sie mit der nahen Hofnung zu trösten, und riß sich endlich mit Gewalt von ihr los, weil er fürchtete, Brigitten ungeduldig zu machen. Mariane kam weinend zu ihr; sie habe, sagte sie, traurige Din- ge von ihrem Vater erfahren. -- Siegwart schlich sich nach seiner Kammer. Die ganze Nacht konn- te er nicht schlafen. Unaushörlich weinte er vor Zärtlichkeit und Liebe, und ängstlicher dunkler Ahn- dung vor der Zukunft.
Den andern Morgen sprach er mit Brigitten. Mariane ist sehr niedergeschlagen und halb krank, sagte sie; er muß ihr traurige Dinge entdeckt ha- ben. -- Ja wohl traurige, war seine Antwort; das arme Frauenzimmer leidet viel. Nur noch Einmal machen Sie, daß ich sie sprechen kann! Bis dahin hoff ich, ihr angenehmere Nachrichten geben zu können; und dann wollen wir suchen, diesen Ausenthalt zu verlassen. Er nahm sie bey der Hand, und blickte sie zärtlich an. Sie erwiederte diese Blicke, und versprach, ihm noch einmal eine Un- terredung mit Marianen zu verschaffen. Er war nun voll froher Hofnungen. Täglich eekundigte er sich nach Marianens Gesundheit. Sie sey sehr schwächlich, war die gewöhnliche Antwort, doch sey sie immer so gewesen. Brigitte lag ihm im-
ſie mit der nahen Hofnung zu troͤſten, und riß ſich endlich mit Gewalt von ihr los, weil er fuͤrchtete, Brigitten ungeduldig zu machen. Mariane kam weinend zu ihr; ſie habe, ſagte ſie, traurige Din- ge von ihrem Vater erfahren. — Siegwart ſchlich ſich nach ſeiner Kammer. Die ganze Nacht konn- te er nicht ſchlafen. Unauſhoͤrlich weinte er vor Zaͤrtlichkeit und Liebe, und aͤngſtlicher dunkler Ahn- dung vor der Zukunft.
Den andern Morgen ſprach er mit Brigitten. Mariane iſt ſehr niedergeſchlagen und halb krank, ſagte ſie; er muß ihr traurige Dinge entdeckt ha- ben. — Ja wohl traurige, war ſeine Antwort; das arme Frauenzimmer leidet viel. Nur noch Einmal machen Sie, daß ich ſie ſprechen kann! Bis dahin hoff ich, ihr angenehmere Nachrichten geben zu koͤnnen; und dann wollen wir ſuchen, dieſen Auſenthalt zu verlaſſen. Er nahm ſie bey der Hand, und blickte ſie zaͤrtlich an. Sie erwiederte dieſe Blicke, und verſprach, ihm noch einmal eine Un- terredung mit Marianen zu verſchaffen. Er war nun voll froher Hofnungen. Taͤglich eekundigte er ſich nach Marianens Geſundheit. Sie ſey ſehr ſchwaͤchlich, war die gewoͤhnliche Antwort, doch ſey ſie immer ſo geweſen. Brigitte lag ihm im-
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ſie mit der nahen Hofnung zu troͤſten, und riß ſich
endlich mit Gewalt von ihr los, weil er fuͤrchtete,
Brigitten ungeduldig zu machen. Mariane kam
weinend zu ihr; ſie habe, ſagte ſie, traurige Din-
ge von ihrem Vater erfahren. — Siegwart ſchlich
ſich nach ſeiner Kammer. Die ganze Nacht konn-
te er nicht ſchlafen. Unauſhoͤrlich weinte er vor
Zaͤrtlichkeit und Liebe, und aͤngſtlicher dunkler Ahn-
dung vor der Zukunft.
Den andern Morgen ſprach er mit Brigitten.
Mariane iſt ſehr niedergeſchlagen und halb krank,
ſagte ſie; er muß ihr traurige Dinge entdeckt ha-
ben. — Ja wohl traurige, war ſeine Antwort;
das arme Frauenzimmer leidet viel. Nur noch
Einmal machen Sie, daß ich ſie ſprechen kann! Bis
dahin hoff ich, ihr angenehmere Nachrichten geben
zu koͤnnen; und dann wollen wir ſuchen, dieſen
Auſenthalt zu verlaſſen. Er nahm ſie bey der Hand,
und blickte ſie zaͤrtlich an. Sie erwiederte dieſe
Blicke, und verſprach, ihm noch einmal eine Un-
terredung mit Marianen zu verſchaffen. Er war
nun voll froher Hofnungen. Taͤglich eekundigte
er ſich nach Marianens Geſundheit. Sie ſey ſehr
ſchwaͤchlich, war die gewoͤhnliche Antwort, doch
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1011. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/591>, abgerufen am 22.11.2024.
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