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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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helen. Er soll der Vertraute meines Jammers
seyn, bis das Grab mich einschliest.

Den Nachmittag kamen sie im Kloster an.
Kronhelm ließ dem Guardian durch den Thorwart
seine, und seines Schwagers Ankunft melden. Der
Guardian empfieng sie mit der grösten Freund-
schaft, und erinnerte sich unsers Siegwarts wieder
mit Vergnügen. Wir dachten schon, sagte er, Sie
hätten uns vergessen, weil uns Pater Philipp keine
Nachricht mehr von Jhnen geben konnte. Beym
Namen: Pater Philipp fieng unserm Siegwart
das Herz an, zu schlagen; denn er hatte wirklich
bey den mancherley Zerstreuungen, und den vielen
Leiden der Liebe, schon seit langer Zeit kaum an
Pater Philipp gedacht, geschweige denn an ihn ge-
schrieben. Weil Kronhelm sah, daß diese Anrede
seinen Schwager in Verlegenheit setzte, so
nahm er an seiner Statt das Wort, und sagte:
Siegwart habe eine Zeither viel gelitten; aber doch
sey ihm das Kloster niemals aus dem Sinn gekom-
men, ob er gleich nicht im Stand gewesen sey, dem
Pater Philipp Nachricht von sich zu geben.

Sie waren kaum etliche Minuten da, so kam
der redliche Pater Anton der von Siegwarts An-
kunft gehöret hatte, ins Zimmer. Siegwart flog



helen. Er ſoll der Vertraute meines Jammers
ſeyn, bis das Grab mich einſchlieſt.

Den Nachmittag kamen ſie im Kloſter an.
Kronhelm ließ dem Guardian durch den Thorwart
ſeine, und ſeines Schwagers Ankunft melden. Der
Guardian empfieng ſie mit der groͤſten Freund-
ſchaft, und erinnerte ſich unſers Siegwarts wieder
mit Vergnuͤgen. Wir dachten ſchon, ſagte er, Sie
haͤtten uns vergeſſen, weil uns Pater Philipp keine
Nachricht mehr von Jhnen geben konnte. Beym
Namen: Pater Philipp fieng unſerm Siegwart
das Herz an, zu ſchlagen; denn er hatte wirklich
bey den mancherley Zerſtreuungen, und den vielen
Leiden der Liebe, ſchon ſeit langer Zeit kaum an
Pater Philipp gedacht, geſchweige denn an ihn ge-
ſchrieben. Weil Kronhelm ſah, daß dieſe Anrede
ſeinen Schwager in Verlegenheit ſetzte, ſo
nahm er an ſeiner Statt das Wort, und ſagte:
Siegwart habe eine Zeither viel gelitten; aber doch
ſey ihm das Kloſter niemals aus dem Sinn gekom-
men, ob er gleich nicht im Stand geweſen ſey, dem
Pater Philipp Nachricht von ſich zu geben.

Sie waren kaum etliche Minuten da, ſo kam
der redliche Pater Anton der von Siegwarts An-
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[1025/0605] helen. Er ſoll der Vertraute meines Jammers ſeyn, bis das Grab mich einſchlieſt. Den Nachmittag kamen ſie im Kloſter an. Kronhelm ließ dem Guardian durch den Thorwart ſeine, und ſeines Schwagers Ankunft melden. Der Guardian empfieng ſie mit der groͤſten Freund- ſchaft, und erinnerte ſich unſers Siegwarts wieder mit Vergnuͤgen. Wir dachten ſchon, ſagte er, Sie haͤtten uns vergeſſen, weil uns Pater Philipp keine Nachricht mehr von Jhnen geben konnte. Beym Namen: Pater Philipp fieng unſerm Siegwart das Herz an, zu ſchlagen; denn er hatte wirklich bey den mancherley Zerſtreuungen, und den vielen Leiden der Liebe, ſchon ſeit langer Zeit kaum an Pater Philipp gedacht, geſchweige denn an ihn ge- ſchrieben. Weil Kronhelm ſah, daß dieſe Anrede ſeinen Schwager in Verlegenheit ſetzte, ſo nahm er an ſeiner Statt das Wort, und ſagte: Siegwart habe eine Zeither viel gelitten; aber doch ſey ihm das Kloſter niemals aus dem Sinn gekom- men, ob er gleich nicht im Stand geweſen ſey, dem Pater Philipp Nachricht von ſich zu geben. Sie waren kaum etliche Minuten da, ſo kam der redliche Pater Anton der von Siegwarts An- kunft gehoͤret hatte, ins Zimmer. Siegwart flog

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1025. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/605>, abgerufen am 23.11.2024.