und Morgenthau mit neuer Kraft und neuen Düf- ten wieder aufrichtet. Kronhelm sah sein Ebenbild, den jungen Wilhelm an ihrer mütterlichen Brust liegen, und wenn er sich einen Augenblick entfer- nen muste, so küßte Therese in dem kleinen Liebling ihren theuren Kronhelm. Die Freude über ihre Wiedergenesung war im Schloß und im Dorf all- gemein. Die Bäurinnen kamen eine nach der an- dern, um ihre liebe gnädige Frau wieder zu sehen, und ihr Glück zu wünschen. Die Bauren hielten an, ob sie nicht einen Tanz deswegen halten dürf- ten? Kronhelm ließ ihnen Bier und Wein und Fleisch genug geben. Sie schickten durch etlich junge Mädchen, die sie, auf Anordnung ihres Geistlichen, als Schäferinnen gekleidet hatten, un- ter Musik von Geigen und Schallmeyen, einen, mit Kornblumen durchflochtenen Aehrenkranz, und ein Schaf, das das älteste Mädchen an einem rothen Band führte, wobey sie zugleich eine artige Glückwünschungsrede an Theresen hielt.
Siegwart ward durch diese allgemeine Freude, und noch mehr durch die Hofnung, seine Mariane bald wieder zu erhalten, wieder neu belebt. Er war mit der Welt fast ganz wieder ausgesöhnt, empfond die Schönheit der Natur, und das Glück
und Morgenthau mit neuer Kraft und neuen Duͤf- ten wieder aufrichtet. Kronhelm ſah ſein Ebenbild, den jungen Wilhelm an ihrer muͤtterlichen Bruſt liegen, und wenn er ſich einen Augenblick entfer- nen muſte, ſo kuͤßte Thereſe in dem kleinen Liebling ihren theuren Kronhelm. Die Freude uͤber ihre Wiedergeneſung war im Schloß und im Dorf all- gemein. Die Baͤurinnen kamen eine nach der an- dern, um ihre liebe gnaͤdige Frau wieder zu ſehen, und ihr Gluͤck zu wuͤnſchen. Die Bauren hielten an, ob ſie nicht einen Tanz deswegen halten duͤrf- ten? Kronhelm ließ ihnen Bier und Wein und Fleiſch genug geben. Sie ſchickten durch etlich junge Maͤdchen, die ſie, auf Anordnung ihres Geiſtlichen, als Schaͤferinnen gekleidet hatten, un- ter Muſik von Geigen und Schallmeyen, einen, mit Kornblumen durchflochtenen Aehrenkranz, und ein Schaf, das das aͤlteſte Maͤdchen an einem rothen Band fuͤhrte, wobey ſie zugleich eine artige Gluͤckwuͤnſchungsrede an Thereſen hielt.
Siegwart ward durch dieſe allgemeine Freude, und noch mehr durch die Hofnung, ſeine Mariane bald wieder zu erhalten, wieder neu belebt. Er war mit der Welt faſt ganz wieder ausgeſoͤhnt, empfond die Schoͤnheit der Natur, und das Gluͤck
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0573"n="993"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
und Morgenthau mit neuer Kraft und neuen Duͤf-<lb/>
ten wieder aufrichtet. Kronhelm ſah ſein Ebenbild,<lb/>
den jungen Wilhelm an ihrer muͤtterlichen Bruſt<lb/>
liegen, und wenn er ſich einen Augenblick entfer-<lb/>
nen muſte, ſo kuͤßte Thereſe in dem kleinen Liebling<lb/>
ihren theuren Kronhelm. Die Freude uͤber ihre<lb/>
Wiedergeneſung war im Schloß und im Dorf all-<lb/>
gemein. Die Baͤurinnen kamen eine nach der an-<lb/>
dern, um ihre liebe gnaͤdige Frau wieder zu ſehen,<lb/>
und ihr Gluͤck zu wuͤnſchen. Die Bauren hielten<lb/>
an, ob ſie nicht einen Tanz deswegen halten duͤrf-<lb/>
ten? Kronhelm ließ ihnen Bier und Wein<lb/>
und Fleiſch genug geben. Sie ſchickten durch etlich<lb/>
junge Maͤdchen, die ſie, auf Anordnung ihres<lb/>
Geiſtlichen, als Schaͤferinnen gekleidet hatten, un-<lb/>
ter Muſik von Geigen und Schallmeyen, einen,<lb/>
mit Kornblumen durchflochtenen Aehrenkranz, und<lb/>
ein Schaf, das das aͤlteſte Maͤdchen an einem<lb/>
rothen Band fuͤhrte, wobey ſie zugleich eine artige<lb/>
Gluͤckwuͤnſchungsrede an Thereſen hielt.</p><lb/><p>Siegwart ward durch dieſe allgemeine Freude,<lb/>
und noch mehr durch die Hofnung, ſeine Mariane<lb/>
bald wieder zu erhalten, wieder neu belebt. Er<lb/>
war mit der Welt faſt ganz wieder ausgeſoͤhnt,<lb/>
empfond die Schoͤnheit der Natur, und das Gluͤck<lb/></p></div></body></text></TEI>
[993/0573]
und Morgenthau mit neuer Kraft und neuen Duͤf-
ten wieder aufrichtet. Kronhelm ſah ſein Ebenbild,
den jungen Wilhelm an ihrer muͤtterlichen Bruſt
liegen, und wenn er ſich einen Augenblick entfer-
nen muſte, ſo kuͤßte Thereſe in dem kleinen Liebling
ihren theuren Kronhelm. Die Freude uͤber ihre
Wiedergeneſung war im Schloß und im Dorf all-
gemein. Die Baͤurinnen kamen eine nach der an-
dern, um ihre liebe gnaͤdige Frau wieder zu ſehen,
und ihr Gluͤck zu wuͤnſchen. Die Bauren hielten
an, ob ſie nicht einen Tanz deswegen halten duͤrf-
ten? Kronhelm ließ ihnen Bier und Wein
und Fleiſch genug geben. Sie ſchickten durch etlich
junge Maͤdchen, die ſie, auf Anordnung ihres
Geiſtlichen, als Schaͤferinnen gekleidet hatten, un-
ter Muſik von Geigen und Schallmeyen, einen,
mit Kornblumen durchflochtenen Aehrenkranz, und
ein Schaf, das das aͤlteſte Maͤdchen an einem
rothen Band fuͤhrte, wobey ſie zugleich eine artige
Gluͤckwuͤnſchungsrede an Thereſen hielt.
Siegwart ward durch dieſe allgemeine Freude,
und noch mehr durch die Hofnung, ſeine Mariane
bald wieder zu erhalten, wieder neu belebt. Er
war mit der Welt faſt ganz wieder ausgeſoͤhnt,
empfond die Schoͤnheit der Natur, und das Gluͤck
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 993. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/573>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.