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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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aber es wollte sich nicht schicken. Kommen Sie
doch ja bold! -- Lieber Engel! sagte Siegwart
gantz ausser sich, und küßte ihr die Hand. -- Jch
habe noch den Geßner von Jhnen, sagte sie, nach
einiger Zeit; in drey oder vier Tagen sollen Sie
ihn haben. Jch habe viel herrliches drinn gefun-
den. Besonders hat mir sein Daphnis wohl gefal-
len. Unschuld und Liebe, wenn man die so wahr
geschildert sieht, da geht einem das Herz auf. Es
ist einem so wohl, daß man gleich ein Schäserwer-
den möchte. Jch habe solche Gemählde gern, wenn
sie gleich mehr schöne Träume, als Würklichkeiten
darstellen. Man sieht doch, was die Menschen
seyn könnten, und fühlt sich dabey. Jch würde
gern recht viel solche Bücher lesen, aber ich behalte
sie immer so lang zurück, denn mein Bruder fängt
sogleich an zu schmälen, wenn ich etwas lese, und
da thu ichs nur, wenn er nicht zu Haus ist. Wenn
Sie wieder einmal ein Buch eine Zeitlang entbeh-
ren können, so wollt ich Sie wohl darum bitten.
Siegwart war über diese Bitte sehr erfreut: und
versprach, ihr alle Bücher zu geben, die er von der
Art hätte. Dann fragte sie mit vielem Antheil
nach Theresen, und war bey seinen Erzählungen
von ihr sehr aufmerksam. Das wär ein Frauen-



aber es wollte ſich nicht ſchicken. Kommen Sie
doch ja bold! — Lieber Engel! ſagte Siegwart
gantz auſſer ſich, und kuͤßte ihr die Hand. — Jch
habe noch den Geßner von Jhnen, ſagte ſie, nach
einiger Zeit; in drey oder vier Tagen ſollen Sie
ihn haben. Jch habe viel herrliches drinn gefun-
den. Beſonders hat mir ſein Daphnis wohl gefal-
len. Unſchuld und Liebe, wenn man die ſo wahr
geſchildert ſieht, da geht einem das Herz auf. Es
iſt einem ſo wohl, daß man gleich ein Schaͤſerwer-
den moͤchte. Jch habe ſolche Gemaͤhlde gern, wenn
ſie gleich mehr ſchoͤne Traͤume, als Wuͤrklichkeiten
darſtellen. Man ſieht doch, was die Menſchen
ſeyn koͤnnten, und fuͤhlt ſich dabey. Jch wuͤrde
gern recht viel ſolche Buͤcher leſen, aber ich behalte
ſie immer ſo lang zuruͤck, denn mein Bruder faͤngt
ſogleich an zu ſchmaͤlen, wenn ich etwas leſe, und
da thu ichs nur, wenn er nicht zu Haus iſt. Wenn
Sie wieder einmal ein Buch eine Zeitlang entbeh-
ren koͤnnen, ſo wollt ich Sie wohl darum bitten.
Siegwart war uͤber dieſe Bitte ſehr erfreut: und
verſprach, ihr alle Buͤcher zu geben, die er von der
Art haͤtte. Dann fragte ſie mit vielem Antheil
nach Thereſen, und war bey ſeinen Erzaͤhlungen
von ihr ſehr aufmerkſam. Das waͤr ein Frauen-

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[673/0253] aber es wollte ſich nicht ſchicken. Kommen Sie doch ja bold! — Lieber Engel! ſagte Siegwart gantz auſſer ſich, und kuͤßte ihr die Hand. — Jch habe noch den Geßner von Jhnen, ſagte ſie, nach einiger Zeit; in drey oder vier Tagen ſollen Sie ihn haben. Jch habe viel herrliches drinn gefun- den. Beſonders hat mir ſein Daphnis wohl gefal- len. Unſchuld und Liebe, wenn man die ſo wahr geſchildert ſieht, da geht einem das Herz auf. Es iſt einem ſo wohl, daß man gleich ein Schaͤſerwer- den moͤchte. Jch habe ſolche Gemaͤhlde gern, wenn ſie gleich mehr ſchoͤne Traͤume, als Wuͤrklichkeiten darſtellen. Man ſieht doch, was die Menſchen ſeyn koͤnnten, und fuͤhlt ſich dabey. Jch wuͤrde gern recht viel ſolche Buͤcher leſen, aber ich behalte ſie immer ſo lang zuruͤck, denn mein Bruder faͤngt ſogleich an zu ſchmaͤlen, wenn ich etwas leſe, und da thu ichs nur, wenn er nicht zu Haus iſt. Wenn Sie wieder einmal ein Buch eine Zeitlang entbeh- ren koͤnnen, ſo wollt ich Sie wohl darum bitten. Siegwart war uͤber dieſe Bitte ſehr erfreut: und verſprach, ihr alle Buͤcher zu geben, die er von der Art haͤtte. Dann fragte ſie mit vielem Antheil nach Thereſen, und war bey ſeinen Erzaͤhlungen von ihr ſehr aufmerkſam. Das waͤr ein Frauen-

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 673. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/253>, abgerufen am 21.11.2024.