Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.

Bild:
<< vorherige Seite




Das
Verlohrne Paradies.
Dritter Gesang.
Sey mir gegrüßet, heiliges Licht [Spaltenumbruch] a)! Des schaffenden Himmels
Erste Geburt! Mitewiger Stral vom ewigen Strale,
Möcht ich so dich untadelhaft nennen; indem Gott das Licht ist b),
Und nie anders, als nur in unzunahlichen Lichte
5Wohnte von Ewigkeit her; in dir also wohnte, du heller
Ausfluß eines reinen, und unerschaffenen Wesens.
Oder hörest du lieber den lautern ätherischen Strom dich
Nennen? Die Quelle, wer kennt sie? Noch vor der Sonn' und den Himmeln
Warst du, und umhülltest, auf Gottes allmächtige Stimme,
10Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln nächtlichen Wasser,
Welche heraufstieg, nachdem sie dem weiten unförmlichen Leeren
Abgewonnen worden. Mit kühnern Schwingen besuch ich
Jtzo dich wieder, nachdem ich den Stygischen Tiefen entronnen,
Obgleich lange genug in diesem finsteren Abgrund
Zu
a) Diese Anrede unsers Dichters
an das Licht, und die Klage über sei-
ne eigne Blindheit, möchte vielleicht
einigen strengen Kunstrichtern ein Feh-
ler wider die Regeln der Epischen Poe-
sie scheinen; wenn es indeß auch ein
Fehler seyn sollte, so wird man ihn
doch dem Poeten Dank wissen, da er
zu so großen Schönheiten Gelegenheit
[Spaltenumbruch] gegeben, und uns mit seinen Umstän-
den und seinem Gemüthscharakter ge-
nauer bekannt macht. N.
b) Nach 1 Joh. I. 5. Gott ist
das Licht, und in ihm ist keine
Finsterniß.
Und nach der 1 Tim. VI. 16.
Der allein Unsterblichkeit hat, der
da wohnet in einem Lichte, da
niemand zukommen kann.
R.
N 2




