Milton, John: Das Verlohrne Paradies. Bd. 1. Übers. v. Justus Friedrich Wilhelm Zachariae. Altona, 1760.Das verlohrne Paradies. Fahre, wohl, o Furcht, und du, o Reue! Für mich istAlles Gute verlohren; sey du mein Gutes, o Uebel! 115Wenigstens werd ich durch dich das Reich mit dem König des Himmels, Theilen; vielleicht auch durch dich noch mehr als die Hälfte regieren, Wie in kurzem der Mensch und diese Welt soll erfahren! Als er so sprach, ward sein Antlitz von jedem Affekte verdunkelt, Und erblaßte dreymal vor Zorn, und Neid, und Verzweiflung 120Sein geborgtes Gesicht ward entstellt, und hätte verrathen, Daß es nachgemacht sey, wenn irgend ein Aug' ihn gesehen. (Denn von solchen häßlichen Trieben sind himmlische Seelen Allezeit heiter.) Er nimmt sich deshalb in Acht, und besänftigt Jeden Sturm des Gemüths in tiefer Stille von aussen 125Des Betrugs Erfinder, er war der erste, der Falschheit Unter heiligem Scheine verübt; die tiefeste Bosheit, Schwanger von Rachgier, zu verbergen. Doch hatt' er genug nicht Sie verübt, den einmal gewarnten Wächter der Sonne, Uriel, zu betriegen. Er war mit forschenden Blicken 130Seinen Weg ihm herunter gefolgt, und sah ihn entstellet Auf dem Assyrischen Berg [Spaltenumbruch] f); entstellter, als glückliche Geister Jemals es werden können. Er sah die wilden Geberden, Und sein tobend Betragen, indem er allein, unbemerket, Ungesehen, zu seyn sich schmeichelt. So eilet er weiter, Und f) Bentley will haben auf dem
Armenischen Berg; der Niphates aber wird vom Plinius zwischen Ar- [Spaltenumbruch] menien und Assyrien gesetzt, und kann also auch der Assyrische heißen. Pearce. Das verlohrne Paradies. Fahre, wohl, o Furcht, und du, o Reue! Fuͤr mich iſtAlles Gute verlohren; ſey du mein Gutes, o Uebel! 115Wenigſtens werd ich durch dich das Reich mit dem Koͤnig des Himmels, Theilen; vielleicht auch durch dich noch mehr als die Haͤlfte regieren, Wie in kurzem der Menſch und dieſe Welt ſoll erfahren! Als er ſo ſprach, ward ſein Antlitz von jedem Affekte verdunkelt, Und erblaßte dreymal vor Zorn, und Neid, und Verzweiflung 120Sein geborgtes Geſicht ward entſtellt, und haͤtte verrathen, Daß es nachgemacht ſey, wenn irgend ein Aug’ ihn geſehen. (Denn von ſolchen haͤßlichen Trieben ſind himmliſche Seelen Allezeit heiter.) Er nimmt ſich deshalb in Acht, und beſaͤnftigt Jeden Sturm des Gemuͤths in tiefer Stille von auſſen 125Des Betrugs Erfinder, er war der erſte, der Falſchheit Unter heiligem Scheine veruͤbt; die tiefeſte Bosheit, Schwanger von Rachgier, zu verbergen. Doch hatt’ er genug nicht Sie veruͤbt, den einmal gewarnten Waͤchter der Sonne, Uriel, zu betriegen. Er war mit forſchenden Blicken 130Seinen Weg ihm herunter gefolgt, und ſah ihn entſtellet Auf dem Aſſyriſchen Berg [Spaltenumbruch] f); entſtellter, als gluͤckliche Geiſter Jemals es werden koͤnnen. Er ſah die wilden Geberden, Und ſein tobend Betragen, indem er allein, unbemerket, Ungeſehen, zu ſeyn ſich ſchmeichelt. So eilet er weiter, Und f) Bentley will haben auf dem
Armeniſchen Berg; der Niphates aber wird vom Plinius zwiſchen Ar- [Spaltenumbruch] menien und Aſſyrien geſetzt, und kann alſo auch der Aſſyriſche heißen. Pearce. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <lg n="2"> <pb facs="#f0160" n="140"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das verlohrne Paradies.</hi> </fw><lb/> <l>Fahre, wohl, o Furcht, und du, o Reue! Fuͤr mich iſt</l><lb/> <l>Alles Gute verlohren; ſey du mein Gutes, o Uebel!