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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Jch fühle mich gestärkt, mein Geliebtester! Jn
einer halben Stunde muß ich hinunter. Jch hoffe
standhaft zu seyn, denn ich weiß, ich hab eine gu-
te Sache. Jch will noch einmal bethen.


Zween fürchterliche Kämpfe hab ich ausgestan-
den, mein Geliebtester! Mich wundert nur, daß
ich noch lebe. Um 11 Uhr ward ich durch den
Bedienten hinabgerufen. Der arme Mensch hat-
te ganz verweinte Augen. Nun wie stehts? sagte
mein Vater. Jst man nun vernünftiger? Willst
du dich geben? Noch ists Zeit. Willst du den Hof-
rath? Jch sah ihn bittend an. Keine Antwort?
Also ja? -- Verzeihen Sie, mein Vater! Jch kann
nicht! -- Was? rief er, noch immer auf dem al-
ten Kopf? Fort! Hinauf mit ihr. Jch schwör
dirs; auf den Nachmittag um 2 Uhr ist die letzte
Zeit. Besinn dich wohl! Wenn du dann nicht Ja
sagst, so ists vorbey. Dann magst du sehen, wie
dirs geht! Dein Vater bin ich nicht mehr! Schließt
sie ein oben! Fort mir, aus dem Gesicht, Hure! --
Meine Mutter sagte mir unter der Thüre: Um
Gotteswillen, besinn dich! Wir sind alle sonst
verlohren! Der Bediente schloß mich auf die
Kammer.



Jch fuͤhle mich geſtaͤrkt, mein Geliebteſter! Jn
einer halben Stunde muß ich hinunter. Jch hoffe
ſtandhaft zu ſeyn, denn ich weiß, ich hab eine gu-
te Sache. Jch will noch einmal bethen.


Zween fuͤrchterliche Kaͤmpfe hab ich ausgeſtan-
den, mein Geliebteſter! Mich wundert nur, daß
ich noch lebe. Um 11 Uhr ward ich durch den
Bedienten hinabgerufen. Der arme Menſch hat-
te ganz verweinte Augen. Nun wie ſtehts? ſagte
mein Vater. Jſt man nun vernuͤnftiger? Willſt
du dich geben? Noch iſts Zeit. Willſt du den Hof-
rath? Jch ſah ihn bittend an. Keine Antwort?
Alſo ja? — Verzeihen Sie, mein Vater! Jch kann
nicht! — Was? rief er, noch immer auf dem al-
ten Kopf? Fort! Hinauf mit ihr. Jch ſchwoͤr
dirs; auf den Nachmittag um 2 Uhr iſt die letzte
Zeit. Beſinn dich wohl! Wenn du dann nicht Ja
ſagſt, ſo iſts vorbey. Dann magſt du ſehen, wie
dirs geht! Dein Vater bin ich nicht mehr! Schließt
ſie ein oben! Fort mir, aus dem Geſicht, Hure! —
Meine Mutter ſagte mir unter der Thuͤre: Um
Gotteswillen, beſinn dich! Wir ſind alle ſonſt
verlohren! Der Bediente ſchloß mich auf die
Kammer.

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[906/0486] Jch fuͤhle mich geſtaͤrkt, mein Geliebteſter! Jn einer halben Stunde muß ich hinunter. Jch hoffe ſtandhaft zu ſeyn, denn ich weiß, ich hab eine gu- te Sache. Jch will noch einmal bethen. Nachmittags um 5 Uhr. Zween fuͤrchterliche Kaͤmpfe hab ich ausgeſtan- den, mein Geliebteſter! Mich wundert nur, daß ich noch lebe. Um 11 Uhr ward ich durch den Bedienten hinabgerufen. Der arme Menſch hat- te ganz verweinte Augen. Nun wie ſtehts? ſagte mein Vater. Jſt man nun vernuͤnftiger? Willſt du dich geben? Noch iſts Zeit. Willſt du den Hof- rath? Jch ſah ihn bittend an. Keine Antwort? Alſo ja? — Verzeihen Sie, mein Vater! Jch kann nicht! — Was? rief er, noch immer auf dem al- ten Kopf? Fort! Hinauf mit ihr. Jch ſchwoͤr dirs; auf den Nachmittag um 2 Uhr iſt die letzte Zeit. Beſinn dich wohl! Wenn du dann nicht Ja ſagſt, ſo iſts vorbey. Dann magſt du ſehen, wie dirs geht! Dein Vater bin ich nicht mehr! Schließt ſie ein oben! Fort mir, aus dem Geſicht, Hure! — Meine Mutter ſagte mir unter der Thuͤre: Um Gotteswillen, beſinn dich! Wir ſind alle ſonſt verlohren! Der Bediente ſchloß mich auf die Kammer.

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 906. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/486>, abgerufen am 24.11.2024.