Das
Verlohrne Paradies.
Dritter Geſang.
Sey mir gegruͤßet, heiliges Licht [Spaltenumbruch] a)! Des ſchaffenden Himmels
Erſte Geburt! Mitewiger Stral vom ewigen Strale,
Moͤcht ich ſo dich untadelhaft nennen; indem Gott das Licht iſt b),
Und nie anders, als nur in unzunahlichen Lichte
5Wohnte von Ewigkeit her; in dir alſo wohnte, du heller
Ausfluß eines reinen, und unerſchaffenen Weſens.
Oder hoͤreſt du lieber den lautern aͤtheriſchen Strom dich
Nennen? Die Quelle, wer kennt ſie? Noch vor der Sonn’ und den Himmeln
Warſt du, und umhuͤllteſt, auf Gottes allmaͤchtige Stimme,
10Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln naͤchtlichen Waſſer,
Welche heraufſtieg, nachdem ſie dem weiten unfoͤrmlichen Leeren
Abgewonnen worden. Mit kuͤhnern Schwingen beſuch ich
Jtzo dich wieder, nachdem ich den Stygiſchen Tiefen entronnen,
Obgleich lange genug in dieſem finſteren Abgrund
Zu
a) Dieſe Anrede unſers Dichters
an das Licht, und die Klage uͤber ſei-
ne eigne Blindheit, moͤchte vielleicht
einigen ſtrengen Kunſtrichtern ein Feh-
ler wider die Regeln der Epiſchen Poe-
ſie ſcheinen; wenn es indeß auch ein
Fehler ſeyn ſollte, ſo wird man ihn
doch dem Poeten Dank wiſſen, da er
zu ſo großen Schoͤnheiten Gelegenheit
[Spaltenumbruch] gegeben, und uns mit ſeinen Umſtaͤn-
den und ſeinem Gemuͤthscharakter ge-
nauer bekannt macht. N.
b) Nach 1 Joh. I. 5. Gott iſt
das Licht, und in ihm iſt keine
Finſterniß.
Und nach der 1 Tim. VI. 16.
Der allein Unſterblichkeit hat, der
da wohnet in einem Lichte, da
niemand zukommen kann.
R.
N 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0117" n="99"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Das<lb/>
Verlohrne Paradies.<lb/>
Dritter Ge&#x017F;ang.</hi> </hi> </head><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l><hi rendition="#in">S</hi>ey mir gegru&#x0364;ßet, heiliges Licht <cb/>
<note place="foot" n="a)">Die&#x017F;e Anrede un&#x017F;ers Dichters<lb/>
an das Licht, und die Klage u&#x0364;ber &#x017F;ei-<lb/>
ne eigne Blindheit, mo&#x0364;chte vielleicht<lb/>
einigen &#x017F;trengen Kun&#x017F;trichtern ein Feh-<lb/>
ler wider die Regeln der Epi&#x017F;chen Poe-<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;cheinen; wenn es indeß auch ein<lb/>
Fehler &#x017F;eyn &#x017F;ollte, &#x017F;o wird man ihn<lb/>
doch dem Poeten Dank wi&#x017F;&#x017F;en, da er<lb/>
zu &#x017F;o großen Scho&#x0364;nheiten Gelegenheit<lb/><cb/>
gegeben, und uns mit &#x017F;einen Um&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
den und &#x017F;einem Gemu&#x0364;thscharakter ge-<lb/>
nauer bekannt macht. <hi rendition="#fr">N.</hi></note>! Des &#x017F;chaffenden Himmels</l><lb/>
            <l>Er&#x017F;te Geburt! Mitewiger Stral vom ewigen Strale,</l><lb/>
            <l>Mo&#x0364;cht ich &#x017F;o dich untadelhaft nennen; indem Gott das Licht i&#x017F;t <note place="foot" n="b)">Nach 1 Joh. <hi rendition="#aq">I.</hi> 5. <hi rendition="#fr">Gott i&#x017F;t<lb/>
das Licht, und in ihm i&#x017F;t keine<lb/>
Fin&#x017F;terniß.</hi> Und nach der 1 Tim. <hi rendition="#aq">VI.</hi> 16.<lb/><hi rendition="#fr">Der allein Un&#x017F;terblichkeit hat, der<lb/>
da wohnet in einem Lichte, da<lb/>
niemand zukommen kann.</hi> R.</note>,</l><lb/>
            <l>Und nie anders, als nur in unzunahlichen Lichte</l><lb/>
            <l><note place="left">5</note>Wohnte von Ewigkeit her; in dir al&#x017F;o wohnte, du heller</l><lb/>
            <l>Ausfluß eines reinen, und uner&#x017F;chaffenen We&#x017F;ens.</l><lb/>
            <l>Oder ho&#x0364;re&#x017F;t du lieber den lautern a&#x0364;theri&#x017F;chen Strom dich</l><lb/>
            <l>Nennen? Die Quelle, wer kennt &#x017F;ie? Noch vor der Sonn&#x2019; und den Himmeln</l><lb/>
            <l>War&#x017F;t du, und umhu&#x0364;llte&#x017F;t, auf Gottes allma&#x0364;chtige Stimme,</l><lb/>
            <l><note place="left">10</note>Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln na&#x0364;chtlichen Wa&#x017F;&#x017F;er,</l><lb/>
            <l>Welche herauf&#x017F;tieg, nachdem &#x017F;ie dem weiten unfo&#x0364;rmlichen Leeren</l><lb/>
            <l>Abgewonnen worden. Mit ku&#x0364;hnern Schwingen be&#x017F;uch ich</l><lb/>
            <l>Jtzo dich wieder, nachdem ich den <hi rendition="#fr">Stygi&#x017F;chen</hi> Tiefen entronnen,</l><lb/>
            <l>Obgleich lange genug in die&#x017F;em fin&#x017F;teren Abgrund</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="sig">N 2</fw>
            <fw place="bottom" type="catch">Zu</fw><lb/>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[99/0117] Das Verlohrne Paradies. Dritter Geſang. Sey mir gegruͤßet, heiliges Licht a)! Des ſchaffenden Himmels Erſte Geburt! Mitewiger Stral vom ewigen Strale, Moͤcht ich ſo dich untadelhaft nennen; indem Gott das Licht iſt b), Und nie anders, als nur in unzunahlichen Lichte Wohnte von Ewigkeit her; in dir alſo wohnte, du heller Ausfluß eines reinen, und unerſchaffenen Weſens. Oder hoͤreſt du lieber den lautern aͤtheriſchen Strom dich Nennen? Die Quelle, wer kennt ſie? Noch vor der Sonn’ und den Himmeln Warſt du, und umhuͤllteſt, auf Gottes allmaͤchtige Stimme, Wie ein Mantel, die Welt der dunkeln naͤchtlichen Waſſer, Welche heraufſtieg, nachdem ſie dem weiten unfoͤrmlichen Leeren Abgewonnen worden. Mit kuͤhnern Schwingen beſuch ich Jtzo dich wieder, nachdem ich den Stygiſchen Tiefen entronnen, Obgleich lange genug in dieſem finſteren Abgrund Zu a) Dieſe Anrede unſers Dichters an das Licht, und die Klage uͤber ſei- ne eigne Blindheit, moͤchte vielleicht einigen ſtrengen Kunſtrichtern ein Feh- ler wider die Regeln der Epiſchen Poe- ſie ſcheinen; wenn es indeß auch ein Fehler ſeyn ſollte, ſo wird man ihn doch dem Poeten Dank wiſſen, da er zu ſo großen Schoͤnheiten Gelegenheit gegeben, und uns mit ſeinen Umſtaͤn- den und ſeinem Gemuͤthscharakter ge- nauer bekannt macht. N. b) Nach 1 Joh. I. 5. Gott iſt das Licht, und in ihm iſt keine Finſterniß. Und nach der 1 Tim. VI. 16. Der allein Unſterblichkeit hat, der da wohnet in einem Lichte, da niemand zukommen kann. R. N 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/117
Zitationshilfe: Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/milton_paradies01_1760/117>, abgerufen am 02.05.2024.