Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite



Leute| sahen einander voll Verwunderung an, weil
sie nicht wusten, was das wäre? Ein Bauerkerl
sah besonders neugierig zu, und bückte sich ganz
über den Tisch herum. Weis er nicht, was das
ist? sagte Siegwart; und auf die Antwort: Nein,
machte er das Uhrgehäuse auf, und setzte sich zu
ihnen. Die Knechte und Mägde wusten nicht,
wie sie ihre Verwunderung über das künstliche Ge-
mächte genug an den Tag legen sollten. Sie glaub-
ten, es gieng ohne Zauberey nicht zu, daß sich die
kleinen Räder alle so von selbst bewegten. So
eine Uhr, glaubten sie, wäre wol viel Jauchert Ak-
kers werth. Anne brachte nun in einer kleinern
Pfanne, Brey für Siegwart. Das Gesinde gieng
indessen mit Thomas ins Feld hinaus zur Heu-
erndte. Anne war sehr gesprächig und sehr neu-
gierig. Sie that von fern allerley Fragen, um etwas
von Siegwarts Stand und Umständen zu erfahren.
Er sagte, daß er die Frau Held, die seine Base sey,
besucht habe. Nun brach die Bäurin in Lobeserhe-
bungen der Frau Held aus, daß sie so fromm und
gutthätig gegen die Armen sey, und mit jedem
Bauersweibe spreche, als ob sie selbst nicht viel
mehr wäre. Sie war auch schon einmal bey mir,
sagte sie, als ich vor einem Jahr im Kindbett lag,
und so krank war. Jch hatte da so starke Hitzen,



Leute| ſahen einander voll Verwunderung an, weil
ſie nicht wuſten, was das waͤre? Ein Bauerkerl
ſah beſonders neugierig zu, und buͤckte ſich ganz
uͤber den Tiſch herum. Weis er nicht, was das
iſt? ſagte Siegwart; und auf die Antwort: Nein,
machte er das Uhrgehaͤuſe auf, und ſetzte ſich zu
ihnen. Die Knechte und Maͤgde wuſten nicht,
wie ſie ihre Verwunderung uͤber das kuͤnſtliche Ge-
maͤchte genug an den Tag legen ſollten. Sie glaub-
ten, es gieng ohne Zauberey nicht zu, daß ſich die
kleinen Raͤder alle ſo von ſelbſt bewegten. So
eine Uhr, glaubten ſie, waͤre wol viel Jauchert Ak-
kers werth. Anne brachte nun in einer kleinern
Pfanne, Brey fuͤr Siegwart. Das Geſinde gieng
indeſſen mit Thomas ins Feld hinaus zur Heu-
erndte. Anne war ſehr geſpraͤchig und ſehr neu-
gierig. Sie that von fern allerley Fragen, um etwas
von Siegwarts Stand und Umſtaͤnden zu erfahren.
