ihm entgegen und in seinen Arm. Mein Vater! Mein Sohn! riefen sie zu gleicher Zeit aus, und weinten.
Der Pater Guardian fragte hierauf unsern Siegwart, ob er nun im Ernst gesonnen sey, ins Kloster zu treten! und auf seine Bejahung ließ er ihm seinen Aufenthalt bey zwey |andern Novizien anweisen. Kronhelm blieb noch denselben Tag da, und schlief draussen vor dem Kloster bey dem Klo- steramtmann. Nachdem er mit dem Guardian wegen des Geldes, das Siegwart mit ins Klo- ster bringen sollte, alles in Richtigkeit gebracht hatte, so gieng er am Abend mit dem Pater Anton und seinem Schwager im Klostergarten spatzieren. Die- sem kamen alle die Empfindungen wieder ins Ge- dächtniß, die er ehemals in seiner glücklichern Ju- gend hier gehabt hatte. Er erinnerte sich seines seligen Vaters, mit dem er das erstemal hier gewe- sen war, und des verstorbnen rechtschaffnen Pater Gregors. Gott, wie war jezt alles ganz anders! Es war ihm nicht möglich, ein Wort vorzubringen; er konnte nichts als schluchzen. Der Schmerz und die gewaltige Bewegung drückten ihn fast zu Boden. Pater Anton und sein Kronhelm, zwi- schen welchen er gieng, konnten auch nichts spre-
ihm entgegen und in ſeinen Arm. Mein Vater! Mein Sohn! riefen ſie zu gleicher Zeit aus, und weinten.
Der Pater Guardian fragte hierauf unſern Siegwart, ob er nun im Ernſt geſonnen ſey, ins Kloſter zu treten! und auf ſeine Bejahung ließ er ihm ſeinen Aufenthalt bey zwey |andern Novizien anweiſen. Kronhelm blieb noch denſelben Tag da, und ſchlief drauſſen vor dem Kloſter bey dem Klo- ſteramtmann. Nachdem er mit dem Guardian wegen des Geldes, das Siegwart mit ins Klo- ſter bringen ſollte, alles in Richtigkeit gebracht hatte, ſo gieng er am Abend mit dem Pater Anton und ſeinem Schwager im Kloſtergarten ſpatzieren. Die- ſem kamen alle die Empfindungen wieder ins Ge- daͤchtniß, die er ehemals in ſeiner gluͤcklichern Ju- gend hier gehabt hatte. Er erinnerte ſich ſeines ſeligen Vaters, mit dem er das erſtemal hier gewe- ſen war, und des verſtorbnen rechtſchaffnen Pater Gregors. Gott, wie war jezt alles ganz anders! Es war ihm nicht moͤglich, ein Wort vorzubringen; er konnte nichts als ſchluchzen. Der Schmerz und die gewaltige Bewegung druͤckten ihn faſt zu Boden. Pater Anton und ſein Kronhelm, zwi- ſchen welchen er gieng, konnten auch nichts ſpre-
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[1026/0606]
ihm entgegen und in ſeinen Arm. Mein Vater!
Mein Sohn! riefen ſie zu gleicher Zeit aus, und
weinten.
Der Pater Guardian fragte hierauf unſern
Siegwart, ob er nun im Ernſt geſonnen ſey, ins
Kloſter zu treten! und auf ſeine Bejahung ließ er
ihm ſeinen Aufenthalt bey zwey |andern Novizien
anweiſen. Kronhelm blieb noch denſelben Tag da,
und ſchlief drauſſen vor dem Kloſter bey dem Klo-
ſteramtmann. Nachdem er mit dem Guardian
wegen des Geldes, das Siegwart mit ins Klo-
ſter bringen ſollte, alles in Richtigkeit gebracht hatte,
ſo gieng er am Abend mit dem Pater Anton und
ſeinem Schwager im Kloſtergarten ſpatzieren. Die-
ſem kamen alle die Empfindungen wieder ins Ge-
daͤchtniß, die er ehemals in ſeiner gluͤcklichern Ju-
gend hier gehabt hatte. Er erinnerte ſich ſeines
ſeligen Vaters, mit dem er das erſtemal hier gewe-
ſen war, und des verſtorbnen rechtſchaffnen Pater
Gregors. Gott, wie war jezt alles ganz anders!
Es war ihm nicht moͤglich, ein Wort vorzubringen;
er konnte nichts als ſchluchzen. Der Schmerz
und die gewaltige Bewegung druͤckten ihn faſt zu
Boden. Pater Anton und ſein Kronhelm, zwi-
ſchen welchen er gieng, konnten auch nichts ſpre-
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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1026. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/606>, abgerufen am 23.11.2024.
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