Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.hinaus gehen können. Sein Barometer, den er jede Viertelstunde besah, fiel immer tiefer, und endlich brach um zwölf Uhr ein heftiges Gewitter los, das mit Hagel und Schlossen begleitet war. Er war darüber sehr betrübt, hoffte aber immer, es würde sich noch aufheitern. Jede Wasserhelle hielt er für klaren Himmel, und sah dann mit Mis- vergnügen wieder neue Wolken aufsteigen. Einmal zog er sich schon an, um wegzugehen, weil der Him- mel etwas hell ward; aber, als er aus dem Hause wollte, kam ein neuer heftiger Gewitterschauer; und so giengs den ganzen Abend fort; bis er endlich, wider seinen Willen, sich entschliessen mußte, da zu bleiben. Er stellte sich immer vor, wie sie auf ihn warten würden, und machte sich dann selber wieder Vorwürfe, daß er doch nicht, trotz dem Wetter, hinausgegangen sey. Der ganze Abend war ihm lästig und langweilig; er konnte nichts lesen, und nichts denken. Mariane, mit ihrer ländlichen Gesellschaft war sein einziger Gedanke, bis Dahlmund, ihn zu besuchen, kam. Dieser fragte ihn, wo er doch gewesen sey? Er hab ihn so lang schon nicht gesehen. Siegwart antwor- tete, er sey bey Frau Held gewesen. -- Bey Frau Held? sagte Dahlmund hastig; von der hab ich hinaus gehen koͤnnen. Sein Barometer, den er jede Viertelſtunde beſah, fiel immer tiefer, und endlich brach um zwoͤlf Uhr ein heftiges Gewitter los, das mit Hagel und Schloſſen begleitet war. Er war daruͤber ſehr betruͤbt, hoffte aber immer, es wuͤrde ſich noch aufheitern. Jede Waſſerhelle hielt er fuͤr klaren Himmel, und ſah dann mit Mis- vergnuͤgen wieder neue Wolken aufſteigen. Einmal zog er ſich ſchon an, um wegzugehen, weil der Him- mel etwas hell ward; aber, als er aus dem Hauſe wollte, kam ein neuer heftiger Gewitterſchauer; und ſo giengs den ganzen Abend fort; bis er endlich, wider ſeinen Willen, ſich entſchlieſſen mußte, da zu bleiben. Er ſtellte ſich immer vor, wie ſie auf ihn warten wuͤrden, und machte ſich dann ſelber wieder Vorwuͤrfe, daß er doch nicht, trotz dem Wetter, hinausgegangen ſey. Der ganze Abend war ihm laͤſtig und langweilig; er konnte nichts leſen, und nichts denken. Mariane, mit ihrer laͤndlichen Geſellſchaft war ſein einziger Gedanke, bis Dahlmund, ihn zu beſuchen, kam. Dieſer fragte ihn, wo er doch geweſen ſey? Er hab ihn ſo lang ſchon nicht geſehen. Siegwart antwor- tete, er ſey bey Frau Held geweſen. — Bey Frau Held? ſagte Dahlmund haſtig; von der hab ich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0434" n="854"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> hinaus gehen koͤnnen. Sein Barometer, den er<lb/> jede Viertelſtunde beſah, fiel immer tiefer, und<lb/> endlich brach um zwoͤlf Uhr ein heftiges Gewitter<lb/> los, das mit Hagel und Schloſſen begleitet war.<lb/> Er war daruͤber ſehr betruͤbt, hoffte aber immer,<lb/> es wuͤrde ſich noch aufheitern. Jede Waſſerhelle<lb/> hielt er fuͤr klaren Himmel, und ſah dann mit Mis-<lb/> vergnuͤgen wieder neue Wolken aufſteigen. Einmal<lb/> zog er ſich ſchon an, um wegzugehen, weil der Him-<lb/> mel etwas hell ward; aber, als er aus dem Hauſe<lb/> wollte, kam ein neuer heftiger Gewitterſchauer; und<lb/> ſo giengs den ganzen Abend fort; bis er endlich,<lb/> wider ſeinen Willen, ſich entſchlieſſen mußte, da<lb/> zu bleiben. Er ſtellte ſich immer vor, wie ſie auf<lb/> ihn warten wuͤrden, und machte ſich dann ſelber<lb/> wieder Vorwuͤrfe, daß er doch nicht, trotz dem<lb/> Wetter, hinausgegangen ſey. Der ganze Abend<lb/> war ihm laͤſtig und langweilig; er konnte nichts<lb/> leſen, und nichts denken. Mariane, mit ihrer<lb/> laͤndlichen Geſellſchaft war ſein einziger Gedanke,<lb/> bis Dahlmund, ihn zu beſuchen, kam. Dieſer<lb/> fragte ihn, wo er doch geweſen ſey? Er hab<lb/> ihn ſo lang ſchon nicht geſehen. Siegwart antwor-<lb/> tete, er ſey bey Frau Held geweſen. — Bey Frau<lb/> Held? ſagte Dahlmund haſtig; von der hab ich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [854/0434]
hinaus gehen koͤnnen. Sein Barometer, den er
jede Viertelſtunde beſah, fiel immer tiefer, und
endlich brach um zwoͤlf Uhr ein heftiges Gewitter
los, das mit Hagel und Schloſſen begleitet war.
Er war daruͤber ſehr betruͤbt, hoffte aber immer,
es wuͤrde ſich noch aufheitern. Jede Waſſerhelle
hielt er fuͤr klaren Himmel, und ſah dann mit Mis-
vergnuͤgen wieder neue Wolken aufſteigen. Einmal
zog er ſich ſchon an, um wegzugehen, weil der Him-
mel etwas hell ward; aber, als er aus dem Hauſe
wollte, kam ein neuer heftiger Gewitterſchauer; und
ſo giengs den ganzen Abend fort; bis er endlich,
wider ſeinen Willen, ſich entſchlieſſen mußte, da
zu bleiben. Er ſtellte ſich immer vor, wie ſie auf
ihn warten wuͤrden, und machte ſich dann ſelber
wieder Vorwuͤrfe, daß er doch nicht, trotz dem
Wetter, hinausgegangen ſey. Der ganze Abend
war ihm laͤſtig und langweilig; er konnte nichts
leſen, und nichts denken. Mariane, mit ihrer
laͤndlichen Geſellſchaft war ſein einziger Gedanke,
bis Dahlmund, ihn zu beſuchen, kam. Dieſer
fragte ihn, wo er doch geweſen ſey? Er hab
ihn ſo lang ſchon nicht geſehen. Siegwart antwor-
tete, er ſey bey Frau Held geweſen. — Bey Frau
Held? ſagte Dahlmund haſtig; von der hab ich
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