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Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776.

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alles recht, was nicht viele Mühe kostete. Der
Beichtvater seiner Mutter, ein Kapuziner, kam
oft in sein Haus. Sein dicker Bauch gefiel ihm,
und seine Erzählungen von der Ruh im Kloster
wurden von dem Knaben begierig angehört. Man
that ihn auf die Schule; er lernte da so wenig,
als er brauchte; auf der Universität in Dillingen
trank er sein Glas Bier in Ruhe, und gieng nun,
als er alt genug war, ins Kloster.

Keiner von beyden war für unsern Siegwart
geschaffen. Bruder Porphyr wollte immer nur lustige
Universitätsstückchen von ihm wissen, und war ihm
mit Erzählungen seiner Streiche, die er in der
Welt getrieben hatte, lästig. Wenn Siegwart in
tiefer Melancholie da saß, und mit seiner Seele
ganz bey Marianen war, so rüttelte er ihn, und
wollte ihn durch Spaß munter machen; und einem
Traurigen ist nichts widriger, als eine unzeitige
Lustigkeit. -- Jsidor sprach gar nichts, schlief grö-
stentheils, oder saß unthätig und gedankenlos da,
und nahm an gar nichts Antheil. Siegwart nahm
also seine Zuflucht zur einsamen Andacht, der er, so
lang die Witterung noch gelind war, in einer Grotte
im Garten pflegte; oder er schrieb kurze Aufsätze,
die an Gott oder Marianen gerichtet waren; oder



alles recht, was nicht viele Muͤhe koſtete. Der
Beichtvater ſeiner Mutter, ein Kapuziner, kam
oft in ſein Haus. Sein dicker Bauch gefiel ihm,
und ſeine Erzaͤhlungen von der Ruh im Kloſter
wurden von dem Knaben begierig angehoͤrt. Man
that ihn auf die Schule; er lernte da ſo wenig,
als er brauchte; auf der Univerſitaͤt in Dillingen
trank er ſein Glas Bier in Ruhe, und gieng nun,
als er alt genug war, ins Kloſter.

Keiner von beyden war fuͤr unſern Siegwart
geſchaffen. Bruder Porphyr wollte immer nur luſtige
Univerſitaͤtsſtuͤckchen von ihm wiſſen, und war ihm
mit Erzaͤhlungen ſeiner Streiche, die er in der
Welt getrieben hatte, laͤſtig. Wenn Siegwart in
tiefer Melancholie da ſaß, und mit ſeiner Seele
ganz bey Marianen war, ſo ruͤttelte er ihn, und
wollte ihn durch Spaß munter machen; und einem
Traurigen iſt nichts widriger, als eine unzeitige
Luſtigkeit. — Jſidor ſprach gar nichts, ſchlief groͤ-
ſtentheils, oder ſaß unthaͤtig und gedankenlos da,
und nahm an gar nichts Antheil. Siegwart nahm
alſo ſeine Zuflucht zur einſamen Andacht, der er, ſo
lang die Witterung noch gelind war, in einer Grotte
im Garten pflegte; oder er ſchrieb kurze Aufſaͤtze,
die an Gott oder Marianen gerichtet waren; oder

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[1030/0610] alles recht, was nicht viele Muͤhe koſtete. Der Beichtvater ſeiner Mutter, ein Kapuziner, kam oft in ſein Haus. Sein dicker Bauch gefiel ihm, und ſeine Erzaͤhlungen von der Ruh im Kloſter wurden von dem Knaben begierig angehoͤrt. Man that ihn auf die Schule; er lernte da ſo wenig, als er brauchte; auf der Univerſitaͤt in Dillingen trank er ſein Glas Bier in Ruhe, und gieng nun, als er alt genug war, ins Kloſter. Keiner von beyden war fuͤr unſern Siegwart geſchaffen. Bruder Porphyr wollte immer nur luſtige Univerſitaͤtsſtuͤckchen von ihm wiſſen, und war ihm mit Erzaͤhlungen ſeiner Streiche, die er in der Welt getrieben hatte, laͤſtig. Wenn Siegwart in tiefer Melancholie da ſaß, und mit ſeiner Seele ganz bey Marianen war, ſo ruͤttelte er ihn, und wollte ihn durch Spaß munter machen; und einem Traurigen iſt nichts widriger, als eine unzeitige Luſtigkeit. — Jſidor ſprach gar nichts, ſchlief groͤ- ſtentheils, oder ſaß unthaͤtig und gedankenlos da, und nahm an gar nichts Antheil. Siegwart nahm alſo ſeine Zuflucht zur einſamen Andacht, der er, ſo lang die Witterung noch gelind war, in einer Grotte im Garten pflegte; oder er ſchrieb kurze Aufſaͤtze, die an Gott oder Marianen gerichtet waren; oder

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Zitationshilfe: Miller, Johann Martin: Siegwart. Bd. 2. Leipzig, 1776, S. 1030. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/miller_siegwart02_1776/610>, abgerufen am 23.11.2024.