Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweyter Gesang.
Euer finsteres Reich mit den Grenzen des Himmels vereinet;
955Oder ist eurer Herrschaft ein andrer Platz noch entzogen,
Den der König des Himmels seit kurzem besitzet; so gehet
Meine Reise durch diese Tiefen, dahin zu gelangen.
Zeiget den Pfad mir dahin, wenn ihr mir ihn zeiget, so soll euch
Keine geringe Vergeltung belohnen, indem ich von neuem
960Dieses verlohrne Reich von aller gewaltsamen Herrschaft
Wieder zu eurem Zepter, zur ersten Finsterniß bringe;
Und, (denn dies ist der Endzweck der gegenwärtigen Reise)
Die Standarte der alten Nacht von neuem errichte.
Aller Vortheil davon sey euer, mein sey nur die Rache.

965Also Satan: Mit stammelnder Zung', und entstelltem Gesichte,
Gab ihm der alte Anarch zur Antwort: Jch kenne dich, Fremder,
Denn du bist der mächtige Führer der Engel, der unlängst
Wider den König des Himmels gestritten, jedoch überwunden
Worden. Jch sah es, und hört es; ein solches zahlreiches Heer floh
970Ueber den zitternden Abgrund gewiß nicht im stillen; ihm folgte
Fall auf Fall, Ruin auf Ruin; und Verwirrung, verwirrter,
So wie sie flohn. Und der Himmel ließ seine siegreichen Schaaren
Millionenweiß aus, die sie verfolgten. -- Jch habe
Meinen Aufenthalt hier auf meinen Grenzen genommen,
975Ob mir vielleicht es gelänge, das wenige, so mir gelassen,
Zu vertheidgen, das immer in unsern eigenem Aufruhr
Angegriffen, dem Zepter der alten Nacht wird entzogen.
Anfangs
M 3

Zweyter Geſang.
Euer finſteres Reich mit den Grenzen des Himmels vereinet;
955Oder iſt eurer Herrſchaft ein andrer Platz noch entzogen,
Den der Koͤnig des Himmels ſeit kurzem beſitzet; ſo gehet
Meine Reiſe durch dieſe Tiefen, dahin zu gelangen.
Zeiget den Pfad mir dahin, wenn ihr mir ihn zeiget, ſo ſoll euch
Keine geringe Vergeltung belohnen, indem ich von neuem
960Dieſes verlohrne Reich von aller gewaltſamen Herrſchaft
Wieder zu eurem Zepter, zur erſten Finſterniß bringe;
Und, (denn dies iſt der Endzweck der gegenwaͤrtigen Reiſe)
Die Standarte der alten Nacht von neuem errichte.
Aller Vortheil davon ſey euer, mein ſey nur die Rache.

