bürgerliche Verfassung hat er Einfluß, und man kann ihn nicht ganz aus den Augen setzen. Mach er sich auf alles gefaßt, und bedenk er dieß zuerst, daß man durch Heftigkeit und Unbesonnenheit im- mer am wenigsten ausrichtet. Wenn er das gethan hat, was ihm möglich war, und was er, ohne seine Pflichten zu verletzen, thun konnte, dann überlaß er das Uebrige der Vorsehung, die nie ohne weise Güte handelt, wenn man sich ihr nicht selbst wider- setzt. Es kann, so unglaublich es ihm jetzt auch vorkommt, sein Glück seyn, wenn er Theresen nicht kriegt. Wenn ihr Besitz sein wahres Glück ist, so bekommt er sie gewiß. Stell er sich im Voraus al- les, auch das ärgste, was ihm begegnen kann, vor! So kommt ihm nichts unerwartet, und sein Herz wird weniger erschüttert. Jch sage nicht, daß er die Hofnung ganz sinken lassen soll. Hofnung nährt das Herz des Menschen, und ist nur dann schädlich, wenn wir sie zu tief wurzeln lassen, und Gewiß- heit aus ihr machen wollen. -- Kronhelm hörte zu; er fühlte, daß der Pater Recht hatte, aber die Wahrheiten waren ihm zu traurig; doch hielten sie ihn von der allzugrossen Heftigkeit zurück.
buͤrgerliche Verfaſſung hat er Einfluß, und man kann ihn nicht ganz aus den Augen ſetzen. Mach er ſich auf alles gefaßt, und bedenk er dieß zuerſt, daß man durch Heftigkeit und Unbeſonnenheit im- mer am wenigſten ausrichtet. Wenn er das gethan hat, was ihm moͤglich war, und was er, ohne ſeine Pflichten zu verletzen, thun konnte, dann uͤberlaß er das Uebrige der Vorſehung, die nie ohne weiſe Guͤte handelt, wenn man ſich ihr nicht ſelbſt wider- ſetzt. Es kann, ſo unglaublich es ihm jetzt auch vorkommt, ſein Gluͤck ſeyn, wenn er Thereſen nicht kriegt. Wenn ihr Beſitz ſein wahres Gluͤck iſt, ſo bekommt er ſie gewiß. Stell er ſich im Voraus al- les, auch das aͤrgſte, was ihm begegnen kann, vor! So kommt ihm nichts unerwartet, und ſein Herz wird weniger erſchuͤttert. Jch ſage nicht, daß er die Hofnung ganz ſinken laſſen ſoll. Hofnung naͤhrt das Herz des Menſchen, und iſt nur dann ſchaͤdlich, wenn wir ſie zu tief wurzeln laſſen, und Gewiß- heit aus ihr machen wollen. — Kronhelm hoͤrte zu; er fuͤhlte, daß der Pater Recht hatte, aber die Wahrheiten waren ihm zu traurig; doch hielten ſie ihn von der allzugroſſen Heftigkeit zuruͤck.
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buͤrgerliche Verfaſſung hat er Einfluß, und man
kann ihn nicht ganz aus den Augen ſetzen. Mach
er ſich auf alles gefaßt, und bedenk er dieß zuerſt,
daß man durch Heftigkeit und Unbeſonnenheit im-
mer am wenigſten ausrichtet. Wenn er das gethan
hat, was ihm moͤglich war, und was er, ohne ſeine
Pflichten zu verletzen, thun konnte, dann uͤberlaß er
das Uebrige der Vorſehung, die nie ohne weiſe
Guͤte handelt, wenn man ſich ihr nicht ſelbſt wider-
ſetzt. Es kann, ſo unglaublich es ihm jetzt auch
vorkommt, ſein Gluͤck ſeyn, wenn er Thereſen nicht
kriegt. Wenn ihr Beſitz ſein wahres Gluͤck iſt, ſo
bekommt er ſie gewiß. Stell er ſich im Voraus al-
les, auch das aͤrgſte, was ihm begegnen kann, vor!
So kommt ihm nichts unerwartet, und ſein Herz
wird weniger erſchuͤttert. Jch ſage nicht, daß er die
Hofnung ganz ſinken laſſen ſoll. Hofnung naͤhrt
das Herz des Menſchen, und iſt nur dann ſchaͤdlich,
wenn wir ſie zu tief wurzeln laſſen, und Gewiß-
heit aus ihr machen wollen. — Kronhelm hoͤrte
zu; er fuͤhlte, daß der Pater Recht hatte, aber die
Wahrheiten waren ihm zu traurig; doch hielten
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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