Man aß, wegen Siegwarts Abreise früher, und um zwölf Uhr ritt er weg, nachdem er von seinen Lieben mit tausend Thränen Abschied genommen hatte. Mariane, und das Glück, sie morgen wieder zu sehen, war der Gedanke, der ihn auf dem ganzen Weg begleitete. Als es Nacht wurde, stellte er in einer Dorfschenke ein. Er hatte keine Ruhe, weil er stets an Marianen dachte, und schlafen konnte er auch sogleich nicht. Er gieng also in den, an das Wirthshaus stossenden, schönen Baumgarten. Der Mond schien trüb; er sah zu ihm auf, und machte folgendes Gedicht, das er nachher auf der Stube in seine Schreibtafel schrieb:
An den Mond.
Meine Seele lebt nicht hier! Sie ist hingewandelt zu der Trauten, Die nun ewig mein ist!
Sag, o Hauch des Abends mir, (Du umwehtest sie mit deinen Schwingen) Wo sie jetzo wandelt?
Stark liebt ihre Seel', und treu! Weint ihr Aug jetzt, daß ihr Lieber fern ist? Sag mirs, Hauch des Abends!
Man aß, wegen Siegwarts Abreiſe fruͤher, und um zwoͤlf Uhr ritt er weg, nachdem er von ſeinen Lieben mit tauſend Thraͤnen Abſchied genommen hatte. Mariane, und das Gluͤck, ſie morgen wieder zu ſehen, war der Gedanke, der ihn auf dem ganzen Weg begleitete. Als es Nacht wurde, ſtellte er in einer Dorfſchenke ein. Er hatte keine Ruhe, weil er ſtets an Marianen dachte, und ſchlafen konnte er auch ſogleich nicht. Er gieng alſo in den, an das Wirthshaus ſtoſſenden, ſchoͤnen Baumgarten. Der Mond ſchien truͤb; er ſah zu ihm auf, und machte folgendes Gedicht, das er nachher auf der Stube in ſeine Schreibtafel ſchrieb:
An den Mond.
Meine Seele lebt nicht hier! Sie iſt hingewandelt zu der Trauten, Die nun ewig mein iſt!
Sag, o Hauch des Abends mir, (Du umwehteſt ſie mit deinen Schwingen) Wo ſie jetzo wandelt?
Stark liebt ihre Seel’, und treu! Weint ihr Aug jetzt, daß ihr Lieber fern iſt? Sag mirs, Hauch des Abends!
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Man aß, wegen Siegwarts Abreiſe fruͤher, und
um zwoͤlf Uhr ritt er weg, nachdem er von ſeinen
Lieben mit tauſend Thraͤnen Abſchied genommen
hatte. Mariane, und das Gluͤck, ſie morgen
wieder zu ſehen, war der Gedanke, der ihn auf
dem ganzen Weg begleitete. Als es Nacht wurde,
ſtellte er in einer Dorfſchenke ein. Er hatte keine
Ruhe, weil er ſtets an Marianen dachte, und
ſchlafen konnte er auch ſogleich nicht. Er gieng alſo
in den, an das Wirthshaus ſtoſſenden, ſchoͤnen
Baumgarten. Der Mond ſchien truͤb; er ſah zu
ihm auf, und machte folgendes Gedicht, das er
nachher auf der Stube in ſeine Schreibtafel ſchrieb:
An den Mond.
Meine Seele lebt nicht hier!
Sie iſt hingewandelt zu der Trauten,
Die nun ewig mein iſt!
Sag, o Hauch des Abends mir,
(Du umwehteſt ſie mit deinen Schwingen)
Wo ſie jetzo wandelt?
Stark liebt ihre Seel’, und treu!
Weint ihr Aug jetzt, daß ihr Lieber fern iſt?
Sag mirs, Hauch des Abends!
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 897. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/477>, abgerufen am 24.11.2024.
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