965Alſo Satan: Mit ſtammelnder Zung’, und entſtelltem Geſichte,
Gab ihm der alte Anarch zur Antwort: Jch kenne dich, Fremder,
Denn du biſt der maͤchtige Fuͤhrer der Engel, der unlaͤngſt
Wider den Koͤnig des Himmels geſtritten, jedoch uͤberwunden
Worden. Jch ſah es, und hoͤrt es; ein ſolches zahlreiches Heer floh
970Ueber den zitternden Abgrund gewiß nicht im ſtillen; ihm folgte
Fall auf Fall, Ruin auf Ruin; und Verwirrung, verwirrter,
So wie ſie flohn. Und der Himmel ließ ſeine ſiegreichen Schaaren
Millionenweiß aus, die ſie verfolgten. — Jch habe
Meinen Aufenthalt hier auf meinen Grenzen genommen,
975Ob mir vielleicht es gelaͤnge, das wenige, ſo mir gelaſſen,
Zu vertheidgen, das immer in unſern eigenem Aufruhr
Angegriffen, dem Zepter der alten Nacht wird entzogen.
Anfangs
M 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <lg n="23">
            <pb facs="#f0109" n="93"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Zweyter Ge&#x017F;ang.</hi> </fw><lb/>
            <l>Euer fin&#x017F;teres Reich mit den Grenzen des Himmels vereinet;</l><lb/>
            <l><note place="left">955</note>Oder i&#x017F;t eurer Herr&#x017F;chaft ein andrer Platz noch entzogen,</l><lb/>
            <l>Den der Ko&#x0364;nig des Himmels &#x017F;eit kurzem be&#x017F;itzet; &#x017F;o gehet</l><lb/>
            <l>Meine Rei&#x017F;e durch die&#x017F;e Tiefen, dahin zu gelangen.</l><lb/>
            <l>Zeiget den Pfad mir dahin, wenn ihr mir ihn zeiget, &#x017F;o &#x017F;oll euch</l><lb/>
            <l>Keine geringe Vergeltung belohnen, indem ich von neuem</l><lb/>
            <l><note place="left">960</note>Die&#x017F;es verlohrne Reich von aller gewalt&#x017F;amen Herr&#x017F;chaft</l><lb/>
            <l>Wieder zu eurem Zepter, zur er&#x017F;ten Fin&#x017F;terniß bringe;</l><lb/>
            <l>Und, (denn dies i&#x017F;t der Endzweck der gegenwa&#x0364;rtigen Rei&#x017F;e)</l><lb/>
            <l>Die Standarte der alten Nacht von neuem errichte.</l><lb/>
            <l>Aller Vortheil davon &#x017F;ey euer, mein &#x017F;ey nur die Rache.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="24">
            <l><note place="left">965</note>Al&#x017F;o <hi rendition="#fr">Satan:</hi> Mit &#x017F;tammelnder Zung&#x2019;, und ent&#x017F;telltem Ge&#x017F;ichte,</l><lb/>
            <l>Gab ihm der alte <hi rendition="#fr">Anarch</hi> zur Antwort: Jch kenne dich, Fremder,</l><lb/>
            <l>Denn du bi&#x017F;t der ma&#x0364;chtige Fu&#x0364;hrer der Engel, der unla&#x0364;ng&#x017F;t</l><lb/>
            <l>Wider den Ko&#x0364;nig des Himmels ge&#x017F;tritten, jedoch u&#x0364;berwunden</l><lb/>
            <l>Worden. Jch &#x017F;ah es, und ho&#x0364;rt es; ein &#x017F;olches zahlreiches Heer floh</l><lb/>
            <l><note place="left">970</note>Ueber den zitternden Abgrund gewiß nicht im &#x017F;tillen; ihm folgte</l><lb/>
            <l>Fall auf Fall, Ruin auf Ruin; und Verwirrung, verwirrter,</l><lb/>
            <l>So wie &#x017F;ie flohn. Und der Himmel ließ &#x017F;eine &#x017F;iegreichen Schaaren</l><lb/>
            <l>Millionenweiß aus, die &#x017F;ie verfolgten. &#x2014; Jch habe</l><lb/>
            <l>Meinen Aufenthalt hier auf meinen Grenzen genommen,</l><lb/>
            <l><note place="left">975</note>Ob mir vielleicht es gela&#x0364;nge, das wenige, &#x017F;o mir gela&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Zu vertheidgen, das immer in un&#x017F;ern eigenem Aufruhr</l><lb/>
            <l>Angegriffen, dem Zepter der alten Nacht wird entzogen.</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">M 3</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Anfangs</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0109] Zweyter Geſang. Euer finſteres Reich mit den Grenzen des Himmels vereinet; Oder iſt eurer Herrſchaft ein andrer Platz noch entzogen, Den der Koͤnig des Himmels ſeit kurzem beſitzet; ſo gehet Meine Reiſe durch dieſe Tiefen, dahin zu gelangen. Zeiget den Pfad mir dahin, wenn ihr mir ihn zeiget, ſo ſoll euch Keine geringe Vergeltung belohnen, indem ich von neuem Dieſes verlohrne Reich von aller gewaltſamen Herrſchaft Wieder zu eurem Zepter, zur erſten Finſterniß bringe; Und, (denn dies iſt der Endzweck der gegenwaͤrtigen Reiſe) Die Standarte der alten Nacht von neuem errichte. Aller Vortheil davon ſey euer, mein ſey nur die Rache. Alſo Satan: Mit ſtammelnder Zung’, und entſtelltem Geſichte, Gab ihm der alte Anarch zur Antwort: Jch kenne dich, Fremder, Denn du biſt der maͤchtige Fuͤhrer der Engel, der unlaͤngſt Wider den Koͤnig des Himmels geſtritten, jedoch uͤberwunden Worden. Jch ſah es, und hoͤrt es; ein ſolches zahlreiches Heer floh Ueber den zitternden Abgrund gewiß nicht im ſtillen; ihm folgte Fall auf Fall, Ruin auf Ruin; und Verwirrung, verwirrter, So wie ſie flohn. Und der Himmel ließ ſeine ſiegreichen Schaaren Millionenweiß aus, die ſie verfolgten. — Jch habe Meinen Aufenthalt hier auf meinen Grenzen genommen, Ob mir vielleicht es gelaͤnge, das wenige, ſo mir gelaſſen, Zu vertheidgen, das immer in unſern eigenem Aufruhr Angegriffen, dem Zepter der alten Nacht wird entzogen. Anfangs M 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/109
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/109>, abgerufen am 03.05.2024.