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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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entbehren konnte, und doch keinen Menschen auf
der Welt wuste, dem er sich so ganz anvertrauen
könnte, denn mit Dahlmund war er nicht vertraut
genug. Nach vielen Thränen, und tausend aus-
gestoßnen Seufzern legte er sich endlich zu Bette.

Um 4 Uhr weckte ihn Kronhelm wieder, und
war so bewegt, daß er kein Wort sprechen konnte.
Sie tranken stillschweigend mit einander Kaffee,
packten das noch übrige zusammen, und reisten um
5 Uhr ab. Mariane trat in ihrem Nachtzeug ans
Fenster, grüßte Kronhelm noch einmal halb freund-
lich und halb traurig; auf ihren Siegwart warf
sie einen schmachtenden und liebevollen Blick. Vor
dem Thor fragte Siegwart: Weis sies, daß ich dich
nur etliche Stunden weit begleite, und heut wieder
zurückkomme? Ja, ich hab ihrs gestern gesagt, ant-
wortete Kronhelm. Weil Siegwart im Reiten ne-
ben der Kutsche nicht gut mit seinem Freunde spre-
chen konnte, so ließ er den Marx auf sein Pferd
sitzen, und setzte sich zu ihm hinein, denn jetzt, in
der freyen Luft, wurden ihre Herzen leichter, und
sie konnten eher mit einander sprechen. Jhre Un-
terhaltung war, wie natürlich, traurig. Jhre Blicke
sprachen mehr, als ihre Zunge. Grüß Theresen
tausendmal! sagte Kronhelm; schreib mir alles, was



entbehren konnte, und doch keinen Menſchen auf
der Welt wuſte, dem er ſich ſo ganz anvertrauen
koͤnnte, denn mit Dahlmund war er nicht vertraut
genug. Nach vielen Thraͤnen, und tauſend aus-
geſtoßnen Seufzern legte er ſich endlich zu Bette.

Um 4 Uhr weckte ihn Kronhelm wieder, und
war ſo bewegt, daß er kein Wort ſprechen konnte.
Sie tranken ſtillſchweigend mit einander Kaffee,
packten das noch uͤbrige zuſammen, und reiſten um
5 Uhr ab. Mariane trat in ihrem Nachtzeug ans
Fenſter, gruͤßte Kronhelm noch einmal halb freund-
lich und halb traurig; auf ihren Siegwart warf
ſie einen ſchmachtenden und liebevollen Blick. Vor
dem Thor fragte Siegwart: Weis ſies, daß ich dich
nur etliche Stunden weit begleite, und heut wieder
zuruͤckkomme? Ja, ich hab ihrs geſtern geſagt, ant-
wortete Kronhelm. Weil Siegwart im Reiten ne-
ben der Kutſche nicht gut mit ſeinem Freunde ſpre-
chen konnte, ſo ließ er den Marx auf ſein Pferd
ſitzen, und ſetzte ſich zu ihm hinein, denn jetzt, in
der freyen Luft, wurden ihre Herzen leichter, und
ſie konnten eher mit einander ſprechen. Jhre Un-
terhaltung war, wie natuͤrlich, traurig. Jhre Blicke
ſprachen mehr, als ihre Zunge. Gruͤß Thereſen
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[748/0328] entbehren konnte, und doch keinen Menſchen auf der Welt wuſte, dem er ſich ſo ganz anvertrauen koͤnnte, denn mit Dahlmund war er nicht vertraut genug. Nach vielen Thraͤnen, und tauſend aus- geſtoßnen Seufzern legte er ſich endlich zu Bette. Um 4 Uhr weckte ihn Kronhelm wieder, und war ſo bewegt, daß er kein Wort ſprechen konnte. Sie tranken ſtillſchweigend mit einander Kaffee, packten das noch uͤbrige zuſammen, und reiſten um 5 Uhr ab. Mariane trat in ihrem Nachtzeug ans Fenſter, gruͤßte Kronhelm noch einmal halb freund- lich und halb traurig; auf ihren Siegwart warf ſie einen ſchmachtenden und liebevollen Blick. Vor dem Thor fragte Siegwart: Weis ſies, daß ich dich nur etliche Stunden weit begleite, und heut wieder zuruͤckkomme? Ja, ich hab ihrs geſtern geſagt, ant- wortete Kronhelm. Weil Siegwart im Reiten ne- ben der Kutſche nicht gut mit ſeinem Freunde ſpre- chen konnte, ſo ließ er den Marx auf ſein Pferd ſitzen, und ſetzte ſich zu ihm hinein, denn jetzt, in der freyen Luft, wurden ihre Herzen leichter, und ſie konnten eher mit einander ſprechen. Jhre Un- terhaltung war, wie natuͤrlich, traurig. Jhre Blicke ſprachen mehr, als ihre Zunge. Gruͤß Thereſen tauſendmal! ſagte Kronhelm; ſchreib mir alles, was

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 748. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/328>, abgerufen am 22.11.2024.