Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Dritter Gesang. Wieder verderben? So würde, Gott, deine Größ' und GnadeZweifelhaft seyn, und man würde sie unvertheidiget lästern. Also sprach er. Der große Schöpfer erwiedert ihm also: 160O mein einiger Sohn, den meine Seele besonders Liebt; Sohn meines Busens, Sohn, der du alleine Meine Weisheit, mein Wort, und meine wirksame Macht bist; Alles hast du gesprochen nach meinen Gedanken, und alles Wie es mein ewiger Rathschluß beschlossen. Nicht gänzlich verlohren 165Soll der Mensch seyn; wer will, sey errettet; doch nicht durch den eignen Willen in ihm, allein durch meine freywillige Gnade, Der ich ihn würdge. Noch einmal will ich die gefallenen Kräfte Jn ihm erneuern, obgleich durch die Sünde verwirkt, und gefesselt Von unmäßgen Begierden; er soll noch einmal gestärket, 170Durch mich aufgerichtet, mit seinem Todtfeinde kämpfen. Aufgerichtet durch mich! damit er erkenne, wie schwach er Jn dem gefallnen Zustand ist, und seine Befreyung, Seine ganze Befreyung mir schuldig sey, mir, und sonst keinem. Einige hab ich erwählt, aus besondern Gnaden erwählet 175Vor den übrigen allen, so ist es mein Wille. Die andern Sollen von mir oft gewarnt in ihrem sündlichen Zustand Oft mich rufen hören, damit sie die zürnende Gottheit Zeitig versöhnen, so lange die angebotene Gnade Sie noch einladet. Dann ich will die verfinsterten Sinnen 180Heiterer machen; und ihre verhärteten steinernen Herzen Zum Gebet, und zur Reu, und schuldgem Gehorsam erweichen. Zum O 2
Dritter Geſang. Wieder verderben? So wuͤrde, Gott, deine Groͤß’ und GnadeZweifelhaft ſeyn, und man wuͤrde ſie unvertheidiget laͤſtern. Alſo ſprach er. Der große Schoͤpfer erwiedert ihm alſo: 160O mein einiger Sohn, den meine Seele beſonders Liebt; Sohn meines Buſens, Sohn, der du alleine Meine Weisheit, mein Wort, und meine wirkſame Macht biſt; Alles haſt du geſprochen nach meinen Gedanken, und alles Wie es mein ewiger Rathſchluß beſchloſſen. Nicht gaͤnzlich verlohren 165Soll der Menſch ſeyn; wer will, ſey errettet; doch nicht durch den eignen Willen in ihm, allein durch meine freywillige Gnade, Der ich ihn wuͤrdge. Noch einmal will ich die gefallenen Kraͤfte Jn ihm erneuern, obgleich durch die Suͤnde verwirkt, und gefeſſelt Von unmaͤßgen Begierden; er ſoll noch einmal geſtaͤrket, 170Durch mich aufgerichtet, mit ſeinem Todtfeinde kaͤmpfen. Aufgerichtet durch mich! damit er erkenne, wie ſchwach er Jn dem gefallnen Zuſtand iſt, und ſeine Befreyung, Seine ganze Befreyung mir ſchuldig ſey, mir, und ſonſt keinem. Einige hab ich erwaͤhlt, aus beſondern Gnaden erwaͤhlet 175Vor den uͤbrigen allen, ſo iſt es mein Wille. Die andern Sollen von mir oft gewarnt in ihrem ſuͤndlichen Zuſtand Oft mich rufen hoͤren, damit ſie die zuͤrnende Gottheit Zeitig verſoͤhnen, ſo lange die angebotene Gnade Sie noch einladet. Dann ich will die verfinſterten Sinnen 180Heiterer machen; und ihre verhaͤrteten ſteinernen Herzen Zum Gebet, und zur Reu, und ſchuldgem Gehorſam erweichen. Zum O 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="5"> <pb facs="#f0125" n="107"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Dritter Geſang.</hi> </fw><lb/> <l>Wieder verderben? So wuͤrde, Gott, deine Groͤß’ und Gnade</l><lb/> <l>Zweifelhaft ſeyn, und man wuͤrde ſie unvertheidiget laͤſtern.