chen, weil er ihr wichtige Dinge von ihrem Vater zu entdecken habe. Zu dieser Unterredung könnte ihm Brigitte am besten verhelfen. Sie machte anfangs grosse Schwierigkeiten, wegen der Gefahr, verrathen zu werden; endlich aber, als er ihr zu schmeicheln und zu liebkosen wußte, gab sie nach, und versprach, ihm die folgende Nacht in einem Winkel des Gartens eine Unterredung mit Maria- nen zu verschaffen. Darüber war er vor Freuden ganz ausser sich, umarmte und küßte Brigitten, die dieses sehr willig geschehen ließ, und ihn noch- mals versicherte, ihm diese Gefälligkeit gewiß zu erzeigen.
Anfangs glaubte er, Marianen schon in dieser Nacht entführen zu können; aber bey längerer Ueberlegung fand er noch Schwierigkeiten. Es war schon ziemlich spät am Abend, und er zweifelte, ob er noch an Rothfels könne Nachricht gelangen lassen, daß dieser mit einer Kutsche vor dem Kloster warten möchte, um ihn mit Marianen aus dem Land zu bringen. Zudem war die Mauer des Klostergartens hoch, und er wußte noch kein Mit- tel, wie er über diese kommen könnte. Daher mußte er sich dießmal damit begnügen, seine Ma- riane nur zu sprechen, und hofte, bald wieder ei-
chen, weil er ihr wichtige Dinge von ihrem Vater zu entdecken habe. Zu dieſer Unterredung koͤnnte ihm Brigitte am beſten verhelfen. Sie machte anfangs groſſe Schwierigkeiten, wegen der Gefahr, verrathen zu werden; endlich aber, als er ihr zu ſchmeicheln und zu liebkoſen wußte, gab ſie nach, und verſprach, ihm die folgende Nacht in einem Winkel des Gartens eine Unterredung mit Maria- nen zu verſchaffen. Daruͤber war er vor Freuden ganz auſſer ſich, umarmte und kuͤßte Brigitten, die dieſes ſehr willig geſchehen ließ, und ihn noch- mals verſicherte, ihm dieſe Gefaͤlligkeit gewiß zu erzeigen.
Anfangs glaubte er, Marianen ſchon in dieſer Nacht entfuͤhren zu koͤnnen; aber bey laͤngerer Ueberlegung fand er noch Schwierigkeiten. Es war ſchon ziemlich ſpaͤt am Abend, und er zweifelte, ob er noch an Rothfels koͤnne Nachricht gelangen laſſen, daß dieſer mit einer Kutſche vor dem Kloſter warten moͤchte, um ihn mit Marianen aus dem Land zu bringen. Zudem war die Mauer des Kloſtergartens hoch, und er wußte noch kein Mit- tel, wie er uͤber dieſe kommen koͤnnte. Daher mußte er ſich dießmal damit begnuͤgen, ſeine Ma- riane nur zu ſprechen, und hofte, bald wieder ei-
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[1008/0588]
chen, weil er ihr wichtige Dinge von ihrem Vater
zu entdecken habe. Zu dieſer Unterredung koͤnnte
ihm Brigitte am beſten verhelfen. Sie machte
anfangs groſſe Schwierigkeiten, wegen der Gefahr,
verrathen zu werden; endlich aber, als er ihr zu
ſchmeicheln und zu liebkoſen wußte, gab ſie nach,
und verſprach, ihm die folgende Nacht in einem
Winkel des Gartens eine Unterredung mit Maria-
nen zu verſchaffen. Daruͤber war er vor Freuden
ganz auſſer ſich, umarmte und kuͤßte Brigitten,
die dieſes ſehr willig geſchehen ließ, und ihn noch-
mals verſicherte, ihm dieſe Gefaͤlligkeit gewiß zu
erzeigen.
Anfangs glaubte er, Marianen ſchon in dieſer
Nacht entfuͤhren zu koͤnnen; aber bey laͤngerer
Ueberlegung fand er noch Schwierigkeiten. Es war
ſchon ziemlich ſpaͤt am Abend, und er zweifelte,
ob er noch an Rothfels koͤnne Nachricht gelangen
laſſen, daß dieſer mit einer Kutſche vor dem Kloſter
warten moͤchte, um ihn mit Marianen aus dem
Land zu bringen. Zudem war die Mauer des
Kloſtergartens hoch, und er wußte noch kein Mit-
tel, wie er uͤber dieſe kommen koͤnnte. Daher
mußte er ſich dießmal damit begnuͤgen, ſeine Ma-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1008. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/588>, abgerufen am 22.11.2024.
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