seyn! -- So schwärmte er sich in überirrdische Empfindungen hinein, und vergaß Welt, und alles um sich her.
Der Guardian und die andern Paters begegne- ten ihm mit Freundschaft und Liebe, und unter- schieden ihn, da er mehr Vermögen mit ins Klo- ster brachte, sehr von den beyden andern, die mit ihm das Noviziat antreten sollten. Der Eine, Bru- der Porphyr, war ein feuriger, oft ausgelassener Jüngling, der eher zum Herrschen, als zum Ge- horchen gebohren war, und besser einen Officier, als einen stillen und geduldigen Mönch abgegeben hätte. Aber sein Vater hatte mehrere Kinder, und ein mässiges Vermögen. Also hielt ers für ein Glück, daß sein Sohn hier eine Versorgung finden sollte. -- Der andre Bruder Jsidor, war ein dummer, schläfriger Mensch, der sein Leben so hinträumte, ohne viel dabey zu denken. Seine Mutter, ein bigottes Weib, hatte ihn, weil sie bey seiner Geburt fast starb, von Jugend auf zum Mönch bestimmt, und ihm schon, als Knaben, eine Kapuzinerkutte angelegt. Fragte man den Knaben, was er wer- den wollte? so sagte er: ein geistlicher Herr. Die Mutter sagte ihm, im Kloster könn er ohne viele Müh ein Heiliger werden; und dem Knaben war
ſeyn! — So ſchwaͤrmte er ſich in uͤberirrdiſche Empfindungen hinein, und vergaß Welt, und alles um ſich her.
Der Guardian und die andern Paters begegne- ten ihm mit Freundſchaft und Liebe, und unter- ſchieden ihn, da er mehr Vermoͤgen mit ins Klo- ſter brachte, ſehr von den beyden andern, die mit ihm das Noviziat antreten ſollten. Der Eine, Bru- der Porphyr, war ein feuriger, oft ausgelaſſener Juͤngling, der eher zum Herrſchen, als zum Ge- horchen gebohren war, und beſſer einen Officier, als einen ſtillen und geduldigen Moͤnch abgegeben haͤtte. Aber ſein Vater hatte mehrere Kinder, und ein maͤſſiges Vermoͤgen. Alſo hielt ers fuͤr ein Gluͤck, daß ſein Sohn hier eine Verſorgung finden ſollte. — Der andre Bruder Jſidor, war ein dummer, ſchlaͤfriger Menſch, der ſein Leben ſo hintraͤumte, ohne viel dabey zu denken. Seine Mutter, ein bigottes Weib, hatte ihn, weil ſie bey ſeiner Geburt faſt ſtarb, von Jugend auf zum Moͤnch beſtimmt, und ihm ſchon, als Knaben, eine Kapuzinerkutte angelegt. Fragte man den Knaben, was er wer- den wollte? ſo ſagte er: ein geiſtlicher Herr. Die Mutter ſagte ihm, im Kloſter koͤnn er ohne viele Muͤh ein Heiliger werden; und dem Knaben war
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0609"n="1029"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſeyn! — So ſchwaͤrmte er ſich in uͤberirrdiſche<lb/>
Empfindungen hinein, und vergaß Welt, und alles<lb/>
um ſich her.</p><lb/><p>Der Guardian und die andern Paters begegne-<lb/>
ten ihm mit Freundſchaft und Liebe, und unter-<lb/>ſchieden ihn, da er mehr Vermoͤgen mit ins Klo-<lb/>ſter brachte, ſehr von den beyden andern, die mit<lb/>
ihm das Noviziat antreten ſollten. Der Eine, Bru-<lb/>
der Porphyr, war ein feuriger, oft ausgelaſſener<lb/>
Juͤngling, der eher zum Herrſchen, als zum Ge-<lb/>
horchen gebohren war, und beſſer einen Officier,<lb/>
als einen ſtillen und geduldigen Moͤnch abgegeben<lb/>
haͤtte. Aber ſein Vater hatte mehrere Kinder, und<lb/>
ein maͤſſiges Vermoͤgen. Alſo hielt ers fuͤr ein Gluͤck,<lb/>
daß ſein Sohn hier eine Verſorgung finden ſollte. —<lb/>
Der andre Bruder Jſidor, war ein dummer,<lb/>ſchlaͤfriger Menſch, der ſein Leben ſo hintraͤumte,<lb/>
ohne viel dabey zu denken. Seine Mutter, ein<lb/>
bigottes Weib, hatte ihn, weil ſie bey ſeiner Geburt<lb/>
faſt ſtarb, von Jugend auf zum Moͤnch beſtimmt,<lb/>
und ihm ſchon, als Knaben, eine Kapuzinerkutte<lb/>
angelegt. Fragte man den Knaben, was er wer-<lb/>
den wollte? ſo ſagte er: ein geiſtlicher Herr. Die<lb/>
Mutter ſagte ihm, im Kloſter koͤnn er ohne viele<lb/>
Muͤh ein Heiliger werden; und dem Knaben war<lb/></p></div></body></text></TEI>
[1029/0609]
ſeyn! — So ſchwaͤrmte er ſich in uͤberirrdiſche
Empfindungen hinein, und vergaß Welt, und alles
um ſich her.
Der Guardian und die andern Paters begegne-
ten ihm mit Freundſchaft und Liebe, und unter-
ſchieden ihn, da er mehr Vermoͤgen mit ins Klo-
ſter brachte, ſehr von den beyden andern, die mit
ihm das Noviziat antreten ſollten. Der Eine, Bru-
der Porphyr, war ein feuriger, oft ausgelaſſener
Juͤngling, der eher zum Herrſchen, als zum Ge-
horchen gebohren war, und beſſer einen Officier,
als einen ſtillen und geduldigen Moͤnch abgegeben
haͤtte. Aber ſein Vater hatte mehrere Kinder, und
ein maͤſſiges Vermoͤgen. Alſo hielt ers fuͤr ein Gluͤck,
daß ſein Sohn hier eine Verſorgung finden ſollte. —
Der andre Bruder Jſidor, war ein dummer,
ſchlaͤfriger Menſch, der ſein Leben ſo hintraͤumte,
ohne viel dabey zu denken. Seine Mutter, ein
bigottes Weib, hatte ihn, weil ſie bey ſeiner Geburt
faſt ſtarb, von Jugend auf zum Moͤnch beſtimmt,
und ihm ſchon, als Knaben, eine Kapuzinerkutte
angelegt. Fragte man den Knaben, was er wer-
den wollte? ſo ſagte er: ein geiſtlicher Herr. Die
Mutter ſagte ihm, im Kloſter koͤnn er ohne viele
Muͤh ein Heiliger werden; und dem Knaben war
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1029. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/609>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.