eine Freude, ſagte ſie, indem ſie den Tanz ſchloſſen. Sie tanzen ſo raſch und ſo leicht weg, daß man glaubt, man fliege. Er fuͤhr- te ſie an eine Seitenbank, und ſtand vor ihr. Sie ſind doch warm geworden, ſagte ſie, und kuͤhl- te ihm mit dem Faͤcher das Geſicht. Er nahm den Faͤcher, und kuͤhlte damit ſie und ſich. Sie ſah nach ihm auf, wie eine Heilige zum Himmel. Er nahm ihre Hand, und wendete das Geſicht weg, denn ſein Auge glaͤnzte. Sie druͤckte ihm die Hand; er kuͤſte ſie. Reden konnt’ er nicht, ob er gleich ſich hin und her beſann, was er ſagen wolle. Das iſt ein herrlicher Tag! fieng er end- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0250" n="670"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ihn bey der Hand, ſah ihn halblaͤchelnd an, und<lb/> ſagte: Sie ſind ja ſo traurig und ſo nachdenklich?<lb/> Wollen Sie nicht mit mir tanzen? Jch kann<lb/> den Menſchen dort im gruͤnen Kleid gar nicht los<lb/> werden, und das iſt mir ſo verdruͤßlich. Kommen<lb/> Sie! Ein Schleifer! (So heiſt der eigentlich ſchwaͤ-<lb/> biſche Tanz.) Siegwart kuͤßte ihr im feurigen Ent-<lb/> zuͤcken die Hand, und huͤpfte mit ihr in den Rei-<lb/> hen. Sie tanzte herrlich ſchwaͤbiſch. Alle Paare<lb/> wurden muͤd, und hoͤrten auf. Aber das liebe<lb/> Paar tanzte noch eine halbe Viertelſtunde allein,<lb/> und die andern ſahen bewundernd, oder neidiſch<lb/> zu. — So iſts eine Freude, ſagte ſie, indem ſie<lb/> den Tanz ſchloſſen. Sie tanzen ſo raſch und ſo<lb/> leicht weg, daß man glaubt, man fliege. Er fuͤhr-<lb/> te ſie an eine Seitenbank, und ſtand vor ihr.<lb/> Sie ſind doch warm geworden, ſagte ſie, und kuͤhl-<lb/> te ihm mit dem Faͤcher das Geſicht. Er nahm<lb/> den Faͤcher, und kuͤhlte damit ſie und ſich. Sie<lb/> ſah nach ihm auf, wie eine Heilige zum Himmel.<lb/> Er nahm ihre Hand, und wendete das Geſicht<lb/> weg, denn ſein Auge glaͤnzte. Sie druͤckte ihm<lb/> die Hand; er kuͤſte ſie. Reden konnt’ er nicht,<lb/> ob er gleich ſich hin und her beſann, was er ſagen<lb/> wolle. Das iſt ein herrlicher Tag! fieng er end-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [670/0250]
ihn bey der Hand, ſah ihn halblaͤchelnd an, und
ſagte: Sie ſind ja ſo traurig und ſo nachdenklich?
Wollen Sie nicht mit mir tanzen? Jch kann
den Menſchen dort im gruͤnen Kleid gar nicht los
werden, und das iſt mir ſo verdruͤßlich. Kommen
Sie! Ein Schleifer! (So heiſt der eigentlich ſchwaͤ-
biſche Tanz.) Siegwart kuͤßte ihr im feurigen Ent-
zuͤcken die Hand, und huͤpfte mit ihr in den Rei-
hen. Sie tanzte herrlich ſchwaͤbiſch. Alle Paare
wurden muͤd, und hoͤrten auf. Aber das liebe
Paar tanzte noch eine halbe Viertelſtunde allein,
und die andern ſahen bewundernd, oder neidiſch
zu. — So iſts eine Freude, ſagte ſie, indem ſie
den Tanz ſchloſſen. Sie tanzen ſo raſch und ſo
leicht weg, daß man glaubt, man fliege. Er fuͤhr-
te ſie an eine Seitenbank, und ſtand vor ihr.
Sie ſind doch warm geworden, ſagte ſie, und kuͤhl-
te ihm mit dem Faͤcher das Geſicht. Er nahm
den Faͤcher, und kuͤhlte damit ſie und ſich. Sie
ſah nach ihm auf, wie eine Heilige zum Himmel.
Er nahm ihre Hand, und wendete das Geſicht
weg, denn ſein Auge glaͤnzte. Sie druͤckte ihm
die Hand; er kuͤſte ſie. Reden konnt’ er nicht,
ob er gleich ſich hin und her beſann, was er ſagen
wolle. Das iſt ein herrlicher Tag! fieng er end-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |