hatte, gieng er zu Dahlmund, kam aber, weil er ihn nicht zu Haus angetroffen hatte, nach einer halben Viertelstunde wieder nach Haus. Er wünschte sich nun keine Wohlthat, als jemand zu haben, in dessen Busen er seinen Schmerz ausschütten, und mit dem er gewissermaßen seinen Jammer theilen könnte; aber keine solche Seele war für ihn in Jngolstadt. Es fiel ihm ein, daß der geheime Rath von Kronhelm versprochen habe, ihm eine ansehnliche Bedienung zu verschaffen. Vielleicht, dachte er, stimmt dieses den Hofrath Fischer um. Ohne sich erst lange zu bedenken, gieng er aus dem Haus, und ließ sich bey dem Hofrath melden, mit dem Anhang: Er habe viel wichtiges mit ihm zu reden. Der Bediente kam wieder mit dem Auf- trag: Der Herr Hofrath müsse sich erstaunlich wundern, wie er sich noch unterstehen könne, ihm unter die Augen treten zu wollen, da er wis- se, wie schlecht er sich gegen ihn betragen habe. Er möchte sich ja in Acht nehmen, und dem Herrn Hofrath nicht zu nahe kommen! Es könnte schlim- me Folgen für ihn haben. Der Herr Hosrath werd ihn nie anhören. Er habe nichts mit einem solchen Menschen zu reden, und das rathsamste wäre, wenn er sich recht bald von Jngolstadt weg
hatte, gieng er zu Dahlmund, kam aber, weil er ihn nicht zu Haus angetroffen hatte, nach einer halben Viertelſtunde wieder nach Haus. Er wuͤnſchte ſich nun keine Wohlthat, als jemand zu haben, in deſſen Buſen er ſeinen Schmerz ausſchuͤtten, und mit dem er gewiſſermaßen ſeinen Jammer theilen koͤnnte; aber keine ſolche Seele war fuͤr ihn in Jngolſtadt. Es fiel ihm ein, daß der geheime Rath von Kronhelm verſprochen habe, ihm eine anſehnliche Bedienung zu verſchaffen. Vielleicht, dachte er, ſtimmt dieſes den Hofrath Fiſcher um. Ohne ſich erſt lange zu bedenken, gieng er aus dem Haus, und ließ ſich bey dem Hofrath melden, mit dem Anhang: Er habe viel wichtiges mit ihm zu reden. Der Bediente kam wieder mit dem Auf- trag: Der Herr Hofrath muͤſſe ſich erſtaunlich wundern, wie er ſich noch unterſtehen koͤnne, ihm unter die Augen treten zu wollen, da er wiſ- ſe, wie ſchlecht er ſich gegen ihn betragen habe. Er moͤchte ſich ja in Acht nehmen, und dem Herrn Hofrath nicht zu nahe kommen! Es koͤnnte ſchlim- me Folgen fuͤr ihn haben. Der Herr Hoſrath werd ihn nie anhoͤren. Er habe nichts mit einem ſolchen Menſchen zu reden, und das rathſamſte waͤre, wenn er ſich recht bald von Jngolſtadt weg
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0504"n="924"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
hatte, gieng er zu Dahlmund, kam aber, weil<lb/>
er ihn nicht zu Haus angetroffen hatte, nach einer<lb/>
halben Viertelſtunde wieder nach Haus. Er wuͤnſchte<lb/>ſich nun keine Wohlthat, als jemand zu haben, in<lb/>
deſſen Buſen er ſeinen Schmerz ausſchuͤtten, und<lb/>
mit dem er gewiſſermaßen ſeinen Jammer theilen<lb/>
koͤnnte; aber keine ſolche Seele war fuͤr ihn in<lb/>
Jngolſtadt. Es fiel ihm ein, daß der geheime<lb/>
Rath von Kronhelm verſprochen habe, ihm eine<lb/>
anſehnliche Bedienung zu verſchaffen. Vielleicht,<lb/>
dachte er, ſtimmt dieſes den Hofrath Fiſcher um.<lb/>
Ohne ſich erſt lange zu bedenken, gieng er aus dem<lb/>
Haus, und ließ ſich bey dem Hofrath melden, mit<lb/>
dem Anhang: Er habe viel wichtiges mit ihm zu<lb/>
reden. Der Bediente kam wieder mit dem Auf-<lb/>
trag: Der Herr Hofrath muͤſſe ſich erſtaunlich<lb/>
wundern, wie er ſich noch unterſtehen koͤnne,<lb/>
ihm unter die Augen treten zu wollen, da er wiſ-<lb/>ſe, wie ſchlecht er ſich gegen ihn betragen habe. Er<lb/>
moͤchte ſich ja in Acht nehmen, und dem Herrn<lb/>
Hofrath nicht zu nahe kommen! Es koͤnnte ſchlim-<lb/>
me Folgen fuͤr ihn haben. Der Herr Hoſrath<lb/>
werd ihn nie anhoͤren. Er habe nichts mit einem<lb/>ſolchen Menſchen zu reden, und das rathſamſte<lb/>
waͤre, wenn er ſich recht bald von Jngolſtadt weg<lb/></p></div></body></text></TEI>
[924/0504]
hatte, gieng er zu Dahlmund, kam aber, weil
er ihn nicht zu Haus angetroffen hatte, nach einer
halben Viertelſtunde wieder nach Haus. Er wuͤnſchte
ſich nun keine Wohlthat, als jemand zu haben, in
deſſen Buſen er ſeinen Schmerz ausſchuͤtten, und
mit dem er gewiſſermaßen ſeinen Jammer theilen
koͤnnte; aber keine ſolche Seele war fuͤr ihn in
Jngolſtadt. Es fiel ihm ein, daß der geheime
Rath von Kronhelm verſprochen habe, ihm eine
anſehnliche Bedienung zu verſchaffen. Vielleicht,
dachte er, ſtimmt dieſes den Hofrath Fiſcher um.
Ohne ſich erſt lange zu bedenken, gieng er aus dem
Haus, und ließ ſich bey dem Hofrath melden, mit
dem Anhang: Er habe viel wichtiges mit ihm zu
reden. Der Bediente kam wieder mit dem Auf-
trag: Der Herr Hofrath muͤſſe ſich erſtaunlich
wundern, wie er ſich noch unterſtehen koͤnne,
ihm unter die Augen treten zu wollen, da er wiſ-
ſe, wie ſchlecht er ſich gegen ihn betragen habe. Er
moͤchte ſich ja in Acht nehmen, und dem Herrn
Hofrath nicht zu nahe kommen! Es koͤnnte ſchlim-
me Folgen fuͤr ihn haben. Der Herr Hoſrath
werd ihn nie anhoͤren. Er habe nichts mit einem
ſolchen Menſchen zu reden, und das rathſamſte
waͤre, wenn er ſich recht bald von Jngolſtadt weg
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 924. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/504>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.