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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Jch wollt ihm dienen, daß er mir wie seinem Kind
trauen könnte. Ehrlich währt am längsten. Das
hab ich noch von meinem Vater gelernt, der war
auch Bedienter, bis er 70 Jahr alt war, und nicht
mehr dienen konnte. Drauf zog er seine 44 Kreu-
zer heraus, und zählte 32 davon ab, die er, wie
er sagte, noch dem Jäger schuldig war für ein Ge-
bethbuch.

Kronhelm, der, wie Siegwart, von dem Schick-
sal des Bedienten sehr gerührt war, zog die Wir-
thin auf die Seite, und erkundigte sich bey ihr nach
ihm. Sie gab ihm mit der gutherzigsten Miene,
und mit vieler Wärme das Zeugniß eines frommen
und rechtschaffenen Menschen. Drauf gieng Kron-
helm zu dem Bedienten, der ihm, seiner guten,
ehrlichen Bildung wegen, gleich gefallen hatte, frag-
te ihn, was er monatlich fodre? und nahm ihn
zu seinem Bedienten an. Der Kerl war vor Freu-
den ganz ausser sich, und konnte kaum Worte fin-
den, seine Dankbarkeit auszudrücken. Kronhelm
sagte ihm, er soll sehen, daß er ein Pferd geliehen
kriege, um nach München mitzureiten; in einer
Viertelstunde kam er mit einem Pferd wieder.
Der Wirthin gab er das Geld für den Jäger, und
bat sie, alle gute Freund' im Dorf noch einmal zu



Jch wollt ihm dienen, daß er mir wie ſeinem Kind
trauen koͤnnte. Ehrlich waͤhrt am laͤngſten. Das
hab ich noch von meinem Vater gelernt, der war
auch Bedienter, bis er 70 Jahr alt war, und nicht
mehr dienen konnte. Drauf zog er ſeine 44 Kreu-
zer heraus, und zaͤhlte 32 davon ab, die er, wie
er ſagte, noch dem Jaͤger ſchuldig war fuͤr ein Ge-
bethbuch.

Kronhelm, der, wie Siegwart, von dem Schick-
ſal des Bedienten ſehr geruͤhrt war, zog die Wir-
thin auf die Seite, und erkundigte ſich bey ihr nach
ihm. Sie gab ihm mit der gutherzigſten Miene,
und mit vieler Waͤrme das Zeugniß eines frommen
und rechtſchaffenen Menſchen. Drauf gieng Kron-
helm zu dem Bedienten, der ihm, ſeiner guten,
ehrlichen Bildung wegen, gleich gefallen hatte, frag-
te ihn, was er monatlich fodre? und nahm ihn
zu ſeinem Bedienten an. Der Kerl war vor Freu-
den ganz auſſer ſich, und konnte kaum Worte fin-
den, ſeine Dankbarkeit auszudruͤcken. Kronhelm
ſagte ihm, er ſoll ſehen, daß er ein Pferd geliehen
kriege, um nach Muͤnchen mitzureiten; in einer
Viertelſtunde kam er mit einem Pferd wieder.
Der Wirthin gab er das Geld fuͤr den Jaͤger, und
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[719/0299] Jch wollt ihm dienen, daß er mir wie ſeinem Kind trauen koͤnnte. Ehrlich waͤhrt am laͤngſten. Das hab ich noch von meinem Vater gelernt, der war auch Bedienter, bis er 70 Jahr alt war, und nicht mehr dienen konnte. Drauf zog er ſeine 44 Kreu- zer heraus, und zaͤhlte 32 davon ab, die er, wie er ſagte, noch dem Jaͤger ſchuldig war fuͤr ein Ge- bethbuch. Kronhelm, der, wie Siegwart, von dem Schick- ſal des Bedienten ſehr geruͤhrt war, zog die Wir- thin auf die Seite, und erkundigte ſich bey ihr nach ihm. Sie gab ihm mit der gutherzigſten Miene, und mit vieler Waͤrme das Zeugniß eines frommen und rechtſchaffenen Menſchen. Drauf gieng Kron- helm zu dem Bedienten, der ihm, ſeiner guten, ehrlichen Bildung wegen, gleich gefallen hatte, frag- te ihn, was er monatlich fodre? und nahm ihn zu ſeinem Bedienten an. Der Kerl war vor Freu- den ganz auſſer ſich, und konnte kaum Worte fin- den, ſeine Dankbarkeit auszudruͤcken. Kronhelm ſagte ihm, er ſoll ſehen, daß er ein Pferd geliehen kriege, um nach Muͤnchen mitzureiten; in einer Viertelſtunde kam er mit einem Pferd wieder. Der Wirthin gab er das Geld fuͤr den Jaͤger, und bat ſie, alle gute Freund’ im Dorf noch einmal zu

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 719. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/299>, abgerufen am 22.11.2024.