</l><lb/> <l><note place="left">115</note>Wenigſtens werd ich durch dich das Reich mit dem Koͤnig des Himmels,</l><lb/> <l>Theilen; vielleicht auch durch dich noch mehr als die Haͤlfte regieren,</l><lb/> <l>Wie in kurzem der Menſch und dieſe Welt ſoll erfahren!</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Als er ſo ſprach, ward ſein Antlitz von jedem Affekte verdunkelt,</l><lb/> <l>Und erblaßte dreymal vor Zorn, und Neid, und Verzweiflung</l><lb/> <l><note place="left">120</note>Sein geborgtes Geſicht ward entſtellt, und haͤtte verrathen,</l><lb/> <l>Daß es nachgemacht ſey, wenn irgend ein Aug’ ihn geſehen.</l><lb/> <l>(Denn von ſolchen haͤßlichen Trieben ſind himmliſche Seelen</l><lb/> <l>Allezeit heiter.) Er nimmt ſich deshalb in Acht, und beſaͤnftigt</l><lb/> <l>Jeden Sturm des Gemuͤths in tiefer Stille von auſſen</l><lb/> <l><note place="left">125</note>Des Betrugs Erfinder, er war der erſte, der Falſchheit</l><lb/> <l>Unter heiligem Scheine veruͤbt; die tiefeſte Bosheit,</l><lb/> <l>Schwanger von Rachgier, zu verbergen. Doch hatt’ er genug nicht</l><lb/> <l>Sie veruͤbt, den einmal gewarnten Waͤchter der Sonne,</l><lb/> <l><hi rendition="#fr">Uriel,</hi> zu betriegen. Er war mit forſchenden Blicken</l><lb/> <l><note place="left">130</note>Seinen Weg ihm herunter gefolgt, und ſah ihn entſtellet</l><lb/> <l>Auf dem <hi rendition="#fr">Aſſyriſchen</hi> Berg <cb/> <note place="foot" n="f)"><hi rendition="#fr">Bentley</hi> will haben auf dem<lb/><hi rendition="#fr">Armeniſchen</hi> Berg; der Niphates<lb/> aber wird vom <hi rendition="#fr">Plinius</hi> zwiſchen Ar-<lb/><cb/> menien und Aſſyrien geſetzt, und kann<lb/> alſo auch der <hi rendition="#fr">Aſſyriſche</hi> heißen.<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Pearce.</hi></hi></note>; entſtellter, als gluͤckliche Geiſter</l><lb/> <l>Jemals es werden koͤnnen. Er ſah die wilden Geberden,</l><lb/> <l>Und ſein tobend Betragen, indem er allein, unbemerket,</l><lb/> <l>Ungeſehen, zu ſeyn ſich ſchmeichelt. So eilet er weiter,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [140/0160]
Das verlohrne Paradies.
Fahre, wohl, o Furcht, und du, o Reue! Fuͤr mich iſt
Alles Gute verlohren; ſey du mein Gutes, o Uebel!
Wenigſtens werd ich durch dich das Reich mit dem Koͤnig des Himmels,
Theilen; vielleicht auch durch dich noch mehr als die Haͤlfte regieren,
Wie in kurzem der Menſch und dieſe Welt ſoll erfahren!
Als er ſo ſprach, ward ſein Antlitz von jedem Affekte verdunkelt,
Und erblaßte dreymal vor Zorn, und Neid, und Verzweiflung
Sein geborgtes Geſicht ward entſtellt, und haͤtte verrathen,
Daß es nachgemacht ſey, wenn irgend ein Aug’ ihn geſehen.
(Denn von ſolchen haͤßlichen Trieben ſind himmliſche Seelen
Allezeit heiter.) Er nimmt ſich deshalb in Acht, und beſaͤnftigt
Jeden Sturm des Gemuͤths in tiefer Stille von auſſen
Des Betrugs Erfinder, er war der erſte, der Falſchheit
Unter heiligem Scheine veruͤbt; die tiefeſte Bosheit,
Schwanger von Rachgier, zu verbergen. Doch hatt’ er genug nicht
Sie veruͤbt, den einmal gewarnten Waͤchter der Sonne,
Uriel, zu betriegen. Er war mit forſchenden Blicken
Seinen Weg ihm herunter gefolgt, und ſah ihn entſtellet
Auf dem Aſſyriſchen Berg
f); entſtellter, als gluͤckliche Geiſter
Jemals es werden koͤnnen. Er ſah die wilden Geberden,
Und ſein tobend Betragen, indem er allein, unbemerket,
Ungeſehen, zu ſeyn ſich ſchmeichelt. So eilet er weiter,
Und
f) Bentley will haben auf dem
Armeniſchen Berg; der Niphates
aber wird vom Plinius zwiſchen Ar-
menien und Aſſyrien geſetzt, und kann
alſo auch der Aſſyriſche heißen.
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