Er ſagte, daß er die Frau Held, die ſeine Baſe ſey,
beſucht habe. Nun brach die Baͤurin in Lobeserhe-
bungen der Frau Held aus, daß ſie ſo fromm und
gutthaͤtig gegen die Armen ſey, und mit jedem
Bauersweibe ſpreche, als ob ſie ſelbſt nicht viel
mehr waͤre. Sie war auch ſchon einmal bey mir,
ſagte ſie, als ich vor einem Jahr im Kindbett lag,
und ſo krank war. Jch hatte da ſo ſtarke Hitzen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0431" n="851"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Leute| &#x017F;ahen einander voll Verwunderung an, weil<lb/>
&#x017F;ie nicht wu&#x017F;ten, was das wa&#x0364;re? Ein Bauerkerl<lb/>
&#x017F;ah be&#x017F;onders neugierig zu, und bu&#x0364;ckte &#x017F;ich ganz<lb/>
u&#x0364;ber den Ti&#x017F;ch herum. Weis er nicht, was das<lb/>
i&#x017F;t? &#x017F;agte Siegwart; und auf die Antwort: Nein,<lb/>
machte er das Uhrgeha&#x0364;u&#x017F;e auf, und &#x017F;etzte &#x017F;ich zu<lb/>
ihnen. Die Knechte und Ma&#x0364;gde wu&#x017F;ten nicht,<lb/>
wie &#x017F;ie ihre Verwunderung u&#x0364;ber das ku&#x0364;n&#x017F;tliche Ge-<lb/>
ma&#x0364;chte genug an den Tag legen &#x017F;ollten. Sie glaub-<lb/>
ten, es gieng ohne Zauberey nicht zu, daß &#x017F;ich die<lb/>
kleinen Ra&#x0364;der alle &#x017F;o von &#x017F;elb&#x017F;t bewegten. So<lb/>
eine Uhr, glaubten &#x017F;ie, wa&#x0364;re wol viel Jauchert Ak-<lb/>
kers werth. Anne brachte nun in einer kleinern<lb/>
Pfanne, Brey fu&#x0364;r Siegwart. Das Ge&#x017F;inde gieng<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en mit Thomas ins Feld hinaus zur Heu-<lb/>
erndte. Anne war &#x017F;ehr ge&#x017F;pra&#x0364;chig und &#x017F;ehr neu-<lb/>
gierig. Sie that von fern allerley Fragen, um etwas<lb/>
von Siegwarts Stand und Um&#x017F;ta&#x0364;nden zu erfahren.<lb/>
Er &#x017F;agte, daß er die Frau Held, die &#x017F;eine Ba&#x017F;e &#x017F;ey,<lb/>
be&#x017F;ucht habe. Nun brach die Ba&#x0364;urin in Lobeserhe-<lb/>
bungen der Frau Held aus, daß &#x017F;ie &#x017F;o fromm und<lb/>
guttha&#x0364;tig gegen die Armen &#x017F;ey, und mit jedem<lb/>
Bauersweibe &#x017F;preche, als ob &#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t nicht viel<lb/>
mehr wa&#x0364;re. Sie war auch &#x017F;chon einmal bey mir,<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie, als ich vor einem Jahr im Kindbett lag,<lb/>
und &#x017F;o krank war. Jch hatte da &#x017F;o &#x017F;tarke Hitzen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[851/0431] Leute| ſahen einander voll Verwunderung an, weil ſie nicht wuſten, was das waͤre? Ein Bauerkerl ſah beſonders neugierig zu, und buͤckte ſich ganz uͤber den Tiſch herum. Weis er nicht, was das iſt? ſagte Siegwart; und auf die Antwort: Nein, machte er das Uhrgehaͤuſe auf, und ſetzte ſich zu ihnen. Die Knechte und Maͤgde wuſten nicht, wie ſie ihre Verwunderung uͤber das kuͤnſtliche Ge- maͤchte genug an den Tag legen ſollten. Sie glaub- ten, es gieng ohne Zauberey nicht zu, daß ſich die kleinen Raͤder alle ſo von ſelbſt bewegten. So eine Uhr, glaubten ſie, waͤre wol viel Jauchert Ak- kers werth. Anne brachte nun in einer kleinern Pfanne, Brey fuͤr Siegwart. Das Geſinde gieng indeſſen mit Thomas ins Feld hinaus zur Heu- erndte. Anne war ſehr geſpraͤchig und ſehr neu- gierig. Sie that von fern allerley Fragen, um etwas von Siegwarts Stand und Umſtaͤnden zu erfahren. Er ſagte, daß er die Frau Held, die ſeine Baſe ſey, beſucht habe. Nun brach die Baͤurin in Lobeserhe- bungen der Frau Held aus, daß ſie ſo fromm und gutthaͤtig gegen die Armen ſey, und mit jedem Bauersweibe ſpreche, als ob ſie ſelbſt nicht viel mehr waͤre. Sie war auch ſchon einmal bey mir, ſagte ſie, als ich vor einem Jahr im Kindbett lag, und ſo krank war. Jch hatte da ſo ſtarke Hitzen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/431
Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 851. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/431>, abgerufen am 22.11.2024.