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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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der die Hofräthin zum Tanz aufzog, machte dem
Gespräch ein Ende. Er blieb sitzen, und sah seine
Mariane in einiger Entfernung von ihm, tanzen.
Jhre Augen waren viel auf ihn gerichtet; oft,
wenn sie glaubte, daß es niemand merkte, lächelte
sie ihm zu. Jhm wars, wie wenn ein Sonnen-
blick im Frühling auf die Flur fällt.

Als der Student, mit dem Sie tanzte, ihr, beym
Schluß der Menuet, die Hand küßte, da fuhr
ihms wie ein Dolch durchs Herz. Er ward feuer-
roth, und gleich drauf traurig; denn er hatte viel,
fast zu viel Anlage zur Eifersucht. Der freund-
liche Blick, mit dem sie dem Studenten dankte,
machte tausend Empfindungen in ihm rege. Er
glaubte, Liebe drinn entdeckt zu haben, so unwahr-
scheinlich und ungegründet dieß auch war. Die
Vernunft mochte ihm auch tausendmal sagen, daß
er sich selbst ohne Ursach kränke, und Maria-
nen Unrecht thue, er konnte sich und seine Un-
ruhe doch nicht gnug bekämpfen. Mariane merkte
dieses wohl, und setzte sich, als er ins Zimmer ge-
gangen war, zu ihm. Sie blickte ihn zärtlich an,
und nun kam die Heiterkeit auf Einmal in sein
Aug, und in sein Herz zurück. Er sah die Falsch-
heit seines Argwohns ein, machte sich selbst bittre



der die Hofraͤthin zum Tanz aufzog, machte dem
Geſpraͤch ein Ende. Er blieb ſitzen, und ſah ſeine
Mariane in einiger Entfernung von ihm, tanzen.
Jhre Augen waren viel auf ihn gerichtet; oft,
wenn ſie glaubte, daß es niemand merkte, laͤchelte
ſie ihm zu. Jhm wars, wie wenn ein Sonnen-
blick im Fruͤhling auf die Flur faͤllt.

Als der Student, mit dem Sie tanzte, ihr, beym
Schluß der Menuet, die Hand kuͤßte, da fuhr
ihms wie ein Dolch durchs Herz. Er ward feuer-
roth, und gleich drauf traurig; denn er hatte viel,
faſt zu viel Anlage zur Eiferſucht. Der freund-
liche Blick, mit dem ſie dem Studenten dankte,
machte tauſend Empfindungen in ihm rege. Er
glaubte, Liebe drinn entdeckt zu haben, ſo unwahr-
ſcheinlich und ungegruͤndet dieß auch war. Die
Vernunft mochte ihm auch tauſendmal ſagen, daß
er ſich ſelbſt ohne Urſach kraͤnke, und Maria-
nen Unrecht thue, er konnte ſich und ſeine Un-
ruhe doch nicht gnug bekaͤmpfen. Mariane merkte
dieſes wohl, und ſetzte ſich, als er ins Zimmer ge-
gangen war, zu ihm. Sie blickte ihn zaͤrtlich an,
und nun kam die Heiterkeit auf Einmal in ſein
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[817/0397] der die Hofraͤthin zum Tanz aufzog, machte dem Geſpraͤch ein Ende. Er blieb ſitzen, und ſah ſeine Mariane in einiger Entfernung von ihm, tanzen. Jhre Augen waren viel auf ihn gerichtet; oft, wenn ſie glaubte, daß es niemand merkte, laͤchelte ſie ihm zu. Jhm wars, wie wenn ein Sonnen- blick im Fruͤhling auf die Flur faͤllt. Als der Student, mit dem Sie tanzte, ihr, beym Schluß der Menuet, die Hand kuͤßte, da fuhr ihms wie ein Dolch durchs Herz. Er ward feuer- roth, und gleich drauf traurig; denn er hatte viel, faſt zu viel Anlage zur Eiferſucht. Der freund- liche Blick, mit dem ſie dem Studenten dankte, machte tauſend Empfindungen in ihm rege. Er glaubte, Liebe drinn entdeckt zu haben, ſo unwahr- ſcheinlich und ungegruͤndet dieß auch war. Die Vernunft mochte ihm auch tauſendmal ſagen, daß er ſich ſelbſt ohne Urſach kraͤnke, und Maria- nen Unrecht thue, er konnte ſich und ſeine Un- ruhe doch nicht gnug bekaͤmpfen. Mariane merkte dieſes wohl, und ſetzte ſich, als er ins Zimmer ge- gangen war, zu ihm. Sie blickte ihn zaͤrtlich an, und nun kam die Heiterkeit auf Einmal in ſein Aug, und in ſein Herz zuruͤck. Er ſah die Falſch- heit ſeines Argwohns ein, machte ſich ſelbſt bittre

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 817. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/397>, abgerufen am 22.11.2024.