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Alſo ſprach er. Der große Schoͤpfer erwiedert ihm alſo:</l><lb/> <l><note place="left">160</note>O mein einiger Sohn, den meine Seele beſonders</l><lb/> <l>Liebt; Sohn meines Buſens, Sohn, der du alleine</l><lb/> <l>Meine Weisheit, mein Wort, und meine wirkſame Macht biſt;</l><lb/> <l>Alles haſt du geſprochen nach meinen Gedanken, und alles</l><lb/> <l>Wie es mein ewiger Rathſchluß beſchloſſen. Nicht gaͤnzlich verlohren</l><lb/> <l><note place="left">165</note>Soll der Menſch ſeyn; wer will, ſey errettet; doch nicht durch den eignen</l><lb/> <l>Willen in ihm, allein durch meine freywillige Gnade,</l><lb/> <l>Der ich ihn wuͤrdge. Noch einmal will ich die gefallenen Kraͤfte</l><lb/> <l>Jn ihm erneuern, obgleich durch die Suͤnde verwirkt, und gefeſſelt</l><lb/> <l>Von unmaͤßgen Begierden; er ſoll noch einmal geſtaͤrket,</l><lb/> <l><note place="left">170</note>Durch mich aufgerichtet, mit ſeinem Todtfeinde kaͤmpfen.</l><lb/> <l>Aufgerichtet durch mich! damit er erkenne, wie ſchwach er</l><lb/> <l>Jn dem gefallnen Zuſtand iſt, und ſeine Befreyung,</l><lb/> <l>Seine ganze Befreyung mir ſchuldig ſey, mir, und ſonſt keinem.</l><lb/> <l>Einige hab ich erwaͤhlt, aus beſondern Gnaden erwaͤhlet</l><lb/> <l><note place="left">175</note>Vor den uͤbrigen allen, ſo iſt es mein Wille. Die andern</l><lb/> <l>Sollen von mir oft gewarnt in ihrem ſuͤndlichen Zuſtand</l><lb/> <l>Oft mich rufen hoͤren, damit ſie die zuͤrnende Gottheit</l><lb/> <l>Zeitig verſoͤhnen, ſo lange die angebotene Gnade</l><lb/> <l>Sie noch einladet. Dann ich will die verfinſterten Sinnen</l><lb/> <l><note place="left">180</note>Heiterer machen; und ihre verhaͤrteten ſteinernen Herzen</l><lb/> <l>Zum Gebet, und zur Reu, und ſchuldgem Gehorſam erweichen.</l><lb/> <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw> <fw place="bottom" type="catch">Zum</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [107/0125]
Dritter Geſang.
Wieder verderben? So wuͤrde, Gott, deine Groͤß’ und Gnade
Zweifelhaft ſeyn, und man wuͤrde ſie unvertheidiget laͤſtern.
Alſo ſprach er. Der große Schoͤpfer erwiedert ihm alſo:
O mein einiger Sohn, den meine Seele beſonders
Liebt; Sohn meines Buſens, Sohn, der du alleine
Meine Weisheit, mein Wort, und meine wirkſame Macht biſt;
Alles haſt du geſprochen nach meinen Gedanken, und alles
Wie es mein ewiger Rathſchluß beſchloſſen. Nicht gaͤnzlich verlohren
Soll der Menſch ſeyn; wer will, ſey errettet; doch nicht durch den eignen
Willen in ihm, allein durch meine freywillige Gnade,
Der ich ihn wuͤrdge. Noch einmal will ich die gefallenen Kraͤfte
Jn ihm erneuern, obgleich durch die Suͤnde verwirkt, und gefeſſelt
Von unmaͤßgen Begierden; er ſoll noch einmal geſtaͤrket,
Durch mich aufgerichtet, mit ſeinem Todtfeinde kaͤmpfen.
Aufgerichtet durch mich! damit er erkenne, wie ſchwach er
Jn dem gefallnen Zuſtand iſt, und ſeine Befreyung,
Seine ganze Befreyung mir ſchuldig ſey, mir, und ſonſt keinem.
Einige hab ich erwaͤhlt, aus beſondern Gnaden erwaͤhlet
Vor den uͤbrigen allen, ſo iſt es mein Wille. Die andern
Sollen von mir oft gewarnt in ihrem ſuͤndlichen Zuſtand
Oft mich rufen hoͤren, damit ſie die zuͤrnende Gottheit
Zeitig verſoͤhnen, ſo lange die angebotene Gnade
Sie noch einladet. Dann ich will die verfinſterten Sinnen
Heiterer machen; und ihre verhaͤrteten ſteinernen Herzen
Zum Gebet, und zur Reu, und ſchuldgem Gehorſam erweichen.
Zum
O 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |