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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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gel war im Wald -- und das Dunkel, durch das
kaum ein Sonnenstral dringen konnte, sehr weh-
müthig, daß ihm Thränen aus den Augen auf
das Moos stürzten. Dann ward er wieder ver-
drüßlich und zaghaft, weil er gar kein Ende des
Waldes sah. Wenn es auch zuweilen etwas hell
sah, so kams doch nur daher, daß die Fichten et-
was dünner standen; hinten schloß sich gleich wie-
der ein grösseres Dickicht an. Dabey ward er
von dem mühsamen Hin-und Herirren immer mat-
ter und kraftloser. Ein paarmal setzte er sich auf
das etwas erhöhte Moos nieder, sah auf die Uhr,
und fand, daß es schon auf drey Uhr gehe. Er
stützte den Kopf in beyde Hände, und dachte: Ach
Mariane, wenn wir hier in dieser Wildnis, und von
Menschen abgesondert lebten, die gröstentheils so
niederträchtig sind! Ach, mein Kleist hat Recht:
Ein wahrer Mensch muß fern von Menschen seyn!
Wenn in dieser seligen und stillen Ruhe unser Le-
ben unbemerkt, unbeneidet, ungekränkt, dahin
flösse! Ach Mariane, Mariane, wenn du hier
wärest! Aber du traurst und weinst -- Gott weiß,
wo? -- in irgend einem Winkel zwischen dunkeln
Mauren um deinen armen Siegwart und ver-
eufzst dein Leben. Ach, wenn ich dich hier an



gel war im Wald — und das Dunkel, durch das
kaum ein Sonnenſtral dringen konnte, ſehr weh-
muͤthig, daß ihm Thraͤnen aus den Augen auf
das Moos ſtuͤrzten. Dann ward er wieder ver-
druͤßlich und zaghaft, weil er gar kein Ende des
Waldes ſah. Wenn es auch zuweilen etwas hell
ſah, ſo kams doch nur daher, daß die Fichten et-
was duͤnner ſtanden; hinten ſchloß ſich gleich wie-
der ein groͤſſeres Dickicht an. Dabey ward er
von dem muͤhſamen Hin-und Herirren immer mat-
ter und kraftloſer. Ein paarmal ſetzte er ſich auf
das etwas erhoͤhte Moos nieder, ſah auf die Uhr,
und fand, daß es ſchon auf drey Uhr gehe. Er
ſtuͤtzte den Kopf in beyde Haͤnde, und dachte: Ach
Mariane, wenn wir hier in dieſer Wildnis, und von
Menſchen abgeſondert lebten, die groͤſtentheils ſo
niedertraͤchtig ſind! Ach, mein Kleiſt hat Recht:
Ein wahrer Menſch muß fern von Menſchen ſeyn!
Wenn in dieſer ſeligen und ſtillen Ruhe unſer Le-
ben unbemerkt, unbeneidet, ungekraͤnkt, dahin
floͤſſe! Ach Mariane, Mariane, wenn du hier
waͤreſt! Aber du traurſt und weinſt — Gott weiß,
wo? — in irgend einem Winkel zwiſchen dunkeln
Mauren um deinen armen Siegwart und ver-
eufzſt dein Leben. Ach, wenn ich dich hier an

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[940/0520] gel war im Wald — und das Dunkel, durch das kaum ein Sonnenſtral dringen konnte, ſehr weh- muͤthig, daß ihm Thraͤnen aus den Augen auf das Moos ſtuͤrzten. Dann ward er wieder ver- druͤßlich und zaghaft, weil er gar kein Ende des Waldes ſah. Wenn es auch zuweilen etwas hell ſah, ſo kams doch nur daher, daß die Fichten et- was duͤnner ſtanden; hinten ſchloß ſich gleich wie- der ein groͤſſeres Dickicht an. Dabey ward er von dem muͤhſamen Hin-und Herirren immer mat- ter und kraftloſer. Ein paarmal ſetzte er ſich auf das etwas erhoͤhte Moos nieder, ſah auf die Uhr, und fand, daß es ſchon auf drey Uhr gehe. Er ſtuͤtzte den Kopf in beyde Haͤnde, und dachte: Ach Mariane, wenn wir hier in dieſer Wildnis, und von Menſchen abgeſondert lebten, die groͤſtentheils ſo niedertraͤchtig ſind! Ach, mein Kleiſt hat Recht: Ein wahrer Menſch muß fern von Menſchen ſeyn! Wenn in dieſer ſeligen und ſtillen Ruhe unſer Le- ben unbemerkt, unbeneidet, ungekraͤnkt, dahin floͤſſe! Ach Mariane, Mariane, wenn du hier waͤreſt! Aber du traurſt und weinſt — Gott weiß, wo? — in irgend einem Winkel zwiſchen dunkeln Mauren um deinen armen Siegwart und ver- eufzſt dein Leben. Ach, wenn ich dich hier an

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 940. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/520>, abgerufen am 26.11.2024.