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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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Fürchte nichts vom Pater Klemens! Gib ihm nur
bald deine Antwort! Sag, sie sey für Herrn von
Rothfels deinen Anverwandten! Er ist ein junger
Edelmann, hier in der Nachbarschaft, der die
Schwester meines Kronhelm heyrathet, und sich
unfrer treulich annimmt. Ewig dein Siegwart."

Rothfels nahm den andern Morgen den Brief
mit, und versprach, ihn aufs früheste und genaueste
zu besorgen. Er hofte, den Pater Klemens noch
so auf seine Seite zu bringen, daß man ihm einen
Theil der Geheimnisse anverirauen könne; denn
gänzliche Verschwiegenheit sey die einzige Bedin-
gung; wenn er dieser versichert sey, so sey er auch
im Stand, alles zu unternehmen. Siegwart ver-
sprach von seiner Seite die möglichste Behutsam-
keit und Vorsicht, nur bat er um die äusserste Be-
schleunigung der Sache, denn zitternde Ungeduld
belebte jezt jede seiner Handlungen.

Therese erholte sich nun immer mehr, und konnte
bey den schönen Herbsttagen schon zuweilen wieder
einen halben Nachmittag im Garten zubringen.
Kronhelms und ihre Glückseligkeit war nun wie-
der auf dem höchsten Gipfel. Seine Therese blühte
wieder auf, wie eine Blume, die in der Sonnen-
hitze dahin gewelket war, und sich nun im Abende



Fuͤrchte nichts vom Pater Klemens! Gib ihm nur
bald deine Antwort! Sag, ſie ſey fuͤr Herrn von
Rothfels deinen Anverwandten! Er iſt ein junger
Edelmann, hier in der Nachbarſchaft, der die
Schweſter meines Kronhelm heyrathet, und ſich
unfrer treulich annimmt. Ewig dein Siegwart.‟

Rothfels nahm den andern Morgen den Brief
mit, und verſprach, ihn aufs fruͤheſte und genaueſte
zu beſorgen. Er hofte, den Pater Klemens noch
ſo auf ſeine Seite zu bringen, daß man ihm einen
Theil der Geheimniſſe anverirauen koͤnne; denn
gaͤnzliche Verſchwiegenheit ſey die einzige Bedin-
gung; wenn er dieſer verſichert ſey, ſo ſey er auch
im Stand, alles zu unternehmen. Siegwart ver-
ſprach von ſeiner Seite die moͤglichſte Behutſam-
keit und Vorſicht, nur bat er um die aͤuſſerſte Be-
ſchleunigung der Sache, denn zitternde Ungeduld
belebte jezt jede ſeiner Handlungen.

Thereſe erholte ſich nun immer mehr, und konnte
bey den ſchoͤnen Herbſttagen ſchon zuweilen wieder
einen halben Nachmittag im Garten zubringen.
Kronhelms und ihre Gluͤckſeligkeit war nun wie-
der auf dem hoͤchſten Gipfel. Seine Thereſe bluͤhte
wieder auf, wie eine Blume, die in der Sonnen-
hitze dahin gewelket war, und ſich nun im Abende

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[992/0572] Fuͤrchte nichts vom Pater Klemens! Gib ihm nur bald deine Antwort! Sag, ſie ſey fuͤr Herrn von Rothfels deinen Anverwandten! Er iſt ein junger Edelmann, hier in der Nachbarſchaft, der die Schweſter meines Kronhelm heyrathet, und ſich unfrer treulich annimmt. Ewig dein Siegwart.‟ Rothfels nahm den andern Morgen den Brief mit, und verſprach, ihn aufs fruͤheſte und genaueſte zu beſorgen. Er hofte, den Pater Klemens noch ſo auf ſeine Seite zu bringen, daß man ihm einen Theil der Geheimniſſe anverirauen koͤnne; denn gaͤnzliche Verſchwiegenheit ſey die einzige Bedin- gung; wenn er dieſer verſichert ſey, ſo ſey er auch im Stand, alles zu unternehmen. Siegwart ver- ſprach von ſeiner Seite die moͤglichſte Behutſam- keit und Vorſicht, nur bat er um die aͤuſſerſte Be- ſchleunigung der Sache, denn zitternde Ungeduld belebte jezt jede ſeiner Handlungen. Thereſe erholte ſich nun immer mehr, und konnte bey den ſchoͤnen Herbſttagen ſchon zuweilen wieder einen halben Nachmittag im Garten zubringen. Kronhelms und ihre Gluͤckſeligkeit war nun wie- der auf dem hoͤchſten Gipfel. Seine Thereſe bluͤhte wieder auf, wie eine Blume, die in der Sonnen- hitze dahin gewelket war, und ſich nun im Abende

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 992. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/572>, abgerufen am 21.